TBroberger Fähre: 100 Jahre alter Oste-Oldie trotzt Stürmen und Fluten

Sturmflut am 18. Oktober 1936 in Geversdorf - die Fähre am Seil, die Laterne fast unter Wasser. Foto: Gemeindearchiv Geversdorf
Stürme sind vorbeigezogen, Eisschollen in der Oste geschmolzen. Die Fähre hat ihnen getrotzt. 100 Jahre alt ist die Broberger Fähre in diesem Sommer. Ihre bewegte Geschichte erzählt auch vom Leben an der Oste.
Brobergen. Die Fährstelle an der Oste bei Brobergen ist Idylle. Die Gezeiten kommen und gehen, die Fähre legt ab und macht wieder fest und mittendrin sind der Fähr- und Geschichtsverein und seine Tausenden Fahrgäste, die es lieben, mit einem schwimmenden Denkmal hier die Oste zu überqueren.

Die Prahmfähre Brobergen mitten auf der Oste. Linkerhand liegt das Ufer auf Broberger Seite, rechts der Anleger mit Sportbootanleger und Fährkrug im Drei-Landkreis-Eck. Foto: Geschichts- und Fährverein Brobergen
Dabei war die Fähre in der ersten Hälfte ihrer nun 100-jährigen Fahrtzeit in Geversdorf im Einsatz.
Staat will Fährbetrieb einstellen
Als die Konstrukteure der Schiffbaugesellschaft Unterweser in Wesermünde (heute Bremerhaven) die Baupläne für diese Fähre zeichneten, schrieb man das Jahr 1924 - das Wasserbauamt Stade hatte eine neue Ostefähre in Auftrag gegeben: die Geversdorf III. Dabei hatte der Staat zuvor sogar mit der Einstellung des Fährbetriebs in Geversdorf gedroht.
Das war 1922 und vielleicht ein Manöver, damit die Provinz Hannover den Betrieb übernehmen muss. Die aber verklagte den preußischen Fiskus und siegte vor dem Oberverwaltungsgericht. Der Staat sei verpflichtet, die Fähre zu betreiben. Die war schon 1423 erwähnt worden, als Hadeler und Kehdinger ein Schutz- und Trutzbündnis unterzeichneten und abmachten, sich alljährlich mit 100 Schützen an der „nygen vere to Geuerstorpe“ zu treffen.
Werft liefert nach Rechtsstreit pünktlich ab
Nach dem Gerichtsurteil fackelte das Wasserbauamt nicht lange und gab nach einer umfangreichen Ausschreibung den Bau des neuen Fährprahms in Auftrag. Die Schiffbaugesellschaft Unterweser lieferte pünktlich.

Die Fähre noch wie neu, aber ohne Motor: Der Geversdorfer Prahm um 1925. Foto: Gemeindearchiv Geversdorf
Nur zwei Jahre später aber sollte der Fährprahm in moderne Zeiten aufbrechen und mit einem Motor ausgestattet werden. Das wünschten sich die damaligen Fährpächter Lühmann und Steenwerth. Von ihrer Anfrage zeugen unter anderem Dokumente aus dem Gemeindearchiv Geversdorf.
Mit Muskelkraft und Strömungsantrieb
Gebaut worden war die Geversdorf III „als handgezogener Fährprahm mit Grundseil und Senkschwert zur Vortriebsunterstützung“. Also als Prahm, der mit Fährknüppel, der in das Seil eingehakt wird, zwischen den Ufern hin- und hergezogen wird.

