TUnterwegs als Ork und Heiler: Ehepaar aus Wiegersen hat skurriles Hobby

Böse: Christine Kipping als wilder Ork. Foto: Laudien
Er ist ein magischer Heiler, sie ein böser Ork: Sven und Christine Kipping nehmen in ihrer Freizeit andere Identitäten an. Wie das Ehepaar zu diesem außergewöhnlichen Hobby kam und wo es seinen Spieltrieb auslebt.
Wiegersen. Fast zwei Stunden haben Sven und Christine Kipping für ihre umfangreiche Verwandlung gebraucht. Vor kurzem verbrachten sie ein Wochenende als Heiler und Ork auf Gut Orla, einer LARP-Location in Munster in der Lüneburger Heide. Das Ehepaar tauchte dort für sein außergewöhnliches Hobby in eine Fantasiewelt ab.
LARP steht für Live Action Role Playing, Rollenspiel also. Das Hobby findet seit den 1980er Jahren auch in Deutschland immer mehr Anhänger. Oft gibt es dabei einen Kampf von Gut gegen Böse, der in Schlachten ausgetragen wird - wie zum Beispiel in „Herr der Ringe“ oder „Game of Thrones“.
Die Spiele finden meistens ohne Zuschauer statt und die Teilnehmer können im Rahmen einer Rolle frei improvisieren. „Time-in lautet für uns das Startzeichen für das Rollenspiel, bei dem wir dann völlig in die Rolle eintauchen und unterschiedliche Szenarien spielen“, erklärt Sven Kipping. Im wahren Leben ist der Wiegerser Chemisch-technischer Assistent und Ehefrau Christine Chemielaborantin. In ihrem Doppelleben wird der 47-Jährige zum Heiler Kay und seine Ehefrau (42) zum Ork - ein böses Geschöpf von dem gleichnamigen Volk, das in „Herr der Ringe“ Menschen niedermetzelt.

Friedlich: Sven Kipping als magischer Heiler. Foto: Laudien
Die Vorliebe für Rollenspiele kam bei Sven Kipping im Alter von 13 Jahren mit klassischen Pen-&-Paper-Rollenspielen auf, eine Mischung aus Gesellschaftsspiel und Improvisationstheater. Als Jugendlicher war er dann mit Freunden auf einem Mittelaltermarkt und von den Charakteren begeistert. „Danach haben wir uns aus alten Bettlaken Gewänder gefertigt und im Garten gespielt.“
Mit Ehefrau Christine besuchte Kipping später einen großen Mittelaltermarkt in Hamburg. Daraus ist eine Gruppe von Gleichgesinnten hervorgegangen. „Anfangs waren wir noch im normalen Campingzelt dabei“, erinnert er sich. Mittlerweile wohnen sie bei den Events in stilechten Mittelalterzelten und tragen originalgetreue Gewänder. Die Ausstattung und auch die Charaktere haben sie im Laufe der Zeit weiterentwickelt und nehmen auch an größeren Events teil.
Live-Rollenspiel mit 8000 Teilnehmern
Auch beim „Conquest de Mythodea“ in Brokeloh bei Hannover sind die Kippings im Juli wieder dabei. Das fünftägige Spektakel ist eines der größten Live-Rollenspiele der Welt mit Schlachtfeld und Mittelaltermarkt. Rund 8000 Akteure aus aller Welt fallen dann in dem beschaulichen Dorf ein und hauchen dem Kontinent Mythodea Leben ein. Handlungsstränge, Rätsel und Abenteuer gilt es dabei zu lösen.
„Die Fantasie ist dabei das Größte“, berichtet Kipping. Wichtig sei die Authentizität der Darstellung, daher verwendet das Ehepaar für das Outfit auch möglichst typische Materialien wie Leinen und Leder und macht fast alles selbst. Ähnliches gilt auch für Schwerter und andere Waffen, „mit denen man sich allerdings eigentlich nicht verletzen kann“, so Kipping.
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Als Meister Kay ein Heiler und Chirurg
Sven Kipping ist als Meister Kay ein Heiler und Chirurg. „Ich flicke auf dem Schlachtfeld die Leute wieder zusammen“, erklärt der Wiegersener seine Rolle. Dabei handelt es sich lediglich um Kunstblut und aufgeklebte Wunden. Wenn jemand trotzdem verblutet oder stirbt, ist das nicht das Ende des Spiels, sondern regt sogar zur Fortsetzung an, etwa zu einer inszenierten Feuerbestattung und einer Trauerfeier. „Vieles ist bei uns sehr spontan“, sagt Kipping.
Ihre Verkleidungen tragen Sven und Christine Kipping teils auch im Alltag in Wiegersen. „Die Tunika und die leichten Leinenhosen sind sehr bequeme Kleidungsstücke“, sagt Kipping. Dass einige ihr Doppelleben befremdlich finden, stört die Kippings nicht. „Man braucht viel Fantasie, um da mitzumachen. Kinder verkleiden sich gerne, doch irgendwann heißt es dann, das macht man nicht mehr. Das finde ich schade“, sagt Kipping.
Ihr siebenjähriger Sohn will sich bisher nur zu Fasching und Halloween kostümieren. „Wir nehmen ihn demnächst zu einem Mittelaltermarkt mit, vielleicht gefällt es ihm, mal sehen“, sagt Kipping. Dass seine Eltern in andere Rollen schlüpfen, findet der Siebenjährige völlig okay - selbst wenn sich seine Mutter zum schaurigen Ork verwandelt.

Böse: Christine Kipping als wilder Ork. Foto: Laudien