T„Gibt genug Reiche“: Was Erstwählern aus dem Kreis Stade wichtig ist

Schüler der Stader Jobelmannschule. Foto: Richter
Essen, Bahnfahren, Sprit: Alles ist teurer geworden. Für viele junge Leute ist das ein großes Problem. Wie das ihre Wahlentscheidung beeinflusst, erzählen Schüler der BBS in Stade.
Landkreis. Sie sind 18 bis 20 Jahre alt, angehende Tischler und Chemikanten, Erzieherinnen und Erzieher, Sanitär- und Heizungsinstallateure. Sonntag werden sie zum ersten Mal in ihrem Leben eine neue Bundesregierung wählen. Sophie (20), Susan (18), Kilian (20), Veit (19), Jonas (18), Enno (20), Torge (20), Alessio (18), Julian (18) und Emma (18) besuchen die Jobelmannschule (BBS I) in Stade. Im Gespräch erzählen sie, was für ihre politische Entscheidungsbildung wichtig ist.
Kaum haben sich die zehn jungen Leute an den Tisch gesetzt, diskutieren sie schon: Es geht um das Mindestwahlalter. Manche haben schon an der Europawahl teilgenommen, wo das Mindestalter bei 16 Jahren liegt. Sophie, angehende Sozialpädagogische Assistentin, würde es gut finden, wenn es auch bei der Bundestagswahl auf 16 abgesenkt würde: „Junge Leute denken oft anders als ihre Eltern und haben eine neue Sicht auf die Dinge.“
Idee: Politische Bildung im Altenheim
Torge, angehender Tischler, ist anderer Meinung: „Nicht alle 16-Jährigen haben die Fähigkeit, eine vernünftige Entscheidung zu treffen.“ Manche seien nicht gut genug informiert und ließen sich zu stark von ihrem Umfeld beeinflussen.
Sophie findet, dass politische Bildung in der Schule früher einsetzen und wichtiger werden müsste. „Solange das aber nicht so ist, bin ich gegen das Wählen ab 16“, sagt Torge. Emma und Kilian finden, dass es auch für Ältere Politik-Workshops geben müsste, damit sie sich mit aktuellen Entwicklungen auseinandersetzen, zum Beispiel in Altenheimen.
Veit sagt, viele wichtige Probleme seien ihm erst bewusst geworden, als er anfing, zu arbeiten: „Was Lebensmittel kosten und wie sich die Preise entwickeln, hat mich vorher nicht so interessiert. Aber jetzt zahle ich alles selbst.“ Früher, habe er es komplett gut gefunden, wenn umweltfreundliche, nachhaltige Produkte teurer waren. Heute sehe er, dass es im Bio-Markt vielleicht die besten Lebensmittel gebe. Sie seien aber nicht bezahlbar.
Azubis kämpfen mit Lebenshaltungskosten
Kilian, Sophie und Susan sind in der Ausbildung zu Sozialpädagogischen Assistenten. „Die ist unbezahlt, und nicht jeder hat ein Stipendium“, sagt Kilian. Susan schon: 520 Euro im Monat von der Stadt Buxtehude. Sophie, die nicht mehr bei ihren Eltern lebt, hat keins und muss mit Bürgergeld auskommen: „450 Euro im Monat für alles - Essen, Kleidung, Fahrtkosten. Das ist nicht leicht.“
Kilian, ebenfalls ohne Stipendium, sagt: „Wir wollen mobil bleiben. Aber ich komme aus Fredenbeck, da kostet eine einfache Fahrt nach Stade schon 3,70 Euro.“ Er hat ein Deutschlandticket für 58 Euro. „Das 9-Euro-Ticket war einfach das Nonplusultra“, sagt er. Die anderen nicken. Nur Enno erinnert daran, dass die Bahn unter dem Andrang fast zusammenbrach und die Züge hoffnungslos überfüllt waren.
Erwerbstätigkeit
Studie: Junge Menschen arbeiten deutlich mehr
Weil die Bahn unpünktlich ist oder ausfällt, kommen einige Kollegen aus entfernten Orten wie Hechthausen regelmäßig zu spät zum Unterricht, berichtet Enno aus der Tischler-Klasse. Welche Ideen die Parteien dafür haben, die Kosten für Lebensmittel und Mobilität zu senken, findet der 18-jährige Julian, angehender Sanitär- und Heizungsinstallateur, für seine Entscheidung am Wichtigsten. Für Sophie steht soziale Gerechtigkeit ganz oben. „Die Linke tut dafür am meisten“, sagt sie.
