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Von wegen harmlos

TBelästigung auf der Straße oder am Arbeitsplatz: Wenn Catcalling zur Tortur wird

Catcalling ist kein Kompliment. Es klingt so banal: ein Spruch, ein hinterher Pfeifen bei der Joggingrunde. Wann beginnt die Belästigung?

Catcalling ist kein Kompliment. Es klingt so banal: ein Spruch, ein hinterher Pfeifen bei der Joggingrunde. Wann beginnt die Belästigung? Foto: Catcalls of Wesermarsch

„Hey, wollen wir mal ´ne Nummer schieben?“ Für ihn ist es vielleicht ein lustiger Kommentar im Vorbeifahren. Für viele Frauen hört der Spaß schon lange auf. Sogenannte Catcalls können Folgen haben.

Von Sabrina Krabbenhoeft Donnerstag, 02.05.2024, 06:00 Uhr

„Geile Titten, zeig doch mal her“, von Catcalling sind vor allem Frauen betroffen. Das Wort bezeichnet die verbale Belästigung im öffentlichen Raum. Diese Sprüche und Gesten sind nicht harmlos. Um auf das Verhalten und die Folgen aufmerksam zu machen, hat die Gruppe „Catcalls of Wesermarsch“ im Februar einen Instagram-Account ins Leben gerufen.

Frauen, die Anzüglichkeiten ausgesetzt sind, können Ort und Art der Belästigung dort melden. Die Vorfälle werden von den Gruppenmitgliedern mit Kreide auf die Straße geschrieben, ohne die Namen der Beteiligten zu nennen. Damit wird öffentlich gemacht, was Frauen im Alltag passiert und wo es passiert ist.

Frauen posten Catcalling-Erlebnisse

Eine junge Frau vermerkt auf der neuen Instagram-Seite von Catcalls of Wesermarsch, dass ihr im Famila-Center in Brake ein älterer Mann hinterhergerufen hat: „Mehr (zeigen) geht wohl nicht“. „Die Wirkung solcher Sprüche wird unterschätzt. Die Frau traute sich vorübergehend nicht mehr, das Einkaufszentrum zu besuchen“, erzählt eine der Aktivistinnen. Sie möchte anonym bleiben.

Die Gruppe postet einen weiteren Aufruf, in dem sie Frauen bittet, sexualisierte Belästigung am Arbeits- und Ausbildungsplatz zu melden. Fünf Frauen geben ihre Erlebnisse durch.

Dozent will nicht, dass menstruierende Studentinnen in der ersten Reihe sitzen

Eine Auszubildende schreibt, dass ihr damaliger Chef am Telefon des Öfteren behauptete, sie hocke gerade unter seinem Schreibtisch. Die Anspielung auf einen Blowjob ist nicht zu übersehen. Eine andere berichtet von einem Dozenten an der Uni, der die Studentinnen aufforderte, sich nicht in die erste Reihe zu setzen, wenn sie ihre Tage hätten. Das möchte er nicht riechen, soll er gesagt haben. „Das ist ekelhaft und zeigt, wie sicher sich manche Männer in ihrer Position fühlen“, sagt die Aktivistin.

Aktion am 1. Mai in Nordenham geplant

Entstanden ist die Bewegung gegen Catcalls 2016 in New York. Eine Studentin rief nach eigenen Erfahrungen das Projekt Catcalls of NY ins Leben. Seit 2021 gibt es den Verein Chalk back Deutschland (damit wird das Ankreiden der Belästigung auf der Straße bezeichnet) der landesweit als Dachverband für die einzelnen Catcallsof-Gruppen fungiert. Inzwischen gibt es 327 Gruppen auf der ganzen Welt.

Im Rahmen einer bundesweiten Aktion von Chalk Back Deutschland wurden die gesammelten Sprüche der letzten Monate auf die Straße gemalt.

Machen Männer alles falsch?

Viele Männer stellen die Frage, ob sie überhaupt noch etwas sagen dürfen, wenn jeder Blick zur Belästigung werden kann. „Belästigung beginnt, wenn sich die Frau belästigt fühlt“, sagt die Aktivistin der Catcalls of Wesermarsch. „Das Problem wird gern heruntergespielt. Männer sagen, sie finden die Sprüche nicht schlimm oder dulden das Verhalten. Ich wünsche mir da mehr Zivilcourage. Fallen sexistische Sprüche beim Sport oder an einem anderen Ort, kann jeder eingreifen.“

Die Gruppe Catcalls of Bremen bietet Workshops für junge Menschen an, um das Verständnis füreinander zu erhöhen. Frauen und Mädchen können in einem sicheren Rahmen von ihren Erlebnissen und deren Wirkung erzählen.

Ein Flirt kann schön sein. Aber ist die Person überhaupt interessiert? Menschen sollten lernen, die Reaktion des Gegenübers richtig einzuschätzen, ist die Botschaft. Werden Grenze übertreten, rät die Aktivistin den betroffenen Frauen ihrem Instinkt nachzugeben, um das vermeintliche Spiel zu beenden: Den Spruch zu ignorieren, andere Menschen um Hilfe zu bitten oder auch zurück zuschreien.

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