Zähl Pixel
Erkrankung

TSeltene Lungenkrankheit: 55-Jährige aus Apensen muss für immer um ihr Leben kämpfen

Kirsten Timmann zeigt ihre Startnummer für die Teilnahme am 5. Mai. Sie wird an einem Lauf anlässlich des Welt-PH-Tages teilnehmen, der auf die chronische Erkrankung Pulmonale Hypertonie (PH) aufmerksam machen soll.

Kirsten Timmann zeigt ihre Startnummer für die Teilnahme am 5. Mai. Sie wird an einem Lauf anlässlich des Welt-PH-Tages teilnehmen, der auf die chronische Erkrankung Pulmonale Hypertonie (PH) aufmerksam machen soll. Foto: Laudien

Sie ist 55 Jahre alt - und bereits Rentnerin. Weil sie an einer unheilbaren Lungenkrankheit leidet. Aber Kirsten Timmann denkt positiv. Das hat auch mit ihrem Umzug nach Apensen zu tun.

Von Susanne Laudien Freitag, 12.04.2024, 00:05 Uhr

Apensen. Müde, erschöpft und aus der Puste - Symptome, die viele kennen, immer mal wieder. Doch sie können, wenn sie immer wieder auftreten, auch Anzeichen für eine Krankheit sein - so wie bei Kirsten Timmann, die vor acht Jahren an Pulmonaler Hypertonie (PH) erkrankte, auch Lungenhochdruck genannt. Die seltene Krankheit betrifft Lunge und Herz, ist chronisch, progressiv, stark lebensverkürzend und derzeit noch unheilbar.

„Leider werden diese Symptome häufig mit denen anderer Krankheiten in Zusammenhang gebracht, so dass viele Patienten jahrelang auf die richtige Diagnose warten müssen und bis dahin geht wertvolle Zeit für eine notwendige Therapie verloren“, sagt Kirsten Timmann. „Die Erkrankung kommt auch nicht vom Rauchen, wie viele Menschen immer denken und kann selbst Kinder und Babys betreffen“, weiß die 55-Jährige aus Apensen.

Haare, Kleidung, Auto - Grün ist die Lieblingsfarbe von Kirsten Timmann - und die Farbe der Hoffnung.

Haare, Kleidung, Auto - Grün ist die Lieblingsfarbe von Kirsten Timmann - und die Farbe der Hoffnung. Foto: Susanne Laudien

Es gibt verschiedene Formen, bei denen andere Erkrankungen, wie etwa eine Lungenembolie, Auslöser sind; aber auch eine Variante, die IPAH, bei der es keine bekannte Ursache gibt. Gleich ist bei allen diesen Erkrankungen, dass die Blutgefäße in der Lunge stark verengt sind, so dass das Herz mehr Kraft aufbringen muss, um sauerstoffarmes Blut in die Lunge zu pumpen. Dadurch vergrößert sich der rechte Ventrikel des Herzens und es kann zu Herzversagen kommen.

Erste Symptome und ein völliger Zusammenbruch

Kirsten Timmann hat erstmals im Herbst 2015 gemerkt, dass mit ihr etwas nicht in Ordnung ist. „Ständig war ich müde und nach der Arbeit zu nichts mehr in der Lage.“ Anfangs schob die kaufmännische Angestellte die Symptome noch auf das kalte Herbstwetter. Im März 2016 brach sie in ihrer Wohnung zusammen und wurde ohnmächtig. Ihr Hausarzt überwies sie zum Lungenfacharzt, der feststellte, dass ihr Herz rechts dreifach vergrößert war. Im Herzzentrum Süderelbe wurde sie komplett auf den Kopf gestellt und schließlich auf die Intensivstation der Universitätsklinik in Eppendorf (UKE) verlegt, da sich ihr Gesundheitszustand extrem verschlechterte. „Ich war kurz vor dem Nierenversagen“, berichtet Kirsten Timmann.

Seitdem muss sie regelmäßig Tabletten nehmen und bekommt Medikamente, die ihr über eine unter der Haut implantierte Pumpe zugeführt werden. Ohne Behandlung wäre ihre Lebenserwartung lediglich zwei bis drei Jahre. Alle zwei Wochen fährt sie zur Untersuchung ins UKE und alle zwölf Wochen zur Medizinischen Hochschule nach Hannover, da sie inzwischen ein Medikament aus einer Studie erhält, das sie sich alle drei Wochen in den Bauch oder den Oberschenkel spritzen muss.

Im Alter von 48 Jahren war Kirsten Timmann, die 30 Jahre bei der Arubis AG in Harburg gearbeitet hat, Rentnerin und erhielt einen Schwerbehindertenausweis. Die erschreckende Diagnose, eine unheilbare und lebensverkürzende Erkrankung zu haben, hat nahezu alles bei ihr verändert - auch optisch. „Ich habe mir die Haare grün gefärbt, da ich mir dachte, jetzt ist es auch egal und ich kann mal richtig verrückt sein.“ Grün ist ihre Lieblingsfarbe, die sie auch bei der Kleidung und ihrem Auto favorisiert - und bezeichnend ist für ihre Situation, da Grün die Farbe der Hoffnung ist.

