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TKurioser Spleen: Brester besitzt 80.000 Kulis

Hans-Heinrich Schmidt aus Brest hat eine Schwäche für Kugelschreiber.

Hans-Heinrich Schmidt aus Brest hat eine Schwäche für Kugelschreiber. Foto: Jakob Brandt

An Hans-Heinrich Schmidts Haustür hängt immer mal wieder eine Tüte. Voll mit Kugelschreibern. Geschenkt von Leuten, die seinen Sammeltick kennen. 80.000 Kulis nennt der Brester sein Eigen, und lädt im März wieder zur Kugelschreiber-Disco.

Von Jakob Brandt Dienstag, 19.03.2024, 16:30 Uhr

Hans-Heinrich Schmidt hat seinen eigenen Humor. „Trocken“, nennt ihn Schützenbruder Herbert Tomforde. Auf die Frage, was ihn an Kugelschreibern fasziniert, gibt der ehemalige Netzmonteur aus Brest keine Antwort. Er lächelt nur. Und zuckt mit den Schultern. „Das muss man nicht verstehen“, sagt Tomforde. „Muss man auch nicht“, schiebt Schmidt hinterher.

Die Sammelwut steckt Schmidt im Blut. Sie erschlägt einen, betritt man den Partyraum des 82-Jährigen. Die Wände sind gepflastert mit Bierdeckeln, Flachmännern, Miniatur-Lastwagen und eben Kugelschreibern. Die meisten Kulis aber sind längst umgezogen in den alten Schweinestall auf dem ehemaligen Hof. Dicht an dicht in Styroporplatten steckend, fristen sie dort ihr müßiges Dasein.

Manch einer hält ihn für verrückt

Der eine staunt, wenn er das kleine Privatmuseum betritt, der andere lacht. Es ist schon irre, was an Kugelschreibern in den Regalen lagert. Hans-Heinrich Schmidt empfängt gern Besucher. Anmelden muss sich niemand. „Ich bin ja immer zu Hause“, sagt er. Und wie reagieren die Besucher? „Die meisten sagen: ‚Du bist doch bekloppt.‘ - ‚Macht doch nichts‘, sage ich dann“: Schmidt steht zu seinem Spleen.

Bei einer Schiffsfahrt auf dem Rhein ist es vor etwa 40 Jahren passiert. Hans-Heinrich Schmidt bekommt einen fünfzehn Zentimeter großen Tennisschläger in die Hände und entdeckt, dass es sich um einen Kugelschreiber handelt. „Der sah so komisch aus, den musste ich unbedingt haben“, schildert er. Schon bald muss er mehr von den Schreibern haben. Dann mehr. Und immer, immer mehr.

Schützenverein gibt Kugelschreiber-Party

Er geht zu Ausstellungen und klappert Flohmärkte ab. Als es sich herumspricht, dass er Kulis sammelt, stecken ihm auch Freunde, Bekannte und vor allem seine Schützenbrüder und Schützenschwestern Stifte zu. Erst Einzelexemplare, später dann tüten- und kistenweise. „Alle, die ihn kennen, sammeln für ihn“, sagt Tomforde.

Als Schmidt vor 15 Jahren die 5000er-Marke knackt, gibt der Brester Schützenverein, dem der Sammler seit 1956 angehört, aus Jux eine Party. Eine Kugelschreiber-Disco. Wer zehn Kugelschreiber auf den Tisch legt, kommt umsonst ins Festzelt. Und Schmidt bekommt die Kulis.

In den ersten Jahren führt er noch akribisch Buch. Seit dem 19. November 2013 nicht mehr. Weil‘s angesichts der Kuli-Mengen, die er zu sichten hat, nicht mehr möglich ist, alles zu notieren. 22.000 Stifte weist die letzte Eintragung aus.

