TDankbar für die zweite Chance: Oliver Schlichtmann lebt mit einem Spenderherz

Oliver und Lena Schlichtmann sitzen jetzt gemeinsam auf der Bank vor ihrem Haus - dankbar für die gemeinsame Zeit. Foto: Klempow
Sechs Monate wartete Oliver Schlichtmann aus Oldendorf auf ein Spenderherz. Jetzt hat er ein neues, kräftiges Herz und damit sein Leben zurück. Zum Tag der Organspende erzählt er, wie es ihm ergangen ist.
Oldendorf. Lena und Oliver Schlichtmann sitzen auf der Bank vor ihrem Haus in Oldendorf, ihren Hund zu ihren Füßen. Im Frühjahr und Sommer 2023 saß Lena Schlichtmann oft allein mit Hündin Bella hier, während ihr Mann im Krankenhaus war.
Heute ist der bundesweite Tag der Organspende. Oliver Schlichtmann ist nur dankbar. Dennoch: Das Warten auf ein Spenderorgan ist eine extreme Belastung. Tage, Wochen und Monate zwischen Hoffen und Bangen. Genau vor einem Jahr, am Tag der Organspende, wartete Oliver Schlichtmann in der Klinik auf die lebensrettende Nachricht.
„Wir haben uns aneinander festgehalten“
Schlichtmann ließ das Bangen auch während der Monate in der Klinik nicht an sich heran, aber seine Frau Lena ist beim Gedanken an diese Zeit sichtlich bewegt. „Wir haben uns sehr aneinander festgehalten, haben viel telefoniert. Für mich war es einfacher, ich hatte hier die Unterstützung durch Freunde und Familie“, sagt sie.
Vor sieben Jahren hatte Schlichtmann zum ersten Mal Symptome, eine unentdeckte Herzmuskelentzündung hatte sein Herz geschwächt. Die Kraft nahm schleichend ab. Vor vier Jahren wurde er auf die T-Liste, die Transplantabel-Liste, gesetzt. Das heißt aber nicht, dass sofort eine Operation im Raum steht.
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Weil es zu wenige Spender gibt, wird eine weitere Liste mit HU-Patienten geführt. HU steht für High Urgency, hohe Dringlichkeit. Nach einer Corona-Infektion, die ihn zusätzlich schwächte, und einem Schlaganfall im Frühjahr letzten Jahres stand auch Oliver Schlichtmann auf dieser Liste.
Seit April 2023 wurde Schlichtmann durch die Spezialisten des Universitären Transplantations-Centrums (UTC) in Eppendorf stationär betreut. Medizinisch bestens versorgt, aber eines können auch die Spezialisten nicht beeinflussen: Wann es ein geeignetes Spenderherz gibt.
Zu wenig rettende Organspenden
Sicher ist nur: In Deutschland fehlen Organspender. Zum Ende des 2023 warteten bundesweit 8716 Menschen auf eine gespendete Niere, Lunge, Leber, Herz oder Bauchspeicheldrüse - davon allein mehr als 600 auf ein zweites Herz.
Die Zahl der verfügbaren Spenderorgane in Deutschland ist im Gegensatz dazu erschreckend niedrig: 965 postmortale Organspender gab es, die durchschnittlich drei lebensrettende Organe spendeten. Im Hamburger UTC wurden 2023 197 Organe transplantiert - 2024 standen allein in Eppendorf 723 Menschen auf der Warteliste.
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Gäbe es keine Organspenden, gäbe es auch keine Hoffnung für die vielen Menschen, die derzeit dringend auf ein Spenderorgan warten, sagt Prof. Dr. Stefan Kluge, Leiter der Klinik für Intensivmedizin des UKE. Noch immer dokumentierten zu wenige ihre Entscheidung – nur etwa 40 Prozent der Menschen besitzen einen Organspendeausweis.
„Um mehr Leben zu retten, muss sich dringend etwas ändern. Wir brauchen eine Kultur der Offenheit gegenüber der Organspende und die Bereitschaft, das Thema bei Patientinnen und Patienten anzusprechen“, so Kluge. Neu ist ein bundesweites Online-Register, in das Spendewillige ihre Daten eingeben können, wenn sie sich mittels der Online-Funktion ihres Ausweises authentifizieren. Der Eintrag ist kostenlos und kann jederzeit wieder geändert werden (www.organspende-register.de).
Spenderwille liegt nicht schriftlich vor
Umfragen zeigen, dass 84 Prozent der Deutschen einer Organspende positiv gegenüberstehen - nur dokumentieren sie es nicht. Das machen nur 44 Prozent. Aber auch in diesen Fällen liegt der schriftliche Wille im Krankenhaus oftmals nicht vor oder ist nicht auffindbar. Damit tragen im plötzlichen Todesfall die Angehörigen die Last einer Entscheidung.
Das Warten auf die entscheidende Operation zog sich im 2023 für Schlichtmanns bis in den Oktober. „Man arbeitet auf einen Tag hin, man weiß eben nicht, wann der ist. Ob morgen oder nächste Woche oder nächsten Monat“, sagt Lena Schlichtmann.
Nach sechs Monaten kam morgens um 4.30 Uhr endlich die Nachricht: Es gibt ein passendes Spenderherz. Der Ablauf in der Klinik ist eingespielt. Operiert werden muss schnell. „Duschen, Zimmer räumen und zur OP-Vorbereitung“, beschreibt Oliver Schlichtmann. Während die Patienten im Vorbereitungsraum warten, hält das Team in der Klinik ständigen Kontakt zur Entnahmeklinik. Erst wenn das endgültige Okay da ist, geht es weiter in den OP.
Endlich ein kräftiger Pulsschlag
Was Oliver Schlichtmann gleich nach dem Aufwachen hatte, war ein in Jahren der Krankheit lang vermisstes, gutes Gefühl: „Das Herz schlägt wieder.“ Den kräftigen Pulsschlag seines zweiten Herzens spürte er sofort. Der Körper braucht Zeit, um sich einzuspielen. „Das Herz schlägt so weiter wie im ersten Körper, aber die Organe sind ja nicht zusammengewachsen“, erklärt er.
In der allerersten Zeit musste er deshalb noch an die Dialyse. „Das ist mit den Nieren nicht so leicht. Die sind schnell beleidigt“, sagt er und grinst. Seither hat sich Schlichtmanns Alltag normalisiert. Er muss noch Medikamente nehmen, die eine Abstoßung seines neuen Herzens verhindern. 13 Tabletten täglich, „aber nur kleine“, sagt er und schmunzelt.
Brief an die Angehörigen
Mit seinem trockenen Humor schiebt er vieles weg. Er guckt nach vorne, will aber auch einen Brief über Eurotransplant an die Angehörigen seines ihm unbekannten Spenders schicken. Die können nach fünf Jahren dann entscheiden, ob sie wissen wollen, wer mit dem gespendeten Organ lebt. „Man weiß ja auch nicht, was für Wunden da wieder aufreißen“, sagt Schlichtmann, der sich bewusst ist, dass sein Glück die Trauer einer anderen Familie ist.
Lena und Oliver Schlichtmann genießen es, viel Zeit zu Hause zu verbringen. Für sie ist es ein großes Geschenk, einfach auf der Bank vor dem Haus zu sitzen - zusammen.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel ist erstmals im Juni 2024 erschienen.