TZevener klebt sich auf Flughäfen fest - „Ich bin echt erschöpft“

Fabian Beese beteiligte sich bei den Blockaden auf der Insel Sylt und klebte sich auch mit Mitgliedern der „Letzten Generation“ auf dem Rollfeld des Flughafens Köln/Bonn fest. Foto: Letzte Generation
Der Zevener Fabian Beese hat sich mit Mitgliedern der „Letzten Generation“ wiederholt auf Flughäfen festgeklebt. Das hinterlässt Spuren bei dem jungen Familienvater.
Zeven. Fabian Beese spricht von Ängsten, Frustration und schlechtem Schlaf. Das Eindringen auf das Flughafengelände in Köln/Bonn hat ihn mitgenommen. Aus Sicht der Aktivisten haben Straßenblockaden und Demonstrationen bisher nicht die gewünschte Wirkung gezeigt, deshalb trifft der Protest Flughäfen - und löst viel Chaos aus.
Für den Zevener ist es ein wichtiges Signal für den Klimaschutz, die Mitglieder der „Letzten Generation“ stehen zu ihren Aktionen, die Klimakrise könne niemand mehr leugnen. „Ich habe mir lange überlegt, ob die bisherigen Aktionen genug Druck ausüben“, erklärt Beese seine Motivation für die Flughafenblockaden.
Diese Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen. „Auch weil ich wusste, dass Schadensersatzforderungen auf uns zukommen können, Haftstrafen stehen im Raum und ich bin dreimal vorbestraft. Das ist alles riskant“, weiß der Zevener.
Wenig Schlaf und Ängste vor Eindringen auf Flughafengelände
Rückblick: Mitten in den Sommerferien hatten sich Klimaaktivisten unbefugt Zutritt zum luftseitigen Bereich des Flughafengeländes Köln/Bonn verschafft und bundesweit für Aufsehen gesorgt. Sie klebten sich auf Rollwegen fest, der Flugbetrieb musste für mehrere Stunden unterbrochen werden. 31 Flüge konnten nicht stattfinden, es kam zu Verspätungen und das an einem Tag, an dem mit 38.000 Fluggästen am Airport gerechnet wurde.
Fabian Beese hat vor der Tat nur zwei Stunden geschlafen, war sehr nervös und hinterher völlig erschöpft. Er erzählt von anderen, denen bei solchen Aktionen kotzübel wird, „weil es so aufregend ist und man nie weiß, was passiert“.
Als gefährlichen Eingriff in den Flugverkehr möchte er das Ganze nicht eingestuft wissen, denn vor Betreten des Geländes haben die Aktivisten die Feuerwehr verständigt und ihr Kommen angekündigt. Also genug Zeit, den Flugverkehr zu unterbrechen, findet der 26-Jährige.
Mit Bolzenschneidern schneiden die Aktivisten ein Loch in den Zaun
Beeses Schilderungen zufolge sind die Aktivisten am Telefon zunächst nicht ernst genommen worden. „Die haben gar nicht verstanden, dass wir nicht durch die Sicherheitskontrolle am Terminal kommen, sondern von außen.“
Quer durchs Gebüsch und mit Bolzenschneidern in den Händen liefen er und seine vier Mitstreiter zum Zaun, schnitten ein Loch hinein, ließen die Gerätschaften liegen, schlüpften durch den Maschendraht und gaben Hackengas - mehrere Hundert Meter durchs Gestrüpp.
„Dann haben wir uns aufs Rollfeld gesetzt, festgeklebt und es passierte nichts. Niemand kam, 25 Minuten saßen wir gefühlt dort und haben überlegt, ob wir noch einmal anrufen müssen.“
Flughäfen, „ein Ort der Ungerechtigkeit“
Darüber ist der Zevener auch heute noch erschrocken. Er hätte nicht gedacht, dass der Plan der „Letzten Generation“ funktioniert. Er hatte eher damit gerechnet, dass die Gruppe noch vor dem Rollfeld gestoppt wird. Sie klebte sich auf Sonderwegen fest, nicht auf wichtigen Start- oder Landebahnen. „Im Nachhinein gesehen, hätten wir uns Zeit lassen können.“
Zunächst trafen Sicherheitskräfte ein, später Polizisten und die technische Einheit, die die jungen Leute von dem Gemisch aus Sand und Sekundenkleber löste. Verletzt wurde niemand, auch an der Haut blieben keine Rückstände.

Fabian Beese engagiert sich mit der „Letzten Generation“ für den Klimaschutz, weil er sich um die Zukunft seines Kindes sorgt. Foto: Harder-von Fintel
Der Protest richtet sich gegen die Politik, die in den Augen der „Letzten Generation“ beim Klimaschutz versagt. Mittlerweile sind allerdings auch Familien mit Kindern und andere Urlauber betroffen. „Klar ist das ärgerlich, da ist man im ersten Moment wütend, aber das muss auch ein Stück weit so sein, damit die Aufmerksamkeit da ist.“
Die Gruppe hat es auf Flughäfen abgesehen, „weil es ein Ort der Ungerechtigkeit ist. Weil dort besonders viele Klimaschäden verursacht werden.“ In der Kritik der Klimaschützer stehen insbesondere Privat- und Inlandsflüge.
