TKampf um die Weide: Tierfreunde suchen nach Antworten auf Wolfsangriffe

Die Rückkehr der Wölfe und die Konflikte mit der Weidetierhaltung werden demnächst in der Wingst prominent diskutiert. Foto: Bernd Weißbrod/dpa/Archivbild Foto: Bernd Weißbrod/dpa/Archivbild
Nicht nur die Pferde-Züchter treibt vor Beginn der Weidesaison die Sorge um ihre Tiere um. Sie sehen eine zunehmende Gefahr durch die wachsende Zahl der Wölfe in der Region. Ein prominent besetzter Diskussionsabend soll aufklären.
Landkreis/Wingst. Eine Serie von Wolfsangriffen auf Schafe, Rinder und auch Pferde auf den Weiden und Deichen hielt die Region im letzten Jahr in Atem.
Nun sprießt das Gras, demnächst beginnt die nächste Weidesaison. Und um die „Zukunft der Weidetierhaltung“ geht es den Hannoveraner-Züchtern, die zur Diskussion einladen.
Als im vergangenen Jahr ein junger Hannoveraner nach einem Wolfsangriff auf einer Weide bei Isensee eingeschläfert werden musste, war das auch für die Pferdezüchter ein letzter Weckruf.
Beobachtungen von weiteren Pferdeherden in Aufruhr oder Wolfsspuren im Pferde-Paddock machten die Runde. Wie soll es in diesem Jahr weitergehen?
Stefan Aust übernimmt Moderation
Der Bezirksverband Stade der Hannoveraner-Züchter hat deshalb einen prominent besetzten Info-Abend zu Beginn der Weidesaison auf die Beine gestellt. Der niedersächsische Umweltminister Christian Meyer (Grüne) ist ebenso dabei wie der EU-Parlamentarier der CDU, David McAllister, und Helmut Dammann-Tamke als Präsident des Deutschen Jagdverbandes. Die Moderation übernimmt Medienprofi und Pferdezüchter Stefan Aust.
Am Mittwoch, 10. April, soll es ab 19 Uhr in der Reithalle Wingst-Dobrock um die „Zukunft der Weidetierhaltung“ gehen. Die Zeit drängt, die Weidesaison beginnt. Landvolk, Landwirtschaftskammer und Nabu sind eingeladen, ebenso wie Dr. Hinni Lührs-Behnke als Präsident des Hannoveraner-Verbands, der für die Region zuständige Wolfsberater Michael Ohlhoff und Oberdeichgraf Dr. Albert Boehlke vom Deichverband Kehdingen-Oste.
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Wolfsabweisende Zäune sinnfrei?
Erst am vergangenen Wochenende hatte es einen Wolfsangriff auf Deichschafe im Alten Land gegeben. „Deichsicherheit ist nicht selbstverständlich, das hat dieser Winter gezeigt“, warnt Heinrich Luthmann, stellvertretender Vorsitzender des Stader Bezirksverbands, mit Verweis auf die Fluten im Binnenland. Wie viele andere Weidetierhalter bezweifelt er den Sinn von wolfsabweisenden Zäunen. „Die helfen nicht, der Wolf findet einen Weg.“
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Tierschutz wird gegen den anderen gestellt
Die Weidehaltung von Pferden, Rindern oder Schafen und Ziegen aber ist artgerecht. Pferde brauchen Artgenossen, das Miteinander in der Herde und viel Auslauf. „Wir stellen den einen Tierschutz gegen den anderen“, meint Ira Hagemann, Vorsitzende des Pferdezuchtvereins Kehdingen.
Wird der Zaun so gebaut, dass der Wolf möglichst nicht eindringen kann, kann er für die Pferde auch bei gut sichtbaren Stromlitzen aus anderen Gründen zur Gefahr werden.
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Es besteht Verletzungsgefahr
Die Litzen sind so niedrig über dem Boden vorgeschrieben, dass für die Pferde Verletzungsgefahr besteht, wenn sie sich mit den Hufen oder Beinen verfangen. Hinzu kommt, dass die Weiden in der Kehdinger Weite idealerweise sehr groß sind - dementsprechend aufwendig ist auch die Pflege der Pferdezäune, die bislang nicht gefördert wird. Die Stromzäune so freizumähen, dass sie voll funktionstüchtig sind, ist eine Sisyphos-Arbeit.
Wenn die festen Zäune überhaupt gebaut werden dürfen. Die großen Marschweiden sind schließlich der eigentliche Vorteil der etablierten Hannoveraner-Zucht: „Nicht umsonst sind wir ein Hochzuchtgebiet, weil wir in Kehdingen besonders gut geeignete Bedingungen für die Aufzucht von Pferden haben - im Naturschutzgebiet aber dürfen keine festen Zäune gebaut werden“, so Hagemann.

Der Hannoveraner war auf einer Weide bei Isensee im vergangenen Sommer durch einen Wolfsangriff so schwer verletzt worden, dass er eingeschläfert werden musste. Foto: Wichers
Wölfe überwinden Herdenschutzzaun
Harsche Kritik gibt es auch an den neuen gesetzlichen Regelungen, die einen schnelleren Abschuss auffälliger Wölfe erlauben. Voraussetzung dafür soll eine bestimmte Anzahl von Nutztier-Rissen mit dem jeweiligen Überwinden von Herdenschutz sein.
In der Regel verfügten die Weiden in der Region bislang aber nicht über einen formal ausreichenden Herdenschutz - der Landkreis Stade gilt damit bislang nicht als Wolfsgebiet - trotz der vielen Angriffe auf Schafe und Rinder.
Dass das Misstrauen gegenüber den empfohlenen Herdenschutz-Zäunen zudem nicht unbegründet ist, zeigt das jüngste Beispiel aus dem Alten Land. Dort waren die Schafe wie vorgeschrieben durch einen mobilen Flechtzaun, 1,06 Meter hoch und mit ausreichend Strom von bis zu 3000 Volt geschützt. Trotzdem starben zwei Schafe, acht wurden schwer verletzt.
Wie soll Wolfsmanagement-Verfahren umgesetzt werden
Bei der Diskussion am Dobrock ist auch Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer dabei. Wie das Land das neue Wolfsmanagement-Verfahren umsetzen will und wie die entsprechende Verordnung aussieht, wird Thema sein.
„Wir stellen nicht infrage, dass der Wolf zurück ist - aber nicht in so überproportionaler Zahl“, sagt Ira Hagemann. „Es ist unser Auftrag, sachlich darüber zu sprechen und die Probleme zu benennen.“ Ihre Forderung: „Es braucht eine verbindliche Lösung, an die sich alle halten können.“