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Interview

Hotel: Wie Atlantic-Chef André Vedovelli mit Gästebeschwerden umgeht

Andre Vedovelli ist seit gut einem Jahr Direktor des „Hotel Atlantic Hamburg“. Foto: Gehm

Andre Vedovelli ist seit gut einem Jahr Direktor des „Hotel Atlantic Hamburg“. Foto: Gehm Foto: Dagmar Gehm

Das traditionsreiche „Hotel Atlantic Hamburg“ steuert auf neuem Kurs. Unter dem Kommando von André Vedovelli, der vor 14 Monaten das Ruder übernommen hat, will das Flaggschiff an der Außenalster moderne hanseatische Grandhotellerie anbieten.

Von Dagmar Gehm Samstag, 21.10.2023, 12:00 Uhr

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Hamburg. TAGEBLATT: Sie sind jetzt gut ein Jahr als Direktor des „Hotel Atlantic Hamburg“ im Amt. Hätten Sie den Job nicht lieber zu einem anderen Zeitpunkt angetreten als zum Ende der Pandemie mit ihren vielen Baustellen?

Andre Vedovelli: Es wäre vor der Pandemie ein Traumjob gewesen, während der Pandemie und nach der Pandemie. Die Herausforderungen gab es in allen Hotels und gastronomischen Betrieben. Als Team haben wir sie hervorragend gemeistert.

Vor 20 Jahren haben Sie als Azubi im „Grand Elysée Hotel“ einen Ball im „Atlantic“ moderiert. Was ist das für ein Gefühl, jetzt an gleicher Stelle als Hoteldirektor im Einsatz zu sein?

Damals gab es eine „Azubi ConnAction“ für Auszubildende aus 4- und 5-Sterne-Hotels, die den Ball mit über 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmern veranstalteten. Ich durfte ihn moderieren. Als es feststand, dass ich das Hotel wechseln würde, habe ich mir die Bilder von damals angeschaut. Tolle Erinnerungen, die wir jetzt ja weiterschreiben.

Apropos Bälle: Bei Ihrem Antritt haben Sie verkündet, dass Sie den Glamour vergangener Zeiten ins Haus zurückholen wollen. Welche der glanzvollen Veranstaltungen werden hier wieder stattfinden?

Ein wundervolles gesellschaftliches Ereignis ist zurück: Im Februar 2024 werden wir den 71. Ball über den Wolken, den das „Hotel Atlantic Hamburg“ 1950 ins Leben gerufen hat, hier veranstalten. Uns erreichen viele Anfragen für Bälle und Feste, wir sind sehr positiv gestimmt. Wir würden uns natürlich freuen, auch den Presseball zurückzugewinnen.

Das Atlantic-Restaurant für Fine Dining wurde Ende März wiedereröffnet. Wie läuft die berühmte Hummersuppe, von der schon Rod Stewart schwärmte?

Sie ist ein nicht wegzudenkender kulinarischer Bestandteil unseres Hauses. Unser neuer Küchenchef Alexander Mayer hat sie neu interpretiert. Die Vorgabe lautete, dass Klassiker wie die Hummersuppe als Vorspeise, Seezunge oder Crêpe Suzette, am Tisch zelebriert, bestehen bleiben müssen, aber gern mit kleinen Verfeinerungen. Das Atlantic Restaurant ist zurück: genussreicher und gefühlt schöner als je zuvor.

Wie ist der Stand beim geplanten Wellness-Bereich in einem neuen Gebäudekomplex?

Wir planen sehr viel im Hintergrund. Sobald wir konkrete Zahlen und Daten nennen können, werden wir es tun. In jeder Hinsicht wird das neue Spa ein Hingucker und eine Oase der Ruhe im hektischen Großstadttrubel. Das ist momentan unser größtes Projekt und auch die größte Herausforderung.

Nicht alle Gästebewertungen sind positiv. Wie gehen Sie damit um?

Ein namhafter Hotelier sagte einmal, dass jede Gastbeschwerde eine kostenlose Unternehmensberatung ist. Mir ist es sehr, sehr wichtig zu erfahren, was wir optimieren können. Wir analysieren jeden negativen Kommentar. Mit jedem Absender treten wir in Kontakt. Wenn es große Beschwerden sind, auch direkt telefonisch.

