TLandesweite Kastrationspflicht: Verordnung lässt weiter auf sich warten

21 Kitten aller Altersklassen warten derzeit im Tierasyl Heimatlos in Wittstedt auf ein Zuhause. Foto: Seelbach
Werden Katzen nicht kastriert, können aus einem Tier innerhalb weniger Jahre Tausende werden. Das Land will deshalb seit bereits einem Jahr eine Kastrationspflicht einführen. Wie ist der Stand?
Bereits vor über einem Jahr - im Juni 2023 - hat der Landtag die Einführung einer landesweiten „Katzenschutzverordnung“ beschlossen. Diese soll die Kastration, Kennzeichnung und Registrierung von Katzen mit Freigang zur Pflicht machen. Damit soll Tierleid verhindert werden. Das Land geht für Niedersachsen von rund 200.000 verwilderten Hauskatzen aus. Auch von den landesweit erfassten rund 575.000 Hauskatzen seien 120.000 nicht kastriert, darunter zahlreiche Freigänger.
Erster Referentenentwurf für Verordnung
Helfen soll eine landesweite Kastrationspflicht. Doch die lässt auf sich warten. Derzeit gebe es einen ersten Referentenentwurf des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums, teilt dessen Pressereferentin Juliane Gau auf Nachfrage mit. „Dieser Entwurf befindet sich aktuell noch in der hausinternen Abstimmung und bedarf anschließend der förmlichen Ressortabstimmung und Verbandsbeteiligung“, so Gau weiter.
Vereinheitlichungen der bisherigen Regelungen
Momentan gebe es landesweit bereits rund 170 ähnliche kommunale Verordnungen. „Mit einer landesweit geltenden, einheitlichen Verordnung möchte die Landesregierung den Flickenteppich der unterschiedlichen Regelungen vereinheitlichen. Entsprechend hoch ist der Klärungsbedarf“, erklärt Gau mit Blick auf das gute Jahr, das bereits seit Beschluss der Verordnung vergangen ist. Es könne deshalb auch noch kein Zeitpunkt genannt werden, wann die Verordnung in Kraft tritt.
Tierschutzvereine arbeiten an der Basis
Das Warten geht weiter. Für die Tierschutzvereine vor Ort, die aktuell wildlebende Katzen einfangen, kastrieren lassen und den entstandenen Nachwuchs aufnehmen. Und dabei viel Katzenleid miterleben. „Vermeidbares Leid. Durch Inzucht zum Beispiel“, wie Claudia Schröder, Leiterin des Tierasyls Heimatlos in Wittstedt erzählt.

Claudia Schröder, Leiterin des Tierasyls "Heimatlos" Wittstedt, begrüßt die landesweite Verordnung, hat aber auch Bedenken. Foto: Seelbach
Aktuell leben dort 21 Kitten und 17 erwachsene Tiere. „Damit können wir gut arbeiten“, so die Tierschützerin. Ob diese „Ruhe“ eine Folge der Kastrationspflicht sei, die es in fast allen Gemeinden, denen das Tierheim gehört, gibt, kann sie aber nicht sagen. „Wir kastrieren wilde Katzen, was das Zeug hält. Und hoffen, dass es so wie in diesem Jahr eher ruhig bleibt, das kann aber auch schon bald wieder ganz anders aussehen“, so Schröder. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr seien es zu dieser Zeit im Tierasyl alleine 68 Kitten gewesen.
Zahlreiche Tiere aus Beschlagnahmungen
Auffällig sei, dass in den vergangenen Jahren die Zahl der Beschlagnahmungen zugenommen habe. Für das Tierheim bedeute das, dass auf einen Schlag nicht eine, sondern auch mal 15 Katzen untergebracht werden müssen. Für das kleine „Dorftierheim“ eine Herausforderung. Auch ausgesetzte Tiere, gerade Mütter mit Jungtieren, zum Beispiel Sporttaschen oder Körben, gebe es immer wieder. Deshalb begrüße sie natürlich die landesweite Kastrationspflicht, die nun kommen soll.
Kontrolle der Pflicht wird Problem bleiben
Schröder weiß aber auch, wie schwer die Kontrolle ist. Gerade bei Katzen auf landwirtschaftlichen Höfen, für die sich deren Besitzer oft nicht zuständig fühlen. „Da werden wir auch mit der Pflicht nur schwer herankommen“, ist sie sich sicher.

