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Zeven

THusarenritt ins Stellingsmoor: 1984 bleiben britische Panzer bei Zeven stecken

Das passiert, wenn man mit einem 50-Tonner bei Temperaturen über null Grad ins Moor fährt. Bis der britische Chieftain geborgen war, hatten Wachsoldaten daneben zu biwakieren.

Das passiert, wenn man mit einem 50-Tonner bei Temperaturen über null Grad ins Moor fährt. Bis der britische Chieftain geborgen war, hatten Wachsoldaten daneben zu biwakieren. Foto: Fritz-Carstens-Archiv

40 Jahre ist es her, dass das Stellingsmoor bei Nartum bei Jung und Alt als Ausflugsziel galt. Die britische Armee hatte dort während des Herbstmanövers 1984 ihr Waterloo erlebt. 20 Panzer steckten im Sumpf fest. Teil 1 unseres Rückblicks.

Von Thorsten Kratzmann Dienstag, 31.12.2024, 12:50 Uhr

Zeven. Vor 40 Jahren war von Tauwetter während des Kalten Krieges zwischen Ost und West noch nichts zu spüren. West- und Ostdeutschland galten den Verbündeten beider Blöcke als Aufmarschgebiet ihrer Armeen. Die Bundeswehr hatte 500.000 Mann unter Waffen. Über das Land verstreut waren Zehntausende Soldaten aus den Niederlanden, Belgien, Großbritannien, den USA und anderen NATO-Mitgliedsstaaten stationiert.

Alljährlich übten Truppenkontingente mit großangelegten Manövern für den Ernstfall. Mit schöner Regelmäßigkeit kam es in den 1970er und 1980er Jahren während des Herbstes auf dem Gebiet des Landkreises zu zahlreichen Begegnungen zwischen Einwohnern und Militärs. Das Wort Manöverschäden war ein geflügeltes. Meist waren es Landwirte, denen der Kamm schwoll, wenn Panzer durch Feld und Flur gepflügt und Schneisen der Verwüstung geschlagen hatten. Doch auch manch Garten- und Autobesitzer wurde zum Manövergeschädigten.

Wenn die Panzer rollen, steht besser kein Auto am Straßenrand

So Ende November 1984 in Elsdorf. Das Manöver „Stag Rat“ war angelaufen. Amerikanische und britische Einheiten operierten in der Gegend. Als Panzer durch den Ort rollten, geriet eines der Ungetüme auf der Molkereistraße ins Rutschen und walzte den am Straßenrand abgestellten Opel-Kadett eines Molkereimitarbeiters platt. Ein Foto in der ZZ vom 1. Dezember zeugt von der Begegnung.

Wenige Tage später verursachten Panzer auf der Lindenstraße in Zeven einen weiteren Unfall. Derweil fuhr sich ein britischer Chieftain unweit des Tannenkamps in Aspe fest. Der Kampfpanzer war unmittelbar neben der Erdgasleitung Zeven-Aspe im Morast stecken geblieben. ZZ-Leser erfuhren zudem, dass amerikanische Grenadiere eine Panzersperre zwischen Heeslingen, Osterheeslingen und Weertzen angelegt hatten.

Am Nikolaustag erfuhr die Leserschaft von erheblichen Manöverschäden im Stellingsmoor, die der britische Verbindungsoffizier Harkins mit Vertretern des Landvolks in Augenschein genommen hatte. Der Raum Steinfeld-Nartum-Brümmerhof war Schauplatz einer simulierten „Panzerschlacht“. Chieftains pflügten frisch eingesäte Felder, rissen Hofeinfahrten in den Dörfern beim Drehen auf und zerstörten weiter nördlich einen Radweg am Großen Holz.

Verlustmeldung: Zwei Panzer-Kompanien außer Gefecht

Dass es eine weniger gute Idee gewesen war, 50 Tonnen schwere Kettenfahrzeuge Anfang Dezember bei Temperaturen über null ins Moor zu jagen, stellte sich umgehend heraus: Vier Chieftains versackten. Überdies blieb ein Brückenlegepanzer zwischen Wehldorf und Nartum liegen. Das erfuhren die Zeitungsleser am 7. Dezember.

Dann endete das Manöver „Stag Rat“ und die Soldaten zogen sich nach Bergen in ihre Kasernen zurück. Derweil erwachte das mediale Interesse. Zeitungs- und Fernsehreporter schwärmten aus. Zwei Panzer-Kompanien außer Gefecht. Das ließ sich ausschlachten, um dem Publikum Momente der Schadenfreude zu bescheren. Hohn und Spott ergossen sich über diejenigen, mit denen augenscheinlich kein Krieg zu gewinnen war. So in einem TV-Beitrag von Radio Bremen.

Bundeswehr-Pioniere aus Stade sollen die Engländer befreien

Die „Kings Husars“ hätten Warnungen von Einheimischen in den Wind geschlagen, nicht ins Moor zu fahren, erfuhren Zeitungsleser in Bremen. Die Besatzungen der 24 Panzer ihrer Majestät mussten sich als „schusselige Kameraden“ bezeichnen lassen, da sie im Sumpf stecken geblieben waren. In der ZZ vom 11. Dezember war die Rede davon, es sei „wohl etwas undurchdacht“ gewesen, den „Krieg“ ins Moor zu tragen. Der Ritt der Husaren habe sich, schrieb der Berichterstatter, für 21 stählerne Schlachtrösser als taktischer Fehlschlag erwiesen.

Immerhin gelang es den Briten binnen weniger Tage, elf Chieftains mit eigenen Kräften zu bergen. Doch im Bemühen, den drohenden Untergang der übrigen zehn Kolosse zu verhindern, forderten die Briten die Hilfe der Bundeswehr an. Pioniere aus Stade sollten es richten. Die gingen die Sache anders an.

Während die Husaren im Angesicht der Zentimeter um Zentimeter sinkenden Panzer zu Axt und Säge gegriffen hatten, um gefällte Birken und Tannen unter die Ketten zu schieben, auf dass sie greifen mögen, rückten die Pioniere auf einer Fahrbahn aus stählernen Lochblechen zu den Havaristen vor. Während die Soldaten Elisabeths II. ihre Dienstwagen mit Klappspaten aus dem Morast zu befreien versuchten, gingen ihre deutschen Verbündeten mit einem Bagger zu Werke.

Wachmannschaften verbringen die Feiertage im Moor

Ungeachtet der Tatsache, dass die Besatzung eines Bergepanzers ihre Bemühungen, Kriegsgerät aus dem Schlamassel zu befreien, damit bezahlte, dass auch ihr Panzer steckenblieb, gab sich Verbindungsoffizier Harkins in der Zevener Zeitung optimistisch, die „Moor-Einheiten“ seien Mitte Dezember wieder gefechtsbereit.

Das erwies sich als ebensolche Fehleinschätzung wie zuvor die, dass der Untergrund im Stellingsmoor Kampfpanzer trägt. Weihnachten stand vor der Tür, und noch immer steckten einige der Husaren fest. Die ZZ veröffentlichte ein Foto der Wachmannschaft eines Bergepanzers. Es zeigt David Cohen, Mark Heald und Thomas Bingham, die die Feiertage im Moor-Biwak verbrachten.

Doch sie, die an der Steinfelder Sandkuhle Dienst schoben, und ihre Kameraden, die nördlich des Nartumer Röhrbergs Obacht gaben, dass sich niemand des sinkenden Chieftains bemächtigt, blieben nicht allein. Unter den Einheimischen hatte sich längst herumgesprochen, dass die Briten im Stellingsmoor ihr Waterloo erlebt hatten.

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