Geschäftsreisen sind rückläufig. Wie viele Unternehmen werden es sich in Zukunft noch leisten können, ihre Mitarbeiter im „Atlantic“ übernachten zu lassen?

Wir haben im vergangenen Jahr eine Netto-Durchschnittsrate von 255 Euro ohne Frühstück erzielt. Bei vielen Firmenverträgen werden die Raten individuell vereinbart und vertraglich fixiert. Wir hatten hervorragende Monate, was die Auslastung angeht - besonders April, Mai, Juni - und eine Belegung im August von 70 Prozent. Das Messe- und Kongressgeschäft läuft wieder und bei uns auch Firmenveranstaltungen. Deshalb gehen wir davon aus, die sehr erfreuliche Durchschnittsrate aus dem Vorjahr in 2023 sogar leicht zu steigern.

Fast überall leiden Hotellerie und Gastronomie unter Personalmangel. Suchen auch Sie aktuell Mitarbeiter?

Nach der Pandemie haben wir rund 120 Neueinstellungen vorgenommen, so dass wir jetzt wieder bei einer Teamstärke von 200 Kolleginnen und Kollegen sind. Wir halten aber immer Ausschau nach jungen Talenten. Wer als Quereinsteiger durchstarten möchte, ist genauso willkommen wie jemand, der bereits eine fachlich relevante Ausbildung hat. Wichtig ist, dass die Person ins Team passt und eine Leidenschaft für diesen Beruf mitbringt. Alles andere können wir ihr beibringen.

Sie haben in Asien und im Mittleren Osten gearbeitet. Wie unterscheidet sich dort die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern von der in Deutschland?

In den erwähnten Gebieten hat man sehr internationale Teams. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass sie den Führungskräften gegenüber schüchtern auftreten. Wenn sie dann aber irgendwann Vertrauen gewonnen haben, entwickelt sich ein freundschaftliches Miteinander. In der deutschen Hotellerie sind die Teams selbstbewusster und sprechen es auch an, wenn Dinge mal nicht so laufen, wie sie es sich vorstellen. Ich wünsche mir immer eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe.

Leslie Mandoki hat gesagt, dass das „Atlantic“ für ihn Heimat ist und kein seelenloses Haus. Wie hoch ist die Promidichte?

Regelmäßig finden prominente Menschen den Weg zu uns. Wir behandeln sie genauso herzlich und fürsorglich wie alle unsere Gäste. Wenn wir ihr oder ihm mal die eine oder andere Last abnehmen können, damit der Aufenthalt noch unbeschwerter wird, haben wir viel erreicht.

Udo Lindenberg zeigt im Video zu seinem rekordverdächtigen Chartbreaker „Komet“ mit Apache 207 verschiedene Aspekte des Hotels und raucht zum Schluss mit Apache eine Zigarre auf dem Balkon seiner Suite. Was für eine Wahnsinns-Gratis-PR.

Ja, das finde ich auch ganz großartig! Dafür habe ich mich auch herzlich bei ihm bedankt. Es war allein Udo Lindenbergs Idee, dass er vor dem Haus vorfährt, durch den Haupteingang geht, im Mondschein mit Apache 207 auf dem Balkon sitzt und man den Atlantic-Schriftzug sieht.

„Mehr Geschichte und mehr Flair geht nicht“, haben Sie gleich nach ihrem Antritt gesagt. Das „Atlantic“ als höchste Stufe einer Karriereleiter in der Hotellerie?

Stand jetzt: Ja, auf jeden Fall.

Wenn Sie aus dem Fenster schauen, blicken Sie direkt auf die Außenalster. Können Sie das Panorama nach einem Jahr immer noch bewusst genießen?

Ja, das kann ich. Ich bin eh ein Mensch, der Dinge sehr bewusst macht. Es ist nicht selbstverständlich, an einem so wundervollen Ort zu sein und hier wirken zu dürfen. Ich genieße es sehr bewusst und bin wahnsinnig dankbar dafür, dass ich da bin, wo ich bin.

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