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Nachbarkreise

Dorfladen erstrahlt in neuem Glanz

Ein kleines Gespräch wie hier mit Ann-Christin Heineke ist bei Dorfladen-Betreiberin Gabriele Cierlitzki inklusive.

Ein kleines Gespräch wie hier mit Ann-Christin Heineke ist bei Dorfladen-Betreiberin Gabriele Cierlitzki inklusive. Foto: Leuschner

Weiß und sonnengelb strahlt die Fassade des Midlumer Dorfladens. Kein Vergleich zum beigefarbenen Putz von früher. „Das fällt richtig auf“, freut sich Ladenbetreiberin Gabriele Cierlitzki. Nach einer kleinen Odyssee ist sie endlich wieder zurück.

Von Heike Leuschner Samstag, 31.08.2024, 13:50 Uhr

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Midlum. Tiefkühlschränke für Pizza und TK-Gemüse, Kühlgeräte, ein Eistresen wie im italienischen Café und vor allem eine professionelle kleine Zubereitungsküche aus Edelstahl: Gabriele Cierlitzki steht an der Kasse in ihrem neuen alten Midlumer Dorfladen und sieht zufrieden aus. „Es ist ein ganz neues Arbeitsgefühl“, sagt die 72-Jährige.

Umarmung zur Begrüßung ganz besonders lieber Kunden

Viel Zeit zum Bilanzieren hat sie nicht. Stammkunde Michael aus Nordholz wartet auf sein Käsebrötchen, das Cierlitzki gerade frisch belegt. Eine Kundin will Eier bezahlen und Brot bestellen, eine andere möchte einen Lottotipp abgeben.

Und dann ist da noch Ann-Christin Heineke. Gabriele Cierlitzki umarmt die junge Frau, die staunend durch den Dorfladen geht. „Ist das toll geworden“, sagt Heineke. Seitdem die 29-Jährige vor zwei Jahren aus Bremerhaven nach Midlum gezogen ist, vergeht kaum eine Woche, in der sie nicht im Dorfladen vorbeischaut.

„Am Anfang haben wir hier nur Brötchen geholt“, erzählt die Stammkundin. Dann seien sie und ihr Partner auf die warmen Mittagessen aufmerksam geworden, die Cierlitzki immer sonnabends kocht. „Das ist einfach toll“, schwärmt Heineke. Egal, ob Gulasch, Rouladen oder Hähnchenkeulen mit Pommes – „bei Gaby schmeckt es immer wie bei Mama oder Omi“.

Hausgemachte Spezialitäten und ein Lächeln

Hausgemachte Spezialitäten hat Cierlitzki ihren Kunden von Anfang an angeboten. Dazu kamen Brötchen und Wurst von einem Bäcker und einem Schlachter aus der Region, Lebensmittel, eine Süßigkeitenbar sowie Hygiene- und Büroartikel, für die man nicht unbedingt in die nächste Stadt fahren möchte.

„Die Leute haben mir gesagt, was sie vermissen, und ich habe es besorgt“, erklärt Cierlitzki. So will sie es auch in Zukunft handhaben. Sie ist sicher, dass sich nach diesem Geschäftsprinzip die nagelneuen Ladenregale schnell füllen werden. Auf Verdacht bestellt sie ungern, denn alles, was sie ordert, muss sie auch bezahlen.

Wer Cierlitzki im vertrauten Umgang mit ihren Kundinnen und Kunden erlebt, könnte meinen, dass sie ihren Laden in Midlum schon ewig betreibt. Dabei ist es noch nicht einmal vier Jahre her, dass die Wahl-Cappelerin das leerstehende Geschäft in Midlum bei einem Spaziergang mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann Helmut entdeckt hat.

Der Dorfladen selbst hat eine lange Geschichte. Früher sei er mal ein Spar-Laden gewesen, erinnert sich ein Kunde. Und im Dorf habe es damals noch etliche Geschäfte mehr gegeben. Den Cierlitzkis ging es weniger um die Geschichte als darum, ihren Kunden ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.

Mit Ruhrpott-Charme und Baumarktregalen zum Erfolg

Binnen weniger Wochen eröffneten sie den Laden – eingerichtet mit gebrauchten Ladenmöbeln und Baumarktregalen. Mit seinem herzlichen Ruhrpott-Charme verhalf das Ehepaar dem Projekt schnell zum Erfolg.

Der frühere Midlumer Ortsbürgermeister Harald Schewe erkannte das Potenzial des Ladens für das Leben im Dorf und half Cierlitzki dabei, einen Förderantrag zur Sanierung der gemeindeeigenen Räumlichkeiten zu stellen. Im vergangenen Sommer räumte sie ihr Stammgeschäft für das umfangreiche Sanierungsprojekt.

Zweimal zog sie mit dem Dorfladen-Inventar um, meldete Lotto und Paketshop ab und wieder an. Eine Pause mochte sie nicht einlegen, weil sie weder ihre Stammkundschaft noch ihre Mitarbeiterinnen verlieren wollte. Obendrein büffelte sie für den Ausbilderschein, weil eine Mitarbeiterin unbedingt bei ihr in die Lehre gehen wollte.

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Und dann der Umzug zurück in den runderneuerten Dorfladen. Samstagmittag nach dem letzten Brötchenverkauf im Heimathaus ist sie mit vielen Helfern aus dem Dorf umgezogen.

Noch am selben Tag habe ihr Team zwischen dem Auspacken der Umzugskartons die ersten Kugeln Eiscreme verkauft. „Den Bon hab ich aufgehoben“, sagt sie, „der wird gerahmt und kommt an die Wand.“ Am Sonntag stand sie bereits kurz nach fünf Uhr morgens wieder im Laden, um die Sonntagslieferung der Bäckerei ins Geschäft zu holen. Einen Ruhetag gibt es nicht.

Sanierungsphase kostete Kraft und Körpergewicht

Die zurückliegenden 14 Monate haben viel Kraft gekostet. „Und etliche Kilos Körpergewicht“, seufzt die Dorfladen-Betreiberin und lacht. Nach guter Laune war ihr zuletzt nicht immer zumute. Angesichts immer neuer Hürden und Hindernisse habe sie sogar mit dem Gedanken gespielt, aufzugeben, erzählt sie in einem ruhigen Moment.

Und wieder betritt eine Kundin zum ersten Mal den sanierten Laden. Die Midlumerin inspiziert den Abstand zwischen den Regalen und lobt den Tiefkühlbereich. „Der hat echt gefehlt“, sagt sie. Aber nicht nur deshalb ist sie froh, dass der Dorfladen an alter Stelle wieder geöffnet hat und es jetzt sogar eine Café-Terrasse gibt: „Als Treff und zum Klönen ist so ein Dorfladen enorm wichtig.“

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