TMänner zur Musterung: Was junge Menschen aus der Region zum Wehrdienst sagen
Sie sind bald im Wehrdienst-Alter: Nikolas Schwebel und Linus Nagel vom Vincent-Lübeck-Gymnasium. Foto: Richter
Freiwillige vor, heißt es ab 2026 für alle nach dem 1. Januar 2008 geborenen. Falls sich nicht genug melden, droht jungen Männern sogar ein Losentscheid. Betroffene aus dem Kreis Stade sagen, was sie davon halten.
Landkreis. Die Truppe soll aufgestockt werden: Knapp 2000 junge Menschen aus dem Kreis Stade bekommen deshalb im neuen Jahr Post. Ein Fragebogen soll Motivation und Eignung zum Wehrdienst erfassen. Frauen dürfen antworten, Männer müssen - auch zur Musterung. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius ist optimistisch, dass er genügend Freiwillige findet, um die Bundeswehr aufzustocken.Aber sollte das nicht klappen, könnte am Ende das Los darüber entscheiden, wer von den Wehrtauglichen zusätzlich eingezogen wird.
Peer Ehlen und Joel Möhrke sind 17. Freiwillig würden sie sich nicht melden - aber wenn das Los auf sie fiele, würden sie Wehrdienst leisten. Foto: Richter
„Wenn das Los auf mich fallen würde, würde ich es schon machen“, sagt Joel Möhrke. Er besucht das Berufliche Gymnasium Sozialpädagogik in Stade, ist 2008 geboren und damit einer von den schätzungsweise knapp 1000 jungen Männern, die im Landkreis Stade im kommenden Jahr auch zur Musterung müssen. Freiwillig würde er sich nicht melden, sagt Joel. Aber: „Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine finde ich es gut, wenn wir uns wehren können.“
Lieber direkt ins Studium als zum Wehrdienst
Das findet auch Peer Ehlen. Doch auch er hat andere Pläne, als sich freiwillig zu melden: „Ich will studieren, am liebsten etwas mit erneuerbaren Energien“, sagt der 17-Jährige, der in Stade das Berufliche Gymnasium Technik besucht. Angesichts der aktuellen Kriege in der Welt denkt er aber, dass es genügend Leute geben muss, die das Land im Ernstfall verteidigen. Zur Not würde er sich bei einem Losentscheid deshalb fügen.
Linus Nagel, 15 Jahre, vom Vincent-Lübeck-Gynasium in Stade, findet Wehrdienst in Ordnung. „Man sollte aber die Option haben, statt Dienst an der Waffe etwas Soziales zu machen – und das sollte auch für Frauen gelten“, sagt er. Sein Mitschüler Nikolas Schwebel sieht das ähnlich. Das Auslosen gefällt ihm aber gar nicht: „Unfreiwillig sollte niemand zum Wehrdienst müssen.“
Der Wehrdienst-Unterschied bei Mann und Frau
Die 17-jährige Neele, die die Berufsbildenden Schulen (BBS) in Stade besucht, findet es „gut, dass wir uns das aussuchen dürfen“. Ihre Mitschülerin Davienne sagt: „Für uns persönlich hat es zwar Vorteile, aber eigentlich ist es ungerecht.“ Und die 18-jährige Sofia, ebenfalls BBS, findet es „völlig überholt, dass nur Jungs das machen müssen“.
Elena Knoop, die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises, sieht das etwas anders: Noch hätten Frauen die Gleichstellung in der Gesellschaft nicht erreicht. Erst wenn das geschafft sei, müssten sie auch beim Wehrdienst gleichgestellt werden. Ganz persönlich sei sie übrigens gegen eine Wehrpflicht – egal ob für Männer oder Frauen.

Elena Knoop, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Stade. Foto: Knoop
Ihre Kollegin Hiltrud Gold, Gleichstellungsbeauftragte der Samtgemeinde Oldendorf-Himmelpforten, die mit Knoop gerade eine Veranstaltung über die gerechte Verteilung von Care-Arbeit in Hannover besucht, ist klar der Meinung, dass der Wehrdienst für Frauen nur freiwillig sein darf: „Frauen leisten ohnehin mehr Care-Arbeit und haben so viele Nachteile in Beruf und Karriere, dass sie nicht auch noch Wehrdienst leisten müssen. Das darf für Frauen nur freiwillig sein.“
Ein ukrainischer Mitschüler spricht aus Erfahrung
„Pflicht ist Pflicht“, sagt dagegen der 17-jährige Joel Cerwiski von der Jobelmannschule. Auch er würde sich nicht freiwillig melden. Er findet die Bundeswehr aber grundsätzlich sinnvoll und hätte kein Problem damit, Wehrdienst zu leisten, wenn es sein müsste. Sein Mitschüler Finn ist der gleichen Ansicht. Er gibt aber zu bedenken: „Für viele ist es ein Problem, dass sie als Soldaten im Ernstfall auch eingezogen werden, um dann wirklich in den Krieg zu ziehen und vielleicht zu sterben.“ Das findet auch Joel bedenklich: „Wenn ich später Kinder habe, will ich sie nicht verlassen müssen. Dann bringe ich lieber die Familie in Sicherheit.“

Sie sind bald im Wehrdienst-Alter: Joel Cerninski, Finn Brunkhorst und Viktor Kosylo von der Jobelmannschule. Foto: Richter
Dass das gar nicht so einfach ist, weiß ihr Mitschüler, der 16-Jährige Viktor Kosylo, aus eigener Erfahrung: Er hat den Beginn des Ukrainekriegs miterlebt, bevor er vor drei Jahren nach Deutschland floh. „Es war schlimm“, sagt Viktor. Wenn er Deutscher wäre, würde er auf jeden Fall Wehrdienst leisten: „Damit mein Land eine sichere Zukunft hat.“
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