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Landgericht

TClan-Mordprozess: Zeuge muss geschützt werden und sagt nicht selbst aus

Die Spurensicherung arbeitete am 22. März bis tief in die Nacht, holte auch noch die Feuerwehr zum Ausleuchten des Tatortes dazu.

Die Spurensicherung arbeitete am 22. März bis tief in die Nacht, holte auch noch die Feuerwehr zum Ausleuchten des Tatortes dazu. Foto: Battmer

Es war ein schwieriger Tag im Stader Prozess: Die Aussagen eines Zeugen, der nicht anwesend war, wurden von einem Polizisten wiedergegeben. Vor allem eine Beobachtung könnte entscheidend sein.

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Von Susanne Helfferich
Donnerstag, 05.12.2024, 18:53 Uhr

Stade. Der Zeuge steht unter Schutz. Er gilt als Vertrauensperson (VP) und muss wegen einer besonderen Gefährdung seine Identität nicht offenbaren. Stattdessen erschien vor der 1. Großen Strafkammer ein Polizeibeamter der Zentralen Kriminalinspektion Lüneburg (ZKI). Doch das machte die Befragung im Clan-Mordprozess nicht einfacher.

Der Polizeibeamte, der insoweit ebenfalls geschützt wird, dass er keine Angaben zu seiner Person machen muss, berichtete von zwei Vernehmungen des Zeugen. Während der ersten habe er die Situation am Tattag an der Kreuzung Salztor beschrieben. Ein Golf sei in einen SUV gefahren, es sei zu einer Menschenansammlung gekommen, die in eine Schlägerei ausgeartet sei, die wiederum zu einem Stau geführt habe.

Mit Wucht gegen den Kopf geschlagen

Der Zeuge habe berichtet, dass drei Fahrzeuge in der Altländer Straße in Richtung Innenstadt gestanden hätten. Aus dem dritten Wagen seien zwei Männer gestiegen. Der erste sei auf die Menschenmenge zugelaufen und habe sich an der Schlägerei beteiligt. Auch der Beifahrer sei ausgestiegen und zu einer Person vor dem ersten Auto gerannt, die in Richtung Schlägerei geschaut habe. Der Beifahrer habe den rechten Arm gehoben und mit voller Wucht gegen den Kopf zugeschlagen. Die Person sei sofort zusammengesunken.

Der Polizeibeamte habe den Zeugen gefragt, ob er einen Gegenstand in der Hand des Beifahrers gesehen habe. Das habe der Zeuge verneint. Der Beifahrer sei anschließend in Richtung Renas Grill und Hafen gelaufen, habe seine Jacke ausgezogen und weggeworfen. Der Fahrer sei zu seinem Fahrzeug zurückgegangen, eingestiegen und habe gewendet, um stadtauswärts zu fahren.

Befragung darf den Zeugen nicht gefährden

Bei der zweiten Vernehmung im April seien der Polizeibeamte und die Vertrauensperson zehn schriftliche Fragen durchgegangen. Nach einem Messer befragt, habe der Zeuge erneut gesagt, dass er nur die Faust gesehen habe. Ob er die Person im weiteren Verlauf gesehen habe, konnte er nicht verneinen, er habe eine ähnliche Person gesehen. Da er aber den Beifahrer nur von hinten gesehen habe, habe er ihn nicht wiedererkennen können. Den Fahrer habe er auf einem der kursierenden Videos erkannt.

Die Befragung des Polizeibeamten gestaltete sich schwierig, denn er darf nur soweit antworten, wie die Vertrauensperson nicht gefährdet wird. Der Vorsitzende Richter Erik Paarmann fragte nach, ob der Zeuge die Beteiligten kannte. Das sei ihm nicht bekannt, so der Beamte.

Ob der Zeuge für seine Aussage Geld bekommen habe oder andere Vorteile habe, verneinte er. Die Frage, von welchem Standort der Zeuge das Geschehen beobachtet habe, dürfe er nicht beantworten. Staatsanwältin Dawert fragte, wie es zur Vernehmung gekommen sei. „Das kann ich nicht beantworten“, so der Polizist.

Aufzeichnungen wurden vernichtet

Die Verteidigung hakte nach: Ob es Aufzeichnungen gebe, wollte Dirk Meinicke wissen. Die seien vernichtet, so der Beamte. Auch gebe es keine Vermerke. Ob es Vorgaben zum Umfang der Dokumentation der Vernehmungen gebe. Das verneinte der Beamte. Ob er den Zeugen befragt habe, warum er sich der Polizei anbot. Dazu sage er nichts. Ob er Kenntnis über die Motivation habe. Das bejahte der Polizist. Ob der Zeuge den Namen der Opferfamilie kenne oder den Namen des Beschuldigten. Das wisse er nicht.

Meinickes Kollegin, Rechtsanwältin Dinah Busse, fragte, was der Zeuge damit gemeint habe, der Beifahrer sei von hinten auf das Opfer zugegangen. Ob dieses „von hinten“ näher erläutert worden sei; ob es heiße, dass das Opfer zu der Menschenmenge geschaut habe. Eine entscheidende Frage. Heimtücke ist ein sogenanntes Mordmerkmal. Heimtückisch handelt der Täter, wenn er die zum Zeitpunkt seines Angriffs beim Opfer bestehende Arg- und Wehrlosigkeit bewusst zur Begehung der Tat ausnutzt (§211 StGB). Falls tatsächlich hinterrücks zugestochen wurde, das Opfer es also nicht sehen konnte, dass ein Angriff droht, könnte das erheblich für den Ausgang des Verfahrens sein.

Verteidigung will Vernehmung der Vertrauensperson

Die Verteidigung fragte daher, ob eine Skizze zur Situation angefertigt wurde, die zeige, wo wer gestanden hat. Das verneinte der Polizeibeamte. „Das ist doch eine wichtige Frage, wo der Informant gestanden hat“, wunderte sich Meinicke. Wie es zu der Vertraulichkeitszusage kam, fragte er weiter. Der Informant habe gesagt, dass er Angst habe, so der Polizeibeamte. Ob diese Angst überprüft worden sei, ob ermittelt wurde, dass eine Gefahrenlage für den Zeugen vorliegt. Das habe er nicht, so der Beamte. Aber die Tat, das Tatbild und die Lebensverhältnisse hätten ihm gereicht.

Die Verteidigung hatte schon vor der Vernehmung des Polizisten beantragt, die Vertrauensperson unter Berücksichtigung mehrerer Schutzmaßnahmen - etwa Ausschluss der Öffentlichkeit und des Angeklagten sowie Videovernehmung mit Unkenntlichmachung des Gesichts - zu laden. Daran will sie festhalten.

Polizei Miri Landgericht Messer Mord Clan Stade

Polizei Miri Landgericht Messer Mord Clan Stade Foto: Vasel

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