Zähl Pixel
Oersdorf

TTierische Therapeuten: Wenn Auetal-Alpakas Kinder zum Sprechen bringen

Die Auetal-Alpakas (von links): Halvar, Mantaro, Nevado und Diamond.

Die Auetal-Alpakas (von links): Halvar, Mantaro, Nevado und Diamond. Foto: Laudien

Von der Sparkassen-Angestellten zur tiergestützten Therapeutin - Anja Claußen-Wittmack setzt in Oersdorf auf die heilsame Wirkung von Ponys, Ziegen und Alpakas. Was die Tiere bewirken können.

Von Susanne Laudien Montag, 21.10.2024, 09:50 Uhr

Oersdorf. „Der Umgang mit den Alpakas ist immer wieder etwas ganz Besonderes. Sie ticken einfach ganz anders als die Ponys oder Ziegen“, sagt Anja Claußen-Wittmaack.

Das Vertrauen der Alpakas müsse man sich erarbeiten. Alpakas sind Distanztiere und daher auch nicht zum Kuscheln geeignet. Obwohl ihr treuer Blick und das plüschige Fell eher das Gegenteil signalisieren. „Als Distanztiere nehmen sie im pädagogischen und therapeutischen Einsatz eine besondere Stellung ein. Mit Druck erreicht man bei ihnen gar nichts - genau wie bei Kindern“, sagt die 56-Jährige.

Ein ganz besonders ergreifendes Erlebnis sei ihr für ewig im Gedächtnis, berichtet die zertifizierte Traumapädagogin: Ein kleiner Junge aus Afghanistan, der nicht mehr gesprochen hat, war in der heilpädagogischen Gruppe der Lebenshilfe. Um die Traumata der Kinder zu bewältigen, hat die Oersdorferin mit Ponys und einem Alpaka namens Lima gearbeitet. Plötzlich habe der kleine Junge dem Alpaka zugewunken und gesagt: „Hallo, Lima!“ „Das hat mir deutlich gezeigt, was die Tiere bewirken können“, sagt Claußen-Wittmack.

Ausbildung in der Traumapädagogik

Früher war die 56-Jährige Sparkassenkauffrau in Harsefeld - bis sie zunehmend ihre Stärken im pädagogischen Bereich erkannte. Nach einer Umschulung mit Erzieherausbildung und Studium sammelte sie Berufserfahrung. Viele Jahre war sie im Wohn- und Tagesstättenbereich für Erwachsene mit körperlichem oder geistigen Handycap sowie in der Eingliederungshilfe für psychisch erkrankte Menschen tätig.

Anja Claußen-Wittmaack mit ihren Auetal-Alpakas.

Anja Claußen-Wittmaack mit ihren Auetal-Alpakas. Foto: Laudien

Die Liste ihrer Zertifikate ist inzwischen lang: Reittherapeutin, Fachkraft für Psychomotorik, Traumapädagogin, Traumafachberaterin, Ausbildung in Traumapädagogik, Weiterbildung für kognitive sowie auch motorische Entwicklungsverzögerung bei Kleinkindern, tiergestützte Gewaltprävention bei Kindern und Jugendlichen, Coach für alpaka- und lamagestützte Aktivitäten.

Defizite durch Computer und Internet

Neben ihrer Arbeit in einem Ahlerstedter Kindergarten bietet die Oersdorfer Erzieherin auf ihrem Hof tierische Begleitung an. Dazu zählen therapeutisches Reiten, pferdegestützte Frühförderung, Aufmerksamkeits- und Konzentrationstraining mit Pferden und Alpakas. Ihre Klienten sind Kinder vom Kindergartenalter bis hin zu Erwachsenen. Die Klienten haben Schwierigkeiten im Kindergarten, in der Schule, Konzentrationsschwächen und Angstzustände.

„Kinder brauchen Tiere“, sagt Anja Claußen-Wittmaack aus ihrer langjährigen Erfahrung. Ihre Ziegen, Ponys und Alpakas seien für die Entwicklung von Kindern von elementarer Bedeutung. „Kindern geht heute vor allem viel durch den ganzen Computerkram verloren“, sagt sie. Als Beispiele nennt die Pädagogin unter anderem Künstliche Intelligenz (KI), die den Menschen die Erfahrung nehme, und Social Media, das bei vielen die Hemmschwelle vermindere. „Die ist mittlerweile so niedrig, dass Kinder sie nicht mehr filtern können.“ Daher möchte die 56-Jährige den Bezug zur Realität über die Natur vermitteln. „Meine Tiere können dabei helfen.“

Sie wollen nicht kuscheln - auch wenn ihr plüschiges Fell und ihr treuer Blick dazu verleiten.

Sie wollen nicht kuscheln - auch wenn ihr plüschiges Fell und ihr treuer Blick dazu verleiten. Foto: Laudien

Neben ihren Ponys und Edelziegen leben vier Alpakas auf dem Hof in Oersdorf: Sie heißen Diamond, Mantaro, Halvar und Nevado. Bei ihren Auetal-Alpakas handelt es sich um eine kleine Herde, die ausschließlich aus männlichen Tieren besteht. „Wichtig ist mir ihr ehrlicher Charakter und ein artgerechtes Verhalten. Das bedeutet auch, dass die Tiere nicht mit sich knuddeln und kuscheln lassen, da dies einfach nicht dem natürlichen Verhalten der Neuweltkameliden (kleiner als Kamele und ohne Höcker) entspricht.“

Angst vor dem Wolf in der Umgebung

An einem sonnigen Oktobertag ruft Anja Claußen-Wittmaack die vier Alpakas, die den Tag auf der großen Weide verbringen. Nachts kommen sie in den Stall. „Der Wolf treibt in unserer Gegend sein Unwesen. Mehrere Wolfsrisse gab es bereits in Reith und Aspe“, erklärt Claußen-Wittmaack. Im Stall legt sie den Alpakas für eine Tour durch den Ort das Halfter an. Die Tiere spitzen neugierig die Ohren und geben brummige Laute von sich. „Sie summen“, erklärt Claußen-Wittmaack. Es seien Kontaktlaute, mit denen sie kommunizieren.

Zum Kennenlernen und als erholsame Auszeit vom Alltag werden Alpaka-Touren durch die Umgebung angeboten. Nach kurzer Einführung darf jeder Teilnehmer ein Alpaka führen. Nach der Rückkehr werden die Tiere versorgt und bei einer kleinen Kaffeerunde besteht die Möglichkeit zum Austausch.

Nebeneffekt der Auetal-Alpakas: Einmal im Jahr werden sie geschoren. Aus dem Vließ entstehen Produkte wie Einlegesohlen und handgesiedete Seifen. Die Farben der Seifen gleichen dem Fell und der Duft ihrem Charakter, sagt Claußen-Wittmaack.

Beige, grau-meliert und schwarz - die Farben der handgesiedeten Seifen, die aus dem Vließ der Auetal-Alpakas hergestellt werden.

Beige, grau-meliert und schwarz - die Farben der handgesiedeten Seifen, die aus dem Vließ der Auetal-Alpakas hergestellt werden. Foto: Laudien

Produkte und Informationen gibt es am Sonntag, 20. Oktober, beim Kunsthandwerkermarkt in Ahrensmoor - sowie auf dem Wittmaack-Hof in Oersdorf und unter auetal-alpakas.jimdosite.com.

Weitere Artikel