TCSD in Stade: Fest der Vielfalt und starkes Zeichen gegen Ausgrenzung
Etwa 750 Teilnehmer waren beim CSD Stade. Foto: Franziska Felsch
Die Stimmung ist super. Etwa 750 Menschen, mehr als beim letzten Mal, feiern ihre Vielfalt. Doch nicht immer werden sie so freundlich empfangen wie beim CSD in Stade.
Stade. Der stellvertretende Vorsitzende Patrick Tiedemann von QUEST, der Verein, der den fünften Christopher Street Day in Stade organisiert, ist ein bisschen sprachlos, als die Veranstaltung um 12 Uhr beginnt. Der Platz am Sande bietet bald ein farbenprächtiges Bild an Fahnen und Outfits. „Mit so vielen Teilnehmern habe ich nicht gerechnet“, freut sich Patrick Tiedemann. 700 bis 800 Teilnehmer sind es laut Schätzung der Polizei.
Für ein Recht auf Selbstbestimmung stehen die Organisatoren vom fünften CSD Stade. Foto: Franziska Felsch
Doch der CSD sei kein buntes Event, sondern ein klarer Appell, betont Amadeus Schwone. „Sichtbarkeit ist Schutz“, sagt der erste Vorsitzende von Queeres Stade.
Überfall auf Puppy Player
Wie dringend diese Sichtbarkeit gebraucht wird, zeigt der Fall eines 31-Jährigen aus Hamburg. Der junge Mann, der unter dem Pseudonym Panda auftritt, spricht auf der Kundgebung über einen brutalen Angriff, der vor zwei Wochen passierte.

Michael und Michael wollen ein Zeichen für Toleranz setzen. Foto: Franziska Felsch
Er und sein Verlobter aus der Puppy Player Szene - das sind Personen, die in die Rolle von Hunden schlüpfen, in der Regel mit einer speziellen Maske - wurden am hellichten Tag in Emden, mitten auf der Straße, zusammengeschlagen. Nicht nur das: Die Angreifer filmten ihre Tat und stellten sie in Netz. „Die Täter wurden gefasst und erhalten hoffentlich ihre gerechte Strafe, aber das geht nicht spurlos an einem vorüber“, äußert sich Panda. Dennoch sucht er die Öffentlichkeit.
Versteckte Diskriminierung im Alltag
So wie viele andere aus der LGBTQIA+Community, die beim CSD in Stade dabei sind. Die englische Abkürzung LGBTQIA steht für lesbisch, schwul, bisexuell, transsexuell, queer, intersexuell und asexuell. Um ein Zeichen zu setzen, ist auch das Paar „Michael und Michael“ aus Neu Wulmstorf in Stade dabei.

Auch die Gewerkschaft zeigt Flagge. Foto: Franziska Felsch
„Es ist uns wichtig, nicht nur in Großstädten, sondern gerade in Kleinstädten Präsenz zu zeigen.“ An seinem Arbeitsplatz, einer Behörde, interessierten sich viele seiner Kollegen und Vorgesetzten offenbar nicht mehr für das Thema. In der Vergangenheit wurde sogar ein Arbeitskreis extra dafür gegründet, angeregt von der Geschäftsleitung, mittlerweile sei das leider Geschichte.

Alicia wirbt für die Stärkung der Community. Foto: Franziska Felsch
Offene Diskriminierung erlebe er nicht, eher manchmal versteckte, so der Eindruck des 57-Jährigen. Vorbildlich findet er das Kunstprojekt für queere Menschen von der Firma Beiersdorf. „Es gibt sie, die Arbeitgeber, die voll nach vorne gehen, andere trauen sich offenbar nicht.“
Unterschiedliche Erfahrungen hat auch sein Partner gemacht. Schwule und Lesben kämpften immer noch gegen Vorurteile, in seiner Familie sei das aber glücklicherweise kein Problem. „Meine Tochter und meine Enkelin besuchen uns regelmäßig“, erzählt Michael.
Der CSD will die Community stärken
In Hamburg habe er bisher keine nennenswerten Übergriffe erlebt. „Hamburg ist offener, auf dem Lande stell‘ ich mir das gefährlicher vor“, meint Scarlet Splash. Die Drag Queen glaubt, dass sich viele Menschen zwar ihren Teil denken, aber sich nicht trauen, offen ihre Meinung auszudrücken. „Ich kenne Drag Queens, die hatten weniger Glück“, bedauert Scarlet Splash.

Nathalie heizt vom Wagen aus die Stimmung an. Foto: Franziska Felsch
Der CSD diene auch dazu, die Community zu stärken - so Amadeus Schwone. Außerdem gehe es darum, Wissen zu vermitteln und Schutzräume zu schaffen. Denn, wie viele Teilnehmer bestätigten, sind queere Menschen auch heute noch Ausgrenzung, Hetze und Hass ausgesetzt. Persönlich und im Netz.
In Niedersachsen, wie überall in Deutschland, sind queerfeindliche Straftaten gestiegen, von 37 Fällen 2021 auf 211 im vergangenen Jahr. Einige CSD mussten in jüngster Vergangenheit wegen Bedrohungen abgesagt werden.
Demonstration für Toleranz und Gleichberechtigung
Als Verursacher von Hass und Hetze sehen nicht nur die „Omas gegen Rechts“ besonders Rechtsradikale, die AFD und ihre Anhänger.
Aber auch die Aktion von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU), die beim Christopher Street Day in Berlin am 26. Juli auf die Regenbogenflagge auf dem Reichstag verzichten will, trage nicht zu einer entspannten Lage bei, erklären die Redner auf der Bühne.

Der Ankerplatz erstrahlt in Regenbogenfarben. Foto: Franziska Felsch
Gerade weil das Klima rauer werde, müsse die Solidarität untereinander gestärkt werden, empfiehlt Ricarda vom Checkpoint Lüneburg. Respekt und Anerkennung beginne zuerst in den eigenen Reihen, meint die Mitarbeiterin der Beratungsstelle.
Umzug durch die Innenstadt
Beim anschließenden etwa fünf Kilometer langen Umzug mit Musik durch die Innenstadt ist keine Feindlichkeit zu spüren. Autofahrer warten geduldig am Straßenrand und nehmen die Informationsbroschüren, die ein Mitglied der LGBTQIA+Community verteilt, entgegen. Aus den Fenstern und von den Bürgersteigen winken Anwohner, einige Passanten heben anerkennend den Daumen, lachen und tanzen mit.
Am späten Nachmittag trifft der CSD-Zug wieder auf dem Ankerplatz ein. Bis zum Abend gibt‘s hier Gelegenheit ins Gespräch zu kommen - miteinander oder mit den Vertretern von Bündnissen, Vereinen, Parteien und Gewerkschaften an den Ständen. Der Platz am Sande erstrahlt zum vorerst letzten Mal in den Regenbogenfarben.
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