TBrandbrief: Bürgermeisterin fordert mehr Polizei für Harsefeld

Susanne de Bruijn (Freie Wählergemeinschaft) ist die ehrenamtliche Bürgermeisterin des Flecken Harsefeld. Foto: Miriam Fehlbus
Die Angriffe der Jugendbande auf andere Kinder und Jugendliche in Harsefeld haben eine Diskussion entfacht. Jetzt geht Bürgermeisterin Susanne de Bruijn in die Offensive.
Harsefeld. Wenige Tage vor dem Ende der Sommerferien ist das Thema Jugendgang in Harsefeld präsent. Opfer der „Consti-Gang“ waren Schüler. Drogen und Vapes sollen verkauft, Schuld- und Wegegeld unter Drohungen erpresst worden sein. Öffentlich gemacht hatten die Bedrohungslage für Kinder und Jugendliche das Aue-Geest-Gymnasium und die Selma-Lagerlöf-Oberschule. Eine in der Zwischenzeit aufgetauchte Bürgerwehr in Harsefeld thematisierten auch überregionale Medien.
Harsefeld wächst und die Polizei schrumpft
Die Forderung nach mehr Polizei in Harsefeld ist nicht neu. Politiker setzen sich seit Jahren für eine Aufstockung der Polizeistation ein. „Es ist schwer nachzuvollziehen, dass bei steigender Einwohnerzahl die Anzahl der Polizisten abnimmt“, hatte Harsefelds Rathauschef Rainer Schlichtmann (parteilos) schon 2018 beklagt. „Harsefeld wächst, die Polizei schrumpft - das geht nicht.“
Kriminalität
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Der damalige Harsefelder Flecken-Bürgermeister Harald Koetzing (SPD) forderte 2019 mehr Polizisten. Er wünschte sich „eine Besetzung der Polizeistation am Wochenende“. Sonntags ist die Wache nicht besetzt.
Gefühlt gibt es weniger Polizisten in Harsefeld
Die aktuelle Flecken-Bürgermeisterin Susanne de Bruijn (Freie Wählergemeinschaft) hat sich jetzt mit einem Schreiben an die Polizei gewandt und fordert auch mehr Präsenz. „Als die Einwohnerzahl in Harsefeld noch bei Weitem unter dem lag, was wir heute aufzuweisen haben, gab es mindestens genauso viele Polizisten in Harsefeld wie heute. Das heißt: Harsefeld ist außerordentlich gewachsen; die Anzahl der Mitarbeitenden in der Polizeistation ist aber nicht entsprechend mitgewachsen, sondern - zumindest gefühlt - stetig abgebaut geworden“, so de Bruijn.
O-Ton in der Bevölkerung ist: Bis die Polizei in Harsefeld ist, sind alle Täter längst über alle Berge.
Susanne de Bruijn, Bürgermeisterin
Es sei auch kein Geheimnis, zu welchen Zeiten die Polizeistation in Harsefeld nicht besetzt sei und wie viel Zeit es in Anspruch nehme, wenn die Polizei nach Harsefeld kommen müsse. O-Ton aus der Bevölkerung sei: „Bis die Polizei in Harsefeld ist, sind alle Täter längst über alle Berge.“
Bürgermeisterin de Bruijn: „Dann haben wir Anarchie“
Wahrscheinlich sei Harsefeld kein „Hotspot“ der Kriminalität in Niedersachsen, und hoffentlich nicht einmal im Landkreis Stade, schreibt de Bruijn. Aber Aktionen wie die Gründung einer Bürgerwehr, auch wenn sich diese zwischenzeitlich in Interessengemeinschaft oder Bürgerinitiative umbenannt habe, bereiten ihr Sorgen.
„Wenn wir durch fehlende Polizeipräsenz dahin kommen, dass ein jeder meint, das Heft des Handelns in die eigenen Hände nehmen zu können und das Recht auf seiner Seite zu haben, dann haben wir Anarchie“, so de Bruijn.

Von den Angriffen der Jugendbande waren in der Regel Schüler betroffen. Foto: Wisser
Zum Inhalt des Briefes nimmt die Polizei Stade keine Stellung. Auch genaue Personalstärken von einzelnen Dienststellen werden nicht veröffentlicht.
284 Polizeivollzugsbeamte im Landkreis Stade
Die polizeilichen Aufgaben im Landkreis werden von insgesamt 326 Personen wahrgenommen. Davon sind 284 Polizeivollzugsbeamte, vier Verwaltungsbeamte und 38 Tarifbeschäftigte. Diese verteilen sich ungefähr zu zwei Drittel auf den Bereich Stade mit den angeschlossenen Stationen im Nordkreis, dem Zentralen Kriminaldienst und der Wirtschaftsverwaltung und zu einem Drittel auf den Bereich Buxtehude mit dem dortigen Polizeikommissariat und den angeschlossenen Stationen im Südkreis. Zu denen gehört auch Harsefeld.
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In Harsefeld ist die Bürgerwehr mit ihren nach eigenen Angaben mehr als 300 Mitgliedern bisher nicht weiter in Erscheinung getreten. Auch haben die Ansprechpartner auf Anfragen von Medien und Rathaus nicht mehr reagiert. In den sozialen Medien sind öffentliche Posts verschwunden.
Das wird mit einer breiten Ablehnung in Verbindung gebracht - von Bürgern und Politik. Auch Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) reagierte nach der Berichterstattung über die Bürgerwehr, unter anderem in der „Bild-Zeitung“.
Bürgerwehren belasten die Polizei-Arbeit
„Es ist Aufgabe der Polizei, die Sicherheit der Menschen zu gewährleisten. Mit großem Engagement und hoher Kompetenz übernimmt die Polizei Niedersachsen diese Aufgabe“, so Behrens. „Deshalb sind Bürgerwehren klar abzulehnen. Diese stellen keine Verbesserung der Sicherheit dar, sondern im Gegenteil, sie belasten die Arbeit der Polizei.“ Behrens verweist auch auf eine insgesamt gute Sicherheitslage im Land.

Auf einem Handy wird die Facebook-Seite der Bürgerinitiative Harsefeld angezeigt. Öffentlich ist sie mittlerweile nicht mehr zu finden. Foto: Sina Schuldt/dpa
Die Gewerkschaft der Polizei (GDP) Niedersachsen fordert mehr Polizisten. Gerade bei einem so großen Flächenland brauche es mehr Vollzugsbeamte und Verwaltungsbeschäftigte, sagt Felix Keldenich von der GDP. Er sieht die Landesregierung aber auf einem guten Weg. Im neuen Haushaltsentwurf gebe es Geld für rund 250 neue Polizeibeamte und Verwaltungsbeschäftigte.
Den konkreten Harsefelder Fall sieht die GDP differenziert. „Mehr Polizei ist gut für das subjektive Sicherheitsgefühl“, so Keldenich. Bei der Verteilung der Polizei müssten aber die Quantität und die Qualität des Verbrechens die entscheidende Rolle spielen.
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