T150 Jahre Posaunenchor: Frauen durften früher nicht mitspielen
Sie ist die jüngste, er das älteste Mitglied im Posaunenchor Bargstedt: Lena Albers und Reinhard Meyer. Foto: Bisping
Fünf Gründungsmitglieder fanden sich am 8. Oktober 1874 zum Posaunenchor Bargstedt zusammen. Nun feiert er mit einem Jubiläumskonzert. Ein Blick in die Geschichte.
Bargstedt. Lena Albers spielt dort, genauso wie Reinhard Meyer. Die Freude am gemeinsamen Musizieren verbindet die 14-Jährige und den 65-Jährigen. Sie gehören zum Posaunenchor Bargstedt, der vor 150 Jahren gegründet wurde und jetzt ein beeindruckendes Jubiläum feiern kann.
2018 hatte Lena Albers mit dem Musizieren begonnen, motiviert durch eine Freundin. Die allerdings spiele nicht mehr, erzählt der Teenager. Lena ist das jüngste Mitglied im Team und die Enkelin von Ernst Albers - der ehemalige Leiter der Volksbank Bargstedt ist vielen bekannt. Er selbst hatte 40 Jahre im Posaunenchor gespielt.
Ein halbes Jahrhundert Mitglied im Posaunenchor
Noch einiges länger wirkt Reinhard Meyer mit. „Als ich elf Jahre alt war, habe ich angefangen“, erzählt er. Sein Onkel und sein Vater hätten ebenfalls gespielt, dann habe er selbst zum Tenorhorn gegriffen. Inzwischen spielt Meyer im Chor die Tuba, ist seit 54 Jahren Mitglied und damit am längsten dabei. „In diesem Chor kann man alt werden“, sagt er augenzwinkernd.
Einmal in der Woche proben Lena Albers und Reinhard Meyer gemeinsam mit den anderen Mitgliedern. Sind alle Musiker da, besteht der Chor aus 25 Blasinstrumenten und einer Pauke. Vertreten sind Trompeten mit erster und zweiter Stimme, das Flügelhorn, Posaunen und Zugposaune, Tuba und Tenorhorn. Ein Damen-Trio leitet die Musiker an: Anja Bredehöft, Lea Heidelauf und Stefanie Heidelauf musizieren selbst und geben im Wechsel den Takt vor.

Anja Bredehöft (von links), Lea Heidelauf und Stefanie Heidelauf leiten abwechselnd den Chor. Foto: Bisping
Welche Musik gespielt wird? „Wir haben ganz viel im Repertoire“, verrät Lea Heidelauf. „Chorale Begleitung, typische Blasmusik und mittelalterliche Stücke.“ Aber auch Moderneres, Jazz und Swing gehörten dazu. Damit treten die Chormitglieder bei Gottesdiensten, Geburtstagen und Hochzeiten auf - oder bei großen Posaunenfesten wie dem in Farven im Landkreis Rotenburg.
Doch zurück zur Gründung. Aus den anfänglich nur fünf Mitgliedern entsteht 1885 ein gemischter Chor, der Kirchenchor. Zu ihm gehören bald zwischen 25 und 30 Mitgliedern. Allerdings dürfen nur die Männer musizieren, während die Frauen zwar anwesend sind, aber Handarbeiten verrichten. Beim anschließenden Singen dürfen sie mitmachen.
Ein Instrument war 92 Jahre lang in Gebrauch
Auf einem Posaunenfest in Stelle feiert der Chor Bargstedt im Jahr 1900 nachträglich sein 25-jähriges Jubiläum. Durch Spenden, Kollekten und Mitgliedsbeiträge können in den Jahren 1902 bis 1908 neue Instrumente angeschafft werden. Auch die Posaunenbücher I und II von Eduard Kuhlo, das Original war 1881 erschienen. Aus den Büchern wird heute noch einiges gespielt.

Der 1885 gegründete gemischte Posaunen- und der Kirchenchor Bargstedt im Jahr 1909. Foto: Pfarramtarchiv
Ein besonderes Instrument, den sogenannten Kaiserbass, kann der Chor 1906 nach einer Schenkung von 200 Mark von Seiner Königlichen Hoheit des Herzogs Ernst August von Cumberland und zu Braunschweig und Lüneburg anschaffen. Das Instrument wird 92 Jahre lang im Bargstedter Posaunenchor gespielt. Jetzt hängt der Kaiserbass an der Wand des Posaunenmuseums im Bargstedter Kirchturm.
1924 feiert der Posaunenchor sein 50-jähriges Bestehen, vier Jahre später findet das Kreisposaunenfest in Bargstedt statt. 1936 nehmen der Posaunen- und Kirchenchor am Reichsposaunentag in Bethel teil. Das Nazi-Regime verbietet aber die Kundgebung auf dem Marktplatz in Bielefeld. Daraufhin vereinigen sich etwa 6000 Bläser zu einem Massenchor in der Waldkirche von Bethel.