Gleichgesinnte aus Fredenbeck beim Stammtisch

Bei der Reha 2016 in Heidelberg lernte Kirsten Timmann gleichgesinnte Patienten kennen und auch den Selbsthilfeverein PH. „Es ist wichtig, dass Leute einen verstehen. Denn gesunde Leute können es nicht nachvollziehen, wie man mit dieser Erkrankung lebt“, sagt die heute 55-Jährige. Aufgrund ihrer Erkrankung verlor sie nicht nur ihre Arbeit und den Kontakt zu den Arbeitskollegen, sondern auch zum Freundeskreis, da sie immer wieder Verabredungen absagen musste. „Keiner konnte verstehen, was ich durchmache.“

Kirsten Timmann, die damals noch in Harburg wohnte, gründete daraufhin einen Stammtisch, zu dem inzwischen 14 Leute zählen, die aus Fredenbeck, Cuxhaven und Lüneburg kommen und sich vier mal im Jahr treffen - und die dann nicht nur über ihre Erkrankung reden. Doch allein in ihrer Wohnung in Harburg und dem Umfeld fühlte sie sich nicht mehr wohl und ging vorletztes Jahr auf Wohnungssuche. „Wenn ich heute auf meiner Terrasse in Apensen sitze, frage ich mich, warum ich das nicht schon viel früher gemacht habe.“

Vergangenes Jahr nahm Kirsten Timmann erstmals am Welt-PH-Tag am 5. Mai teil, bei dem die Teilnehmer einen Lauf absolvieren. „Ich schaffte einen Kilometer in zwölf Minuten. Doch da ging es mir gesundheitlich noch besser.“ Zwischenzeitlich wurde das Medikament in der implantierten Pumpe ausgesetzt, wodurch sich ihr Gesundheitszustand verschlechterte. Dennoch meldete sie sich auch für dieses Jahr wieder für eine Strecke von einem Kilometer an und hat bereits ihre Startnummer. „Ich kann ja auch mal stehen bleiben und mich zwischendurch ausruhen.“

Fünfjährige Tochter einer Staderin erkrankt

Jedes Jahr veranstaltet das „Team PHenomenal Hope Germany e.V.“ anlässlich des „Welt-PH-Tages“ am 5. Mai, der 2016 in den USA ins Leben gerufen wurde, den „Virtual Run“. Das deutsche Team PH geht auf die Initiative der Staderin Katrin Hetebrügge und Axel Schauf zurück, deren Tochter Greta im Alter von fünf Jahren an idiopathischer pulmonaler Hypertonie erkrankt ist. Beide Eltern sind passionierte Sportler und haben es geschafft, innerhalb von kurzer Zeit zahlreiche Menschen aus ihrem Freundes- und Bekanntenkreis zu motivieren, ihren Sport in den Dienst des Vereins zu stellen. Die Teilnahme an dem Lauf ist kostenlos, aber Spenden werden gerne genommen, um damit die medizinische Forschung zu unterstützen.

Unter dem Motto „Let Me Be Your Lungs“ werden gesunde und erkrankte Menschen dazu aufgerufen, an dieser Aktion teilzunehmen, um mehr Aufmerksamkeit auf die Erkrankung zu lenken. Jeder kann kostenlos teilnehmen und eine Strecke von einem oder fünf Kilometern absolvieren. Dabei ist es egal, ob diese Strecke gegangen oder gelaufen wird. Jeder Teilnehmer erhält per E-Mail eine Startnummer. Am 5. Mai läuft oder geht jeder seine ausgewählte Strecke am Wohnort und hält Distanz und Zeit mit einer App fest, die dann auf der Website der Veranstalter gerne mit Foto vom Lauf hochgeladen werden. Nach Beendigung erhält jeder Teilnehmer eine Urkunde.

Pulmonale Hypertonie – Das sind die Symptome

Die Erkrankung PH ist bisher nicht heilbar. Betroffene Patienten sind körperlich häufig stark in ihrer Leistung eingeschränkt, leiden an Ödemen und Kreislaufstörungen bis hin zu Synkopen und Müdigkeit. Optional ist eine Lungentransplantation erforderlich, die aber nicht ohne Risiken ist.

Aktuell gibt es eine Reihe von Medikamenten, die die Lebensqualität der Patienten verbessern und das Voranschreiten der Erkrankung verlangsamen können. Kirsten Timmann setzt große Hoffnung auf ein neues Medikament aus der Studie, an der sie momentan mit weltweit 300 Patienten teilnimmt. In den USA ist es bereits zugelassen und der Konzern erwartet im Herbst die Zulassung für Deutschland. „Ich hatte Glück, dass ich für diese Studie ausgewählt wurde und hoffe jetzt auf den Gamechanger für mein Leben.“

Weitere Artikel