Zevener auch bei der Flughafen-Blockade auf Sylt dabei
Bei der Blockade der Privatjets auf dem Flughafen Sylt im August war der Zevener auch dabei. Auch dort sind Mitglieder der „Letzten Generation“ leicht aufs Gelände gekommen, haben jetzt Inselverbot und ein Verfahren am Hals. Ob der Protest an Flughäfen erfolgreich ist, kann Beese nicht sagen. Aber „wir haben schon vieles probiert. Das ist noch der letzte Faden, nach dem ich greife.“
Ihm geht es um die Zukunft seines dreijährigen Sohnes und so vertritt er vehement die Forderung der „Letzten Generation“: Politiker sollen den Ausstiegsvertrag aus fossilen Brennstoffen (Kohle, Öl und Gas) bis 2030 unterschreiben und ernsthaft Klimaschutz betreiben. Die Klimaaktivisten hoffen auf Gespräche mit den Entscheidern in Berlin: Fabian Beese selbst hat einen Brief an Innenministerin Nancy Faeser geschrieben.
Es wäre so einfach, den Protest vonseiten der Politik zu verhindern.
Fabian Beese, Mitglied der „Letzten Generation“
Eine standardisierte Nachricht kam zurück. Damit ist er nicht zufrieden. „Es wäre so einfach, den Protest vonseiten der Politik zu verhindern - indem man handelt und sich an die Klimaziele und Versprechungen hält.“ Laut Beese haben nun zumindest Flughafenverbände der „Letzten Generation“ Gespräche in Aussicht gestellt.
Der eigenen Verzweiflung weiter Ausdruck verleihen
Die Entscheidung, sich auf Rollfelder zu setzen, war keine leichte, denn alle müssen mit empfindlichen Strafen rechnen, erklärt der junge Familienvater. „Jedoch bleibt mir nichts anderes übrig.“ Er möchte seiner Verzweiflung darüber noch mehr Ausdruck verleihen. „Zu groß ist die Sorge, dass mein Sohn keine lebenswerte Zukunft mehr haben wird.“
Die größte Sicherheitslücke sieht Beese nicht am Flughafenzaun, sondern in der Bundesregierung, denn die „zerstört gerade unsere Zukunft und unsere Sicherheit“. Weil ihm vonseiten der Politik zu wenig für den Klimaschutz getan wird, hat er nun mit Greenpeace und Germanwatch die Bundesregierung verklagt.
Zevener ohne Kredit und Handyvertrag
„Wir machen das ja nicht aus Spaß, ich kann mir durchaus etwas Besseres vorstellen. Und ich werde nie wieder einen Handyvertrag abschließen können, nie ein Haus kaufen können. Ich bin eingeschränkt.“ Über die Folgen einer möglichen Schadensersatzforderung und Verschuldung ist sich Fabian Beese im Klaren.
Aber das nimmt er in Kauf. Auch, um sein Gewissen zu beruhigen. „Um zu wissen, ich habe alles gemacht, was ich machen konnte.“ Allerdings glaubt er selbst nicht wirklich mehr daran, dass die „Letzte Generation“ zum Erfolg kommt und das Klima schützen kann.
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Und auch sein Umfeld reagiert kritisch auf seinen Aktivismus. Gerne hat er Fußballspiele mit seinem Fanclub nahe Zeven verfolgt, dort ist er mittlerweile nicht mehr willkommen, sagt er. Auch zu Geburtstagen wird der Zevener kaum noch eingeladen, was ihn erschüttert. „Aber es gibt auch Menschen, die das gut finden, was wir machen. Das gibt mir Hoffnung.“
Umfeld und Arbeitgeber reagieren abweisend
Die Situation sei belastend. „Ich bin echt erschöpft und weiß nicht, wie lange ich mich in dieser Form noch engagieren kann“, erklärt der 26-Jährige. „Vielleicht zerbreche ich daran. Oder muss aufgeben, weil Gerichte mich zu Bewährungsstrafen verurteilen.“ Nach der Aktion am Airport ermittelt nun die Staatsanwaltschaft Köln.
Noch hat der Zevener keinen Brief mit Schadensersatzforderungen erhalten. Die können schnell in die Millionen gehen. Zahlen könnte er das nicht, den Brief dann nur „geschockt“ zur Kenntnis nehmen und „abheften“. Und auch einen Job zu finden, ist für den Zevener schwierig. Auf Bewerbungen folgten bisher nur Absagen.
Flughafengesellschaft hat Strafanzeige gestellt
Die Flughafengesellschaft will die Aktion der „ungebetenen Gäste“ nicht auf sich sitzen lassen. „Der widerrechtliche Zutritt zum luftseitigen Bereich des Flughafens ist absolut inakzeptabel und stellt eine Gefährdung für den Flugbetrieb dar. Von der Unterbrechung waren Tausende Reisende betroffen, von denen viele in den Sommerurlaub starten wollten.
Am Standort finden Ambulanzflüge statt, zudem sind die Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung sowie Rettungshubschrauber in Köln/Bonn stationiert“, so Thilo Schmid, Vorsitzender der Geschäftsführung der Flughafen Köln/Bonn GmbH.
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Der Flughafenbetreiber hat Strafanzeige gestellt und behält sich darüber hinaus Schadensersatzforderungen vor, bestätigt Flughafensprecher Lukas Weinberger. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln dauern an, ein Ergebnis liegt bisher nicht vor.
Beeses Angst vor einer Hausdurchsuchung
Fabian Beese rechnet noch immer mit einer Hausdurchsuchung, das löst Angst und Stress in ihm aus. „Es gibt Leute, die aufgehört haben, weil sie das psychisch nicht mehr gepackt haben“, weiß er.
Über Social Media gehen auch bei ihm immer mehr Drohungen ein. Doch der „Letzten Generation“ den Rücken kehren, das möchte er noch nicht. Es wird weitergehen mit solchen Blockaden, um auf den Klimaschutz aufmerksam zu machen. Gewaltfrei, aber sie sollen wieder für Aufsehen sorgen.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erscheint in Kooperation mit der Zevener Zeitung.