Der Posaunen- und der Kirchenchor Bargstedt 1949 - der Chor feiert das 75-jährige Jubiläum. Foto: Pfarramtarchiv
Über die Zeit des Dritten Reiches bleibt der Posaunenchor intakt. Anlässlich des 75-jährigen Jubiläums im Juni 1949 wird nach dem Krieg das erste Landesposaunenfest der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers auf dem Missionsplatz hinter der Kirche gefeiert. 34 Vereine mit 409 Bläsern nehmen daran teil.
Sie leiteten den Bargstedter Posaunenchor
1964 wird Claus „Vadder“ Fitschen nach 51 Jahren Mitgliedschaft und 40 Jahren Posaunenchorleitung verabschiedet. Danach übernimmt der Lehrer und Organist Hans-Wolfgang Ziegeler die Posaunenchorleitung und kümmert sich verstärkt um den Nachwuchs. Es gelingt ihm, auch Mädchen für den Chor zu begeistern.
Ziegeler wird 1979 als Schulleiter pensioniert und verlässt die Gemeinde. Jürgen Jarck übernimmt - er ist ebenfalls Lehrer an der Bargstedter Grundschule. Alle zwei Jahre startet er eine Anfängergruppe. So wächst die Zahl der Mitglieder 1987 auf 65 an. Jarck sorgt außerdem dafür, dass neue Musik gespielt wird - vom einfachen Volkslied über Bearbeitungen von Pop-Musik und Operettenstücken bis hin zum Swing.
Wie Jürgen Jarck, Musiklehrer und späterer Schulleiter der Grundschule Bargstedt, junges Volk an Horn und Trompete brachte, daran kann sich Anja Bredehöft heute noch gut erinnern. Sie ging dort zur Schule.
„Ich habe 1980 angefangen“, erzählt Anja Bredehöft. „Wir waren damals über 40 Jungbläser.“ Das, was an Hörnern da war, wurde einem in die Hand gedrückt.
Tina Peters, für die Organisation im Chor zuständig, ist seit 40 Jahren Mitglied. Sie sei auch über die Schule zum Musizieren gekommen und leidenschaftlich dabei, so die Landwirtin. „Ich entspanne mich schon, wenn ich das Instrument auspacke“, sagt sie.
Jürgen Jarck übernahm zweimal die Chorleitung
Aus gesundheitlichen Gründen gibt Jarck 2006 die Leitung ab. Er bleibt dem Chor als Musiker erhalten. Astrid Brinkmann, die eine Ausbildung zur Chorleiterin abgeschlossen hat, übernimmt den Taktstock. 2013 steigt auch sie aus gesundheitlichen Gründen aus und Jürgen Jarck übernimmt noch einmal bis zum Jahr 2019. Dazu kümmert er sich um die Jungbläserausbildung.
Im Juni 2017 spielt der Posaunenchor mit 50 Bläsern in der Bargstedter Kirche. Dabei werden einige Bläser und Bläserinnen für ihren Einsatz geehrt. Der 83-jährige Georg Müller, der für 70 Jahre aktive Tätigkeit mit der selten verliehenen „Johannes Kuhlo Medaille“ geehrt wird, ist einer von ihnen.
Nach insgesamt 40 Jahren beendet Jürgen Jarck 2019 seine Chorleitertätigkeit. Er war 33 Jahre als Chorleiter und sieben Jahre in der Bläserausbildung tätig. Der Posaunenchor, heißt es, habe ihm viel zu verdanken, er habe diesen über Jahrzehnte geprägt.
Im Frühjahr 2020 übernimmt Christine van Stryk aus Fahrendahl die Leitung des Posaunenchors. Franziska Wildebrandt kümmert sich 2020 bis 2022 um die Jungbläserausbildung, was Christine van Stryk Ende 2022 fortsetzt.

Der Posaunenchor Bargstedt probt jeden Donnerstag im Gemeindehaus der Kirche. Foto: Bisping
Auch in der Coronazeit finden die Chorproben statt, unter anderem im Dorfgemeinschaftshaus in Reith, bei Familie Peters in Ohrensen oder bei Familie Fitschen in der Scheune. Während dieser Zeit absolvieren drei Mitglieder des Posaunenchors, Anja Bredehöft, Lea Heidelauf und Stefanie Heidelauf, die Chorleiter-Ausbildung. Seit Anfang 2023 haben sie die musikalische Leitung inne.

Der Posaunenchor Bargstedt in seiner heutigen Besetzung. Foto: Werner Steffen
Das nächste große Ereignis ist jetzt das 150-jährige Jubiläumskonzert des Posaunenchors, das am Sonnabend, 28. September, ab 19 Uhr in der Bargstedter Kirche erklingt und gefeiert wird. Unterstützt werden die Bläserinnen und Bläser aus den Chören der Umgebung. Der Eintritt ist frei, danach wird es einen Empfang im Gemeindehaus geben. (Anm. der Red.: Grundlagen des Artikels entstammen der Festschrift des Posaunenchors)

Die Chormitglieder Frank Gietzelt, Kerstin Hager und Sabine Sievers. Foto: Bisping