TAusgesetzt, zurückgelassen, verwahrlost: Die Not im Stader Tierheim ist groß

Dango kam aus einer Sicherstellung ins Tierheim. Wen er nicht kennt, dem begegnet er äußerst ungehalten. Foto: Alexandra Bisping
Im Tierheim Stade warten viele Tiere auf ein neues Zuhause. Und es wird langsam eng: Derzeit gibt es besonders viele Katzen. Einige Hunde werden möglicherweise für immer dort bleiben.
Stade. Da ist Dango - groß und kräftig. Im Stader Tierheim ist er eine feste Größe. Und groß passt: Dango ist ein Mix aus einer Mastif-Art und einem Cane Corso. Ein respekteinflößender Rüde, der jeden Unbekannten böse anknurrt. In den Händen von Julia Weber wird er zum Schmuser. Sie hat einen guten Draht zu ihm. Dango kam im Alter von zehn Monaten ins Tierheim. Das war vor zwölf Jahren.
„Auf dem Hof darf Dango frei herumlaufen“, erzählt Julia Weber. Seit 2010 leitet sie das Stader Tierheim. Dango kam durch eine Sicherstellung zu ihnen, wurde also seinen Vorbesitzern weggenommen. Eine Art Wesenstest habe er nicht bestanden. Der Rüde ist als Gefahrenhund eingestuft worden. Das bedeutet: Leinen- und Maulkorbzwang. Der Hund, sagt sie, sei unvermittelbar. Mit den Pflegerinnen komme er gut zurecht. Aber Dango ist nicht der einzige Brecher.
Immer frei: eine Notfallbox für Hunde
Im Moment leben neun Hunde im Stader Tierheim. „Wir haben zwar zehn Boxen, aber eine muss immer frei bleiben“, sagt Julia Weber und erklärt: „Im Außenbereich gibt es eine Box für Hunde, die von der Polizei abgegeben werden, wenn niemand da ist.“ Bevor die Mitarbeiter Feierabend machen, wird dort Futter hineingestellt. „Die Polizei hat einen Schlüssel und kann den Hund in der Box unterbringen.“

In den Händen von Julia Weber schmilzt Dango dahin. Foto: Alexandra Bisping
Nicht selten kommen Hunde aus Zwangsräumungen ins Tierheim - die Halter machen sich aus dem Staub und lassen sie einfach in der Wohnung zurück. „Das passiert häufiger als man denkt“, sagt Andre Weinhardt von der Hansestadt Stade, zuständig für das Tierheim. Außer Dango sind noch weitere Kandidaten seit Jahren im Tierheim. Weber beschreibt sie als „eher auffällig und für Familien nicht geeignet“.
Julia Weber vermutet, dass auch Anton zum Dauergast wird. Der elfjährige Mischlingsrüde ist seit 2019 da. Wie bei Dango gilt auch bei ihm Leinen- und Maulkorbzwang. Er habe Interessenten gehabt, sagt Weber. Doch bei einem Spaziergang sei er auch sie angegangen - trotz Maulkorb.
Verwahrlost und zerbissen
Tier, Tiere, noch mehr Tiere - „Animal Hoarding“ nimmt zu
Höchststand: 51 Katzen gab es bis vor kurzem
Bei den Katzen stoßen sie im Tierheim bald an ihre Grenzen. Bis vor einigen Tagen waren es 51, im Moment sind es 45. Über Winter hatten sie den Höchststand und betreuen aktuell doppelt so viele wie im vergangenen Jahr zur gleichen Zeit. „Und die Katzensaison mit ihren Jungtieren kommt erst noch“, sagt Weber. Gerade kürzlich kamen wieder sechs beschlagnahmte Tiere auf einen Schwung. Bei Katzen halte es sich aber die Waage, sagt sie.

Motte, lieb und verschmust, hat Zucker. Sie darf nicht zu anderen Katzen, denn sie bekommt Spezialfutter. Foto: Alexandra Bisping
„Es kommen Katzen rein, es werden welche vermittelt“, so die Leiterin. Manche seien nach drei Wochen wieder weg, andere spätestens nach fünf Monaten. Außer den beschlagnahmten handele es sich um Fundtiere, verwilderte Katzen oder welche, die verletzt irgendwo gefunden werden.
Aufgenommen werden auch Tiere aus Vertragskommunen. „Was wir nicht annehmen sind Abgabetiere.“ Sie erklärt, dass Halter, die ein Tier nicht mehr haben wollen oder können, sich selbst aktiv um eine neue Bleibe kümmern müssten. Nur in absoluten Notfällen werde eine Ausnahme gemacht und individuell entschieden. Wie sieht es aus mit Kastrationspflicht? Weber findet, wenn Kastrationspflicht, dann muss sie für alle Katzen gelten. „Aber wer soll das kontrollieren?“
Vertragskommunen geben ihre Fundtiere in Stade ab
Im Jahr 2023 hat das Tierheim fünf Hunde, 61 Katzen und fünf Kleintiere aus den Vertragskommunen aus dem Landkreis Stade aufgenommen. Seit April 2023 gehört auch Harsefeld dazu. Drochtersen und die Samtgemeinde Nordkehdingen sind keine Vertragskommunen. Sie hatten eine dauerhafte Kooperation mit dem Tierheim in Cuxhaven angestrebt. „Das hat nicht geklappt“, sagt Andre Weinhardt.

Dieser namenlose Kater lief verwahrlost auf einem Hof herum. Seine Ohren mussten wegen einer Krebserkrankung abgenommen werden. Foto: Alexandra Bisping
Ein Arbeitskreis hat sich gebildet, um für die Fundtiere aller Kommunen eine dauerhafte Lösung zu finden. Weinhardt erzählt von einem ersten Treffen mit Landrat Kai Seefried, das zweite soll im März stattfinden. Vertragskommunen zahlen bei Abgabe an das Stader Tierheim einmalig 455 Euro für einen Hund oder eine Katze, für Kaninchen um die 240 Euro, für Kleintiere 90 Euro.
Im Tierheim kümmern sich außer Julia Weber noch zwei weitere Pflegerinnen um die tierischen Gäste. „Eine Vollzeit- und zwei Teilzeitstellen“, sagt Andre Weinhardt. Seit der nach 20 Jahren wohl fälligen Anhebung der GOT - der Gebührenordnung für Tierärzte - sei alles in diesem Bereich erheblich teurer geworden. Sämtliche Kosten laufen über die Stadt. Dankenswerterweise gebe es auch Spenden, so Weinhardt. Die flössen nicht in den Stader Haushalt ein, sondern würden verwendet für Dinge wie Leckerlis oder Spielzeug.

Andre Weinhardt vom Stader Ordnungsamt steht im regen Kontakt mit Julia Weber. Übrigens: Der hübsche Schäferhund-Mix Loui sucht auch ein neues Zuhause. Foto: Alexandra Bisping
Das Tierheim hat keine offiziellen Öffnungszeiten. Interessierte können einen Termin vereinbaren unter 04141/66610. Bei einer Vermittlung kosten Hunde 150 Euro, Katzen zwischen 50 und 75 Euro und Vögel und Kaninchen 5 bis 25 Euro.

Das Katzenzimmer hat eigentlich sechs Bewohner, doch die schüchternen Gesellen haben sich versteckt. Foto: Alexandra Bisping