T„Hochemotionale Entscheidung“: Das sagen Experten zum Horneburger Fusions-Streit
Fusionieren zur Einheitsgemeinde: Ja oder nein? In den Horneburger Gemeinden gibt es Befürworter, aber auch viele Skeptiker. Foto: Buchmann (Montage)
Samt- oder Einheitsgemeinde? Ein Thema, das aktuell wieder für Diskussionen in der Samtgemeinde Horneburg sorgt. Zwei Experten erklären, welche Vor- und Nachteile eine Fusion hat.
Horneburg. Um die wichtigsten Fragen rund um das Thema zu beantworten, hat das TAGEBLATT mit Prof. Dr. Jan Seybold (Niedersächsisches Studieninstitut für kommunale Verwaltung + Kommunale Hochschule für Verwaltung in Niedersachsen) und Finn-Christopher Brüning (Referatsleiter Deutscher Städte- und Gemeindebund) gesprochen und die Antworten nachfolgend zusammengefasst.
Stimmt es, dass das Samtgemeinde-Modell ursprünglich nur als Übergangslösung gedacht war?
Der Gesetzgeber ging bei der Gebietsreform in den 70er-Jahren davon aus, dass sich die Samtgemeinden mit der Zeit in Einheitsgemeinden umwandeln würden. Durch den Zusammenschluss als Samtgemeinde sollten sich die Mitgliedsgemeinden an die Zusammenarbeit und die Abstimmung untereinander gewöhnen. Durch diese Annäherung, auch über die Gemeindeaufgaben hinaus, sollte die Entscheidung hin zu einer Fusion als Einheitsgemeinde erleichtert werden.
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Inzwischen hat sich jedoch gezeigt, dass der Gesetzgeber die Entwicklung falsch eingeschätzt hat. Die kommunale Selbstständigkeit stärkt das Traditionsbewusstsein der Gemeinden und fördert die Eigenständigkeit. Dies schätzen die Mitgliedsgemeinden mehr, anstatt als bloßer Ortsteil in einer Einheitsgemeinde aufzugehen.
Wie hat sich das Samtgemeinde-Modell in den vergangenen Jahren in Niedersachsen entwickelt?
Die Anzahl der Samtgemeinden geht seit Jahren nach und nach zurück, einige haben sich durch Fusionen inzwischen zu Einheitsgemeinden umgewandelt. Es gibt aber nach wie vor mehr als hundert Samtgemeinden in Niedersachsen (Stand 01.11.2021: 114). Das Modell hat sich daher als eine Dauerlösung neben der klassischen Einheitsgemeinde etabliert.
Es gibt Menschen, die eine Fusion skeptisch sehen. Woher rühren die Zweifel?
Sorgen im Zusammenhang mit Fusionen sind nicht unüblich. Viele Gemeinden fürchten, ihre Eigenständigkeit oder ihre Identität zu verlieren. Aber auch die Bedürfnisse der Bürger schwingen in der Diskussion mit. Wenn es etwa zukünftig nur noch einen Verwaltungssitz und keine Gemeinderäte mehr gibt, wüssten viele nicht, wohin sie sich wenden sollen.
Mitunter befürchten manche, ihren „Wohlstand“ durch eine Fusion zu verlieren. Dieses Argument ist jedoch nur eine Momentaufnahme, Zeiten können sich ändern. Es kommt auf die Umstände der betroffenen Mitgliedsgemeinden, Samtgemeinden sowie der Strukturen im gesamten Landkreis an.
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Allein dass manche Kommunen ärmer sind, sollte nicht der Anlass für eine Fusion sein. Man kann nicht davon ausgehen, dass sich dadurch alle Probleme von selbst erledigen - insbesondere die finanziellen. Eine Fusion ist kein „Allheilmittel“. Einsparmöglichkeiten, die im Einzelfall durch eine Fusion erreicht werden können, sollten jedoch nicht ignoriert werden.
Was genau müsste passieren, um zu einer Einheitsgemeinde zu fusionieren?
Die bisherigen Strukturen müssten aufgelöst und eine Einheitsgemeinde neu gegründet werden. Samtgemeinde als auch Mitgliedsgemeinden verlieren hierdurch ihre Identität. Die Fusion muss begründet sein, da sie dem Gemeinwohl dienen soll. Da sich hierdurch das Gemeindegebiet verändert, müssen Gesetze wie etwa die Niedersächsische Verfassung beachtet werden.
Die betroffenen Gemeinden müssen gehört werden. Beschlüsse aller Gemeinderäte sind nicht zwingend. Es reicht, die Bürger etwa in Versammlungen anzuhören. Ob die Fusion durch die Verantwortlichen erzwungen wird oder die Bürger sie freiwillig mittragen, macht einen Unterschied. Denn eine Fusion ist eine hochemotionale Entscheidung. Und bereits die fehlende Zustimmung an einer einzigen Stelle kann das gesamte Projekt scheitern lassen.
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