TGlücklich in Krisen: Darum geht das in Bremerhaven leichter

Positiver Blick voraus: Die deutsche Glücksforscherin Maike van den Boom lebt seit einigen Jahren in Schweden und erklärt, warum man gerade in Krisen glücklich sein sollte. Foto: Eva Garmendia/Evia Photos
Glück in Krisen? Geht das überhaupt? Glücksforscherin Maike van den Boom verrät, wie man trotz Klimakrise, Ukraine-Krieg und persönlichen Tiefschlägen glücklich sein kann.
Bremerhaven. Muss das Glück in Krisenzeiten zwangsläufig auf der Strecke bleiben? Nein, sagt die deutsche Glücksforscherin Maike van den Boom mit Wohnsitz im schwedischen Stockholm. Sie verrät im Interview mit der Nordsee-Zeitung, warum das kleine Glück in Krisen besonders wichtig ist und warum das vielleicht in Bremerhaven und Cuxland in Küstennähe besonders gut gelingen kann.
Die Skandinavier gelten als die glücklichsten Menschen weltweit. Gleichzeitig ist die Suizidrate in Finnland sehr hoch. Wie lässt sich das erklären?
Es ist enorm anstrengend, wenn es so dunkel ist, da dann unser Körper mehr Melatonin produziert, was uns nicht nur schläfrig macht, sondern auch die Stimmung drückt. Auch hier in Stockholm ist es im Winter nur sechs Stunden hell. Trotzdem gehören die Skandinavier zu den weltweit glücklichsten Menschen, weil sie Wege finden, glücklich zu sein. Das ist bemerkenswert.

Maike van den Boom zieht selbst viel Glück aus der Zeit am Meer. Foto: Privat
Was ist das Geheimnis der glücklichen Skandinavier?
Sie gehen liebevoll mit sich selbst und anderen um. Hier wird niemand gezwungen, sich anzupassen oder starren Hierarchien zu folgen. Lehrer diktieren nicht, wie man zu sein hat. Stattdessen steht die persönliche Entwicklung im Vordergrund – du darfst dich so entfalten, wie du es möchtest. Das ist das Allerwichtigste.
Auf welche Lebensbereiche trifft das zu?
Im Job gilt das genauso wie in der Schule. Der Lehrer ist in Deutschland mehr eine Autoritätsperson, in Schweden hingegen mehr eine Art Freund.
Es geht nicht so sehr darum, dass die Besten weiterkommen und das beste Ergebnis zählt. Wenn man eine Mathearbeit versemmelt hat, kann man sie noch mal schreiben. Du entscheidest und lernst auch, für dein Ergebnis einzustehen. Der Druck ist weg, aber die Motivation ist da.
Wie ist es im Job?
Es ist schon ergebnisorientiert, aber mehr so nach dem Motto: Toll, dass du hier bist, hier ist dein Schreibtisch, zeig mal, was du kannst. Vielleicht können wir etwas von dir lernen. Es geht nicht darum, dem neuen Arbeitnehmer zu erzählen, wie wir es schon immer gemacht haben. Vielleicht sind deshalb alle skandinavischen Länder in Europa bei Innovationen führend.
Das ist im Job wie in der Schule: Es gibt kein Richtig oder Falsch. Du darfst schon in der Schule ständig Dinge infrage stellen, und das wird auch im Job von dir verlangt. Arbeitgeber erwarten sogar von dir, dass du Dinge, die du nicht verstehst, kritisch hinterfragst und Aufgaben, die du als sinnlos empfindest, nicht einfach nur ausführst.
Warum solltest du etwas tun, wenn du nicht weißt, warum?, so das Motto. Sei sichtbar, denn deine Meinung ist wichtig. Das gibt den Menschen starkes Selbstbewusstsein, gleichzeitig haben auch die Unternehmen mehr davon, ganz unterschiedliche Arbeitnehmer zu haben.
Skandinavien setzt also auf Kreativität und Freiheit - was ist sonst noch wichtig für das Glück?
Eine der größten Errungenschaften, die die individuellen Menschen trotzdem eint, ist der liebevolle Umgang miteinander. Du übernimmst Verantwortung für dich und für andere Menschen. Die Skandinavier haben die freiheitlichsten Werte der Welt, sind aber trotzdem keine Egoisten.
Im Gegenteil: Das „Wir“ steht hier über dem Individuum. Wenn ich wachse, dann wächst auch mein Kollege, das Team, das Unternehmen, mein Land, die ganze Welt.
