THaare spenden: 30 Zentimeter für den guten Zweck

Friseurin Stefanie Merle vom Friseursalon van Ruiten in Bad Oldesloe schneidet ihrer Kundin Saba Siamis. Foto: Heggen
Menschen mit Haarausfall stehen oft unter einem hohen Leidensdruck. Perücken können ihnen ein Stück Selbstwertgefühl zurückgeben. Saba Siami aus Ritzerau bei Lübeck hat sich deshalb entschlossen, ihre langen Locken zu spenden.
Bad Oldesloe. Bevor Friseurin Stefanie Merle die Schere ansetzt, holt sie erstmal den Zollstock. Bei ihrer Kundin Saba Siami müssen 30 Zentimeter Haare ab, damit der Plan gelingt. Merle nickt Siami zu, die Länge passt. Siamis dichten, dunklen Locken geht es heute an den Kragen. Die 44-Jährige hat ihre Haare über eineinhalb Jahre bewusst wachsen lassen. Für den guten Zweck: Sie möchte ihre prächtige Mähne zur Fertigung von Perücken spenden.
„Auf Instagram habe ich Videos von jungen Mädchen gesehen, die krankheitsbedingt an Haarausfall leiden. Ihr Schicksal hat mich sehr berührt. Meine Haare wachsen schnell. Das brachte mich auf die Idee“, sagt die Unternehmerin aus dem schleswig-holsteinischen Ritzerau. Auf dem Internetportal www.haare-spenden.de fand sie unter 360 Partner-Salons bundesweit den Friseur van Ruiten in Bad Oldesloe, der Luftlinie gut 20 Kilometer von ihrem Heimatort entfernt ist.
Die auf dem Portal registrierten Friseure schicken die gespendeten Haare ihrer Kunden an die Zweithaar-Manufaktur Rieswick im Münsterland. Die knüpft aus den Haaren Perücken nach Maß für Kunden, die aus medizinischen Gründen ihre Haare verloren haben, etwa durch eine Krebstherapie.
Die Haarlänge von mindestens 30 Zentimeter erfordert Geduld
Das Prinzip ist einfach: Jeder kann seine Haare spenden. Die Länge der abgeschnittenen Haare muss 30 Zentimeter betragen, bei gefärbten Haaren müssen es mindestens 40 Zentimeter sein. Das Haare-wachsen-lassen ist vermutlich das größte Hindernis, denn das erfordert Geduld. Ein bis eineinhalb Zentimeter wachsen Haare pro Monat.
Vier bis fünf Haarspenden braucht die Manufaktur Rieswick für eine Echthaar-Perücke. „Die Perücken werden im Ausland per Hand geknüpft. Das ist Aufwand und dauert entsprechend“, erklärt Manufaktur-Mitarbeiterin Yvonne Buss. Kundinnen und Kunden warten vier bis fünf Monate auf ihren Haarersatz.
Vorurteile
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Auch der Preis ist hoch: Zwischen 1.500 und 4.500 Euro kostet eine Perücke. Aber dank der 150 bis 200 Haarspenden, die die Manufaktur täglich von den Partner-Salons bekommt, erhalten Kinder und Jugendliche bis 17 Jahren ihre Perücken zuzahlungsfrei.
Marita van Ruiten ist Inhaberin des Friseursalons in Bad Oldesloe und schickt seit zwei Jahren etwa einmal im Monat Haare von Kundinnen und Kunden an die Manufaktur. „Mein Nachbar hat lange Haare und fragte mich, ob er sie bei mir spenden könnte. Ich fand die Idee gut, habe mich informiert und schließlich mit der Manufaktur Kontakt aufgenommen“, erklärt van Ruiten.
Kaum Aufwand und ohne Aufpreis
Die Kundinnen und Kunden in ihrem Salon zahlen den Preis für ihren neuen Haarschnitt, den Rest übernimmt der Salon. Die abgeschnittenen Haare werden geflochten, damit sie sich beim Transport nicht verknoten, und an die Manufaktur geschickt. „Für uns ist das kaum Aufwand, aber wir tragen dazu bei, dass kranke Menschen sich wieder wohler fühlen“, sagt van Ruiten.
Für Saba Siami kommt nun der spannende Moment: Sie muss sich von ihren langen Haaren verabschieden. Die Entscheidung fällt ihr aber nicht schwer. Friseurin Stefanie Merle bindet rund 15 einzelne Zöpfe, die sie nach und nach abschneidet. Am Ende bringt sie die kurzen Locken noch mit Föhn und Haargel in Form, fertig ist Siamis neuer Look. (epd/mca)