Die Oste in Geversdorf - an der Fährstelle ist sie um die 190 Meter breit. Foto: Gemeindearchiv Geversdorf
Zwar unterstützen die jeweilige Flut oder der Ebbstrom die sogenannte Scheer- oder Gierfähre. Wer aber auf die Oste bei Geversdorf blickt, sieht einen kräftigen Strom. Kaum vorzustellen, hier einen stählernen Koloss samt Ladung über den Fluss zu ziehen - immerhin ist die Oste in Höhe der Fährstelle Geversdorf schon rund 190 Meter breit.
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Zurück ins Jahr 1926: Drei Mann waren auf der Fähre im Einsatz, und deshalb wollten die Fährpächter unbedingt den Motor. Eine Idee, die nicht überall gut ankam. Grund war das Motorengeräusch, zumal „jetzt schon die Besitzer bei dem regen Kraftwagenverkehr mit gewisser Sorge junge Pferde zu Fuhren über die Oste benutzen“, war der Kehdinger Landrat besorgt.

Die Fähre in ihrem Hafen am Fährkrug bei Niedrigwasser. Foto: Klempow
Die Fährpächter stellten pfiffig in Aussicht, dass der Motor einen durchgehenden Nachtverkehr ohne Hilfskräfte möglich machen könnte. Diesen Nachtverkehr wiederum forderten die umliegenden Gemeinden. Die Baljer wollten jederzeit eine schnelle Hilfe von Arzt, Tierarzt und Hebamme, die Geversdorfer die Sicherheit, auch nachts nach Hause zu kommen.
Seit 1926 mit Diesel-Motor
Am Ende bekam die neue Fähre ihren Motor. 1926 wurde sie umgerüstet, der Deutz-Diesel zog über eine Winde die Fähre am Seil von Ufer zu Ufer. Historische Fotos aus dem Gemeindearchiv Geversdorf zeugen von Hochwassern und Fluten, Stürmen und starken Gegenwinden, von Eisgang und Nebel und vom regen Schiffsverkehr auf der Oste, der damals den Fährleuten das Leben nicht leichter machte. Sie zeigen auch, wie ein zu schwerer Lastwagen die Fähre in Schieflage bringt und die Ladung hurtig über Bord geschaufelt wird, um das Malheur zu beheben.

Malheur, vermutlich Ende 30er Jahre - der Lastwagen ist zu schwer beladen, die Fracht muss runter. Foto: Gemeindearchiv Geversdorf
1949 waren dem Prahm die zwei Jahrzehnte in Wind, Wetter und Wasser auch anzusehen. Schiffsbesichtiger Ropers erstellte ein Wertgutachten für die 5,50 Meter breite und 14 Meter lange Fähre: „Die Besichtigung ergab, daß der Prahm, welcher wegen seiner Unwirtschaftlichkeit schon seit mehreren Jahren außer Betrieb ist in seinen Bestandteilen arg mitgenommen ist. Die Aussenhaut vor allem in der Kimm ist von Rostfraß stark angegriffen. Der auf dem Eisendeck angebrachte Holzbelag ist abgefahren und in Fäulnis geraten.“ Die Motorseilwinde sei vor einigen Jahren wegen „totalem Verschleiß und Unbrauchbarkeit abgebaut und verschrottet worden“. Der Wert belaufe sich auf 3850 DM.
Abenteuerliche Überfahrt
Instandgesetzt wurde der Prahm jedoch, war später auch an der Fährstelle Sethlerhemm/Großenwörden im Dienst und diente noch als Ersatzfahrzeug in Geversdorf. Bis er 1973 an seine neue Wirkungsstätte in Brobergen verholt wurde. Eine abenteuerliche Passage.