In Deutschland lautet das Motto oft: Hauptsache, du bist der Beste. In Skandinavien steht etwas anderes im Vordergrund: Hauptsache, es geht dir gut und du machst das, was du liebst. Dann nutzt du deine Energie, und davon profitieren wir alle.
Gleichzeitig begegnen wir einander sehr wertschätzend. Wir nehmen schon die Kinder sehr ernst: Sie wurden zu Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine von der damaligen Ministerpräsidentin direkt angesprochen: Wenn ihr bei TikTok seid, fragt eure Eltern: Es stimmt nicht alles, was dort steht.
Was ist mit den klassischen Faktoren wie Kinder, Geld, Freizeit und Erfolg - macht das glücklich?
Geld macht tatsächlich glücklich. Es ist nur ein sehr unsicherer Faktor. Geld unterliegt sehr stark dem Vergleich mit anderen. Deshalb würde ich eher auf Freunde, als auf Geld setzen.
Soziale Beziehungen haben nämlich einen fünfmal stärkeren Einfluss auf das Glücksempfinden als das Einkommen.
Die Niedersachsen sind übrigens sehr zufrieden mit ihrem Familienleben. Das kann auch die Wahl-Familie sein.
Familie heißt einfach gute Beziehungen.
Leute, die alleine wohnen, haben meistens sogar ein reicheres soziales Leben, weil sie viel mehr rausgehen und sich mehr verabreden und die Gesellschaft dadurch mehr formen, als zum Beispiel Paare und junge Familien, die verständlicherweise sehr mit sich selbst beschäftigt sind.
Die Krisen in der Welt sind gerade erschlagend. Kann man dabei überhaupt noch glücklich sein?
Wenn du Krisen hast, musst du dich extra anstrengen, um glücklich zu sein, so eine Frau, die ich zu meiner Buch-Recherche in Mexico City interviewt habe. Viele Menschen fragen sich, ob sie überhaupt glücklich sein dürfen, wenn es so viel Elend in der Welt gibt.
Ich sage: Wir müssen es sogar, um unser selbst und anderer Willen.
Gerade wenn es negativ ist, musst du tanzen und feiern, so sehen es die krisengebeutelten Mexikaner und Kolumbianer. Denn das Negative hat immer mehr Gewicht. Wenn wir in Krisen nur das Negative sehen, entziehen wir uns und anderen immer mehr Energie.
Im Stress siehst du keine Lösung mehr, das ist kontraproduktiv. Wenn du gut gelaunt bist oder entspannt, kommen die besten Ideen. Viele Studien zeigen: Es lohnt sich, glücklich zu sein. Man ist gesünder, kreativer, lösungsorientierter und leistungsfähiger. Und genau das benötigen wir, um eine Krise zu bewältigen.
Welchen Tipp gibt es, um schnell etwas mehr Glück in den Alltag zu bringen?
Oft konzentrieren wir uns mehr aufs Negative. Der Reflex ist ziemlich stark.
Es gibt zum Beispiel eine klassische Dankbarkeitsübung, die sich leicht in den Alltag integrieren lässt. Morgens fünf Minuten Zeit nehmen und Dinge aufschreiben, für die man dankbar ist.
Ich habe das zum Beispiel während der Corona-Pandemie gemacht: Jeden Morgen habe ich Klebefolien an die Wand geheftet und draufgeschrieben, wofür ich jetzt dankbar bin oder sein kann.
Das können große oder kleine Sachen sein. Abends vor dem Schlafengehen habe ich mir das noch mal durchgelesen. Das trägt zu einer positiven Grundhaltung bei.
Welche Rolle spielen das Meer und die Küstennähe wie in Bremerhaven und dem Cuxland fürs Glücklichsein?
Menschen, die in der Nähe des Meeres leben, haben eine bessere psychische Gesundheit. Wasser senkt unser Stressniveau.
Dazu gibt es Studien: Wenn die Leute aufs Wasser schauen, beruhigt sie das. Dazu muss man sich aber auch die Zeit nehmen. Ein kurzer Blick reicht nicht.
In Bremerhaven und dem Cuxland gibt es also gute Voraussetzungen, um Glück empfinden zu können. Vielleicht geht es hier sogar leichter. Die Voraussetzungen der Natur sind da. Also wie wäre es, nach der Arbeit mal eine Runde am Deich spazieren oder schwimmen zu gehen?