Steuern hoch oder runter - und für wen?
Torge widerspricht: „Und wie soll das finanziert werden?“ Er fordert Realismus statt Wunschdenken. „Es gibt genug Reiche und große Unternehmen, die können ruhig mehr Steuern zahlen“, sagt Sophie. Torge kontert: „Deutschland ist in einer Rezession und muss etwas dagegen tun.“ Er räumt ein, dass die CDU durch die geplanten Unternehmenssteuersenkungen zunächst eine Finanzierungslücke habe. Doch die werde Wachstum erzeugen, die Wirtschaft ankurbeln und im Endeffekt wirklich etwas bringen.
Veit und Jonas sind angehende Chemikanten und wissen, dass viele in ihrer Branche sich Sorgen wegen der Energiekosten machen. Veit sagt, dass andere Länder nur darauf warten, die Produktion zu übernehmen - Länder, denen die Umwelt egal sei und die billiger produzieren.
Energiepreise und Klimaschutz sind Thema
Dass einige fordern, zur Atomkraft zurückzukehren, hält er aber für unrealistisch: „Keiner will da noch investieren und keiner will die Entsorgung übernehmen.“ Fast noch spannender als die Bundestagswahl sei, was in den USA passiert. Sie arbeiten in einem US-amerikanischen Unternehmen. „Wir hoffen, dass es dort gut läuft, damit auch wir weiter Unterstützung bekommen.“ Der 18-jährige Alessio findet Klima- und Umweltschutz wichtig und die Grünen gut. Für ihn ist die Klimakrise im Wahlkampf zu sehr in den Hintergrund geraten.
Emma ist erst vor ein paar Tagen 18 geworden und froh, dass sie wählen gehen darf: „Es geht ja um unsere Zukunft.“ Susan nickt: „Für uns ist es sogar noch wichtiger als für die Älteren. Mit dem, was dabei herauskommt, müssen wir ja noch länger leben.“
Wie Jugendliche unter 18 abstimmen
Auch für Jugendliche unter 18 Jahren standen vom 7. bis zum 14. Februar Wahlurnen bereit: Zur U18-Wahl des deutschen Bundesjugendrings. Sie ist eine der größten Initiativen der außerschulischen politischen Jugendbildung.
Bundesweit haben über 160.000 junge Menschen unter 18 Jahren gewählt - hier hat die Partei die Linke mit 20,8 Prozent die meisten Stimmen erhalten. Danach folgen die SPD mit 17,9 Prozent, die CDU/CSU mit 15,7 Prozent, die AfD mit 15,5 Prozent und Bündnis 90/Die Grünen mit 12,5 Prozent. Die Tierschutzpartei erhielt 3,8 Prozent, die FDP 3,4.
In Niedersachsen wurden insgesamt 5176 Stimmen in 117 selbstorganisierten Wahllokalen abgegeben. Dabei hat die SPD mit 25,1 Prozent des Gesamtergebnisses die meisten Stimmen junger Menschen erhalten. Danach folgen Die Linke mit 19,1 Prozent, die CDU mit 14,7 Prozent, Bündnis90/Die Grünen mit 13,6 Prozent und die AfD mit 12,7 Prozent. Die Tierschutzpartei erhielt 4,5 Prozent der Stimmen, die FDP 2,9 Prozent und das BSW 2,7 Prozent. 4,8 Prozent entfallen zudem auf weitere Parteien.
Im Wahlkreis Stade I - Rotenburg II sieht das Ergebnis anders aus. Bei 108 in verschiedenen Schulen abgegebenen Stimmen erreichten die Grünen 25 Prozent, die SPD 16,67 Prozent, die AfD 16,67 Prozent, die CDU 13,89 Prozent, die Linke 12,96 Prozent, die Tierschutzpartei 5,56 Prozent, die FDP 2,78 Prozent und die Freien Wähler 2,78 Prozent, BSW erhielt 1,85 Prozent der Stimmen, die Piraten 0,93 und Volt 0,93 Prozent der Stimmen.
Die bundesweiten sowie lokalen Ergebnisse der U18-Bundestagswahl finden sich im Detail unter https://wahlen.u18.org/wahlergebnisse/bundestagswahl