Nach Jahrzehnten in Geversdorf diente die Fähre ab 1973 in erster Linie zum Übersetzen von Traktoren und Anhängern. Seit den 80er dürfen auch Passagiere mit. Foto: Archiv Klempow
Der Realverband Holländer Höfe hatte den Prahm gekauft, damit die Landwirte aus Brobergen zu ihren Flächen am anderen Oste-Ufer übersetzen konnten. An der Fährstelle ragt gerade noch ein Zipfel des Kreises Stade über die Oste an die Grenzen der Landkreise Rotenburg und Cuxhaven. Auf dem Weg zum neuen Heimatanleger aber ging die Fähre erst mal im Sturm verschütt. In Hechthausen war sie noch gesehen worden, in der Krughörne bei Blumenthal aber im Außendeich gestrandet.
Freibier für Probe-Passagiere
Der stürmische Anfang war kein schlechtes Omen. Seither setzte die Fähre Heuwagen und Treckergespanne über die in Brobergen etwa 70 Meter breite Oste. Seit den 80er Jahren dürfen auch Personen die Fähre nutzen. Für die Genehmigung bedurfte es eines Tests, ob das Vehikel auch für den Passagiertransport taugt. Von dem Test unter behördlicher Aufsicht berichtete einst der damalige Realverbandsvorsitzende Helmut Hudaff. Gibt es Schlagseite, wenn das Gewicht von 30 Menschen auf einer Seite lastet? Nein. Test bestanden. Die Probanden bekamen Freibier. „Sonst wär‘ ja keiner gekommen“, berichtete Hudaff damals.
24-Stunden-Reportage
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Der mittlerweile verstorbene Broberger Landwirt und Kommunalpolitiker focht andere Kämpfe für die Fähre, beantragte Gelder für die Instandsetzung des Prahms, ließ ihn zum Denkmal erklären und setzte sich vehement für den Erhalt der Fährstelle mit dem Gasthaus ein, als das Areal für Deichbauarbeiten überplant wurde. 2007 gründete sich der Fähr- und Geschichtsverein, um das Kleinod im Grünen und das gewichtige Stück Geschichte zu erhalten, und übernahm die Verantwortung für die Fähre.
Große Feier: Seit 100 Jahren auf dem Wasser im Dienst
Der Verein hält sie seither bestens, aber auch mit finanziellem Aufwand in Schuss. In den Sommermonaten setzen unzählige Radfahrer, aber auch Autos über die Oste, machen eine Pause im Gasthaus Fährkrug und genießen die Idylle. Der Dienst in Brobergen dürfte für den inzwischen auf den Namen Helmut Hudaff getauften 100 Jahre alten Oldtimer damit etwas geruhsamer ausfallen als in Geversdorf, wo die Mündung der Oste in die Elbe nicht weit ist - und das Sperrwerk damals noch nicht gebaut war.

Die Fähre im Mai 2008: Von der touristischen Landkarte ist sie als historische Oste-Querung nicht mehr wegzudenken. Foto: Klempow
Von der Fährstelle Brobergen und von der touristischen Landkarte ist die schwarz-weiß gestrichene Fähre nicht wegzudenken - und für den Fährverein ist sie eine Herzenssache. Das große Geburtstagsfest mit Feuerwerk hat das schwimmende Denkmal wahrlich verdient.
www.faehre-brobergen.de
100 Jahre Fähre: Feier in Brobergen
So wird die Fähre an diesem Wochenende, 10. und 11. August, gefeiert:
Samstag, 10. August: ab 16 Uhr Musik mit BiSiMaHei, Kaffee, Kuchen, Bratwurst und Fischbrötchen,
um 23 Uhr Feuerwerk an der Oste.
Sonntag, 11. August: ab 11 Uhr Festreden und Musik mit dem Ostetrio, anschließend Auftritte: Blasmusik Express, Kinderchor Hechthausen, Trachtengruppe Elm, Shantychor Hemmoor und ein Kinderprogramm: Hüpfburg, Ponyreiten, Kinderschminken, Fährmannspatent.
Außerdem am Wochenende: kostenlose Überfahrten, Sonderprägung des Fährtalers, Verkauf von Losen für die Oste-Tombola (Kugelregatta im Oktober).
Der Classic Club Niederelbe kommt mit 20 Oldtimern. Die Wasserschutzpolizei Stade kommt mit einem großen Schlauchboot und bietet „open ship“ an. Der Püttenhüpper legt zu Fahrten auf der Oste ab. Die AG Osteland bietet ein Puzzle von der Fähre an. Der Verein präsentiert eine Ausstellung zur Geschichte der Fähre mit alten Fotos.