20.000 Kugelschreiber aus Aachen

Der Sammler erinnert sich noch gern an eine Sendung, die er vom Sohn eines verstorbenen Gleichgesinnten aus Aachen bekommen hat. 12.000 Kugelschreiber wollte dieser Schmidt zukommen lassen. Es kamen aber mehr als 20.000 Exemplare in Brest an, verstaut in fünf großen und drei kleinen Umzugskartons. „150 Euro Porto musste ich damals bezahlen“, entsinnt sich Schmidt.

„Ich habe immer Kugelschreiber in den Hosen- und Jackentaschen“, verrät der 82-Jährige. „Zum Tauschen.“ Unglaublich. Hans-Heinrich Schmidt weiß immer noch, was er in seinen Regalen stehen hat. Und was nicht. Allerdings kann er nicht sagen, wo was steht. Und woher seine, nicht systematisch sortierten Schätze kommen, weiß er auch nicht mehr. Er geht einfach gern durch den alten Schweinestall und erfreut sich an den vielen bunten Kugelschreibern. Die Stifte funktionieren allerdings nicht mehr. „Alle ausgetrocknet“, erzählt Schmidt.

Schmidts Schützenbruder Herbert Tomforde aus Malstedt kann’s kaum glauben, dass man so viele Kugelschreiber sammeln kann.

Schmidts Schützenbruder Herbert Tomforde aus Malstedt kann’s kaum glauben, dass man so viele Kugelschreiber sammeln kann. Foto: Jakob Brandt

Was passiert nun mit all den Schreibern, wenn Schmidt mal nicht mehr ist? „Dann muss der Schützenverein dafür sorgen, einen Platz für die Stifte zu finden“, meint Herbert Tomforde. Dem Sammler selbst ist es schnurz. „Nach mir die Sintflut“, sagt er. „Interessiert mich doch nicht, was mit den Kugelschreibern passiert, wenn ich tot bin.“

Noch aber ist er quietschfidel und sammelt fleißig weiter. „Man kann ja nie genug kriegen“, sagt er. Kontakt zu anderen Kuli-Sammlern pflegt er übrigens nicht. Nur zu einer Frau aus Potsdam. Man schreibt sich. Und schenkt sich was. Zu Weihnachten. Kugelschreiber natürlich. Was sonst.

„Ich lass‘ auch gern mal einen mitgehen“, scherzt Schmidt. Beim Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern entdeckte er im Hotel einen Kuli, den er noch nicht hatte. Und der jetzt sein Eigen ist. „Natürlich habe ich vorher gefragt, ob ich den mitnehmen darf.“

Mit diesem als Tennisschläger getarnten Kugelschreiber begann die Sammelleidenschaft des Bresters.

Mit diesem als Tennisschläger getarnten Kugelschreiber begann die Sammelleidenschaft des Bresters. Foto: Jakob Brandt

Großen Wert hat die Kuli-Sammlung allerdings nicht. Schmidt meint, um die 1000 Euro für die Schreiber ausgegeben zu haben. Für besonders schöne Objekte hat er sechs, manchmal auch acht Euro hingeblättert.

Stifte, die er doppelt hat, gibt er ab. Eine Ladung ging mal nach Ostdeutschland, eine andere nach Aachen. Weil Schmidt jetzt die 80.000er-Marke überschritten hat, richtet der Schützenverein wieder eine Kugelschreiber-Party aus. Die vierte im Laufe der Jahre. Und natürlich spült die Sause weitere Kugelschreiber in Schmidts Sammlung. 100.000: die Marke dürfte zu knacken sein.

Kugelschreiber-Disco

Der Schützenverein Brest lädt ein zur Kugelschreiber-Disco im Zelt. Termin: Freitag, 22. März. Der Eintritt kostet 8 Euro oder 10 Kugelschreiber. Am Sonntag findet an der Schießsporthalle noch ein Hobbykünstlermarkt von 13 bis 17 Uhr statt. Im Angebot: Mode und Schmuck, Gewürze und Öle, Holz-, Stoff- und Metallarbeiten, Flaschen mit Lichterketten und vieles mehr. Natürlich gibt es auch Kaffee und Kuchen.

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