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Sterbebegleitung

TBis in den Tod: Wie die Hospiz-Gruppe Stade Sterbende unterstützt

Begleiten bis in den Tod, das ist die Aufagbe der Ehrenamtlichen der Hospiz-Gruppe Stade.

Begleiten bis in den Tod, das ist die Aufagbe der Ehrenamtlichen der Hospiz-Gruppe Stade. Foto: Peter Förster/dpa-Zentralbild/dp

Annemarie Thieme begleitet seit 25 Jahren Sterbende und deren Angehörige. Hier schildert sie einen berührenden Fall.

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Von Lena Stehr
Montag, 17.02.2025, 19:20 Uhr

Stade. Diagnose Hirntumor. Ein 86-Jähriger, der hier Fritz heißt, wird nicht mehr lange leben. Weil seine Frau Angst hat, ihren Mann allein zu lassen, wenn sie mal aus dem Haus muss, wendet sie sich an die Hospiz-Gruppe Stade e.V.

Zu dem ambulanten Hospizdienst gehören mehr als 30 ausgebildete Hospizhelferinnen und Hospizhelfer, die ehrenamtlich schwerkranke und sterbende Menschen sowie deren Angehörige begleiten und im Alltag unterstützen.

Herzklopfen vor jedem neuen Einsatz

Seit 25 Jahren ist Annemarie Thieme eine von ihnen. Ihre Einsätze dauern manchmal nur einen Tag, manchmal auch mehrere Monate. So wie im Fall von Fritz.

Annemarie Thieme erinnert sich, wie sie eines Tages vor seiner Tür stand - mit Herzklopfen. „Das ist bei jedem neuen Einsatz so, weil ich nie genau weiß, was mich erwartet“, sagt die 71-jährige Staderin. Sie ließ sich im Jahr 2000 zur Hospizbegleiterin ausbilden, weil sie in ihrem Job als Arzthelferin mit vielen Menschen ins Gespräch gekommen war, die angesichts sterbenskranker Angehöriger hilflos und überfordert wirkten.

Annemarie Thieme begleitet seit 25 Jahren Sterbende und deren Angehörige.

Annemarie Thieme begleitet seit 25 Jahren Sterbende und deren Angehörige. Foto: Martin Elsen

Denen wollte sie helfen und sich auch bewusst mit dem Thema Sterben und Tod auseinandersetzen. „Meine Mutter ist mit 59 Jahren an Krebs gestorben, ich war damals 34. Das hat mich geprägt“, sagt Annemarie Thieme.

Als sie zum ersten Mal mit Fritz allein war, sprachen die beiden kaum ein Wort. Er las Zeitung, sie saß an seiner Seite. Doch mit jedem wöchentlichen Treffen brach das Eis ein bisschen mehr. Fritz, ein Autonarr, bemerkte, dass Annemarie Thieme mit einem Elektroauto vorfuhr und hatte Fragen.

Bald darauf erzählte er ihr von seinem Job, seinen Reisen, seinem erfüllten Leben. „Auch wenn es ihm manchmal schwerfiel zu sprechen, konnten wir uns gut unterhalten“, sagt Annemarie Thieme.

Miteinander zu sprechen sei wichtig, auch über das Sterben und den Tod. Doch das falle vielen schwer. Als Hospizhelferin sei es ebenfalls ihre Aufgabe, Anstöße zu geben, damit Sterbende ihre Wünsche kommunizieren können. Fritz jedenfalls wollte nicht noch einmal ins Krankenhaus, sondern zu Hause sterben.

Als er bereits bettlägerig war, hörte Fritz irgendwann auf, zu essen und zu trinken. Es war Wochenende. Die noch etwas unerfahrene Pflegekraft, die mit der Situation konfrontiert war, alarmierte einen Krankenwagen. „Fritz‘ Frau war völlig überfordert und rief mich an. Ich fuhr sofort hin“, erinnert sich Annemarie Thieme.

In Würde und selbstbestimmt sterben

Hospizhelfer haben ein besonders herausforderndes Ehrenamt, müssen sich Zeit nehmen können und sollten geerdet sein, sagt sie. Außerdem sei es wichtig, einen Ausgleich zu haben. Den findet Annemarie Thieme in der Natur, in ihrem Garten, mit ihrem Hund und ihren Enkelkindern.

Seit sie Sterbende begleitet, habe sich auch ihr eigener Blick auf das Sterben verändert. Mit ihrer Familie habe sie alles Wichtige besprochen, sich um eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht gekümmert. „Ich möchte nicht alle medizinischen Möglichkeiten ausschöpfen, um möglichst lange zu leben, sondern lieber in Würde sterben“, sagt sie.

So wie Fritz. Annemarie Thieme konnte erreichen, dass er nicht ins Krankenhaus gebracht wurde. Vier Tage später schlief er friedlich in seinem eigenen Bett ein. Seine Frau war gut auf den Moment vorbereitet, weil Annemarie Thieme ihr eine Checkliste geschrieben hatte.

„Wenn der Tod wirklich da ist, schaltet bei vielen Angehörigen der Kopf aus“, sagt die Hospizhelferin. Ganz wichtig sei: Ruhe bewahren. Angehörige dürfen sich Zeit nehmen für den Abschied, müssen nicht sofort den Hausarzt oder die 116117 (kassenärztlicher Notdienst) anrufen. Sie sollten aber den Todeszeitpunkt notieren.

Annemarie Thiemann traf Fritz’ Frau noch einmal bei der Beerdigung. „Wir nahmen uns in den Arm, ich spürte diese große Dankbarkeit“, sagt Annemarie Thieme. Auch deswegen bedeutet ihr das Ehrenamt so viel.

Mit grünen Socken Trost, Wärme und Zuversicht schenken

Die Hospiz-Gruppe Stade sucht übrigens immer Menschen, die sich zum Hospizhelfer ausbilden lassen möchten. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten, den Verein und Schwerstkranke zu unterstützen. Seit Herbst 2024 läuft unter der Leitung von Koordinatorin Maureen Kurek das Projekt grüne Socken.

Grün steht für Mut und Zuversicht, Socken sind ein Symbol für Wärme und Geborgenheit. Genau das wollen die Mitglieder der Hospiz-Gruppe den Schwerstkranken geben. Rund 300 Paar selbst gestrickte grüne Socken wurden bereits an Menschen verschenkt, die von der Hospiz-Gruppe begleitet werden.

Maureen Kurek, Koordinatorin der Hospiz-Gruppe Stade e.V., freut sich über Strickerinnen wie Gisela Heinrich, die grüne Socken für Schwerstkranke stricken.

Maureen Kurek, Koordinatorin der Hospiz-Gruppe Stade e.V., freut sich über Strickerinnen wie Gisela Heinrich, die grüne Socken für Schwerstkranke stricken. Foto: Stehr

Eine fleißige Strickerin ist Gisela Heinrich. Die 84-Jährige lebt selbst in einer Pflegeeinrichtung und vertreibt sich gern die Zeit mit Handarbeit. Für die Hospiz-Gruppe Stade hat sie bereits zwölf Paar grüne Socken gestrickt. In ihrer Schublade liegt noch mehr grüne Wolle bereit. „Stricken hält mich fit und ich kann damit auch noch etwas Gutes tun“, sagt die Seniorin.

Wer das Projekt grüne Socken ebenfalls unterstützen möchte, kann sich bei Maureen Kurek unter der Telefonnummer 04141/ 780010 oder per E-Mail melden. Weitere Informationen gibt es hier.

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