Freigängerkatzen müssen künftig in ganz Niedersachsen kastriert und gekennzeichnet sein. Das hat der Landtag beschlossen. Doch die Umsetzung der Verordnung lässt auf sich warten. Foto: Franziska Gabbert
Aber die Tierheimleiterin hat auch Kritik an der geplanten Verordnung, zumindest dann, wenn diese ausschließlich die Kennzeichnung per Chip erlaubt. Denn dieser sei bei wilden Katzen nicht einfach auszulesen. „Wir müssen das Tier dafür einfangen und in Narkose legen. Um dann vielleicht festzustellen, dass es längst kastriert ist.“ Das bedeute nicht nur Aufwand und Kosten, sondern auch Stress für die wilde Katze. „Wenn es hier eine Alternative geben würde, zum Beispiel eine Ohrkerbe, könnten wir schon aus der Ferne erkennen, ob das Tier kastriert ist“, schlägt Schröder vor.
Gemeinden hoffen auf finanzielle Unterstützung
Auch die Gemeinden im Cuxland verbinden Hoffnungen mit der Neuerung. Einige habe bereits eine ähnliche Verordnung. Darunter Geestland, Hagen, Schiffdorf und Loxstedt, wo die Pflicht schon seit 2012 gilt. Deshalb begrüßt Loxstedts Erster Gemeinderat Holger Rasch zwar den landesweiten Vorstoß, geht aber nicht davon aus, dass die geplante Verordnung vor Ort noch einmal viel verändert. Aber auf kommunaler Ebene habe sich durch die Kastrationspflicht viel getan.
„Kastration ist mehr im Bewusstsein der Menschen“
Vor allem im Bewusstsein der Menschen, für die heute eine Kastration viel selbstverständlicher sei und weniger hinterfragt werde, wie Rasch betont. „Das ist eine positive Entwicklung“, so der Erste Gemeinderat.
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Auch wenn es keine messbaren Zahlen gebe, wie er ergänzt. Von der landesweiten Verordnung erhoffe die Gemeinde sich vor allem höhere finanzielle Mittel, um verwilderte Katzen kastrieren lassen zu können. Die hierfür bisher zur Verfügung gestellten Mittel seien nur der berühmte „Tropfen auf den heißen Stein“ gewesen, so Rasch. Und natürlich bleibe die Kontrolle ein schwieriger Punkt, weil man es frei laufenden Katzen eben nicht ansehe, ob sie kastriert sind.
„Nicht alle kennen die bestehende Pflicht“
Auch die Gemeinde Schiffdorf begrüßt den landesweiten Ansatz. Er gehe davon aus, dass eine landesweite Verordnung die Kastrationspflicht noch einmal stärker ins Bewusstsein rufe, so Bürgermeister Henrik Wärner (CDU). Denn in Schiffdorf komme es vor, dass Bürger von der bereits kommunal geltenden Pflicht gar nichts wüssten. Außerdem würde er sich Unterstützung gerade bei den Kontrollen, zum Beispiel auch mit Geräten zum Auslesen der Chips wünschen.
Kosten bleiben ein Thema
Die Stadt Geestland, in der es die Pflicht seit 2015 gibt (in Langen seit 2012) hofft auf finanzielle Hilfe vom Land. Denn bisher würden wild lebende Tiere, die als Fundtiere gemeldet und keinem Besitzer zuzuordnen sind, auf Kosten der Stadt kastriert.

21 Kitten warten derzeit im Tierasyl Heimatlos in Wittstedt auf ein Zuhause. Wie diese circa 12 Wochen alten, aber eher scheuen Katzenkinder. Foto: Seelbach
„Hier stellt sich die Frage, ob sich der Kostenträger mit der neuen Landesverordnung ändert. Mit Blick auf die zahlreichen Aufgaben, die wir als Kommune übernehmen, wären wir natürlich nicht unglücklich, wenn das Land in Zukunft die Kosten tragen sollte“, so Stadtsprecher Merlin Hinkelmann.
Neue Regelung für Wurster Nordseeküste und Beverstedt
Grundsätzlich war in Wurster Nordseeküste eine Kastrationspflicht in den vergangenen Jahren durchaus positiv gesehen, aber nie umgesetzt worden. Deshalb begrüße die Kommune die nun geplanten landesweite Regelung, so der Erste Gemeinderat Michael Göbel. Auch er betont allerdings, dass es wünschenswert wäre, die Gelder für die Kastration wilder Katzen zu erhöhen. Zudem können in seinen Augen „nicht angenommen werden können, dass eine lückenlose Umsetzung und Überwachung möglich sind“, so Göbel. Dem Grundproblem werde aber schon ein Stück weit entgegengetreten. „Es bleibt zu hoffen, dass das Land Niedersachsen hier keine zu hohen Erwartungen an die Gemeinden stellen wird.“
Beverstedt hatte Pflicht 2015 abgelehnt
In Beverstedt war die Einführung einer Kastrationspflicht 2015 abgelehnt worden. Dennoch sei das Ziel der Vermeidung von Tierleid „grundsätzlich zu unterstützen“, so Sprecherin Sarah von Salzen. Es sei aber wichtig, die Tiere zu registrieren, damit die Gemeinde wisse, wie viele Katzen in einem Haushalt leben und ob diese Freigang haben. Hierfür brauche es neben einem Register auch einen Mitarbeiter. Die eigentliche Kontrolle sei die größte Herausforderung. Wie diese aussehen soll, könne die Gemeinde erst sagen, wenn die Verordnung verabschiedet worden sei. Zudem erinnert von Salzen an den wichtigen und geplanten Härtefallfonds, der die Kosten der Kennzeichnung und Kastration für finanzschwache Tierhalter übernehmen soll.