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Heimathof Hüll

TMit Poesiealben und Freundschaftsbüchern in Erinnerungen schwelgen

Helga Daß, Tochter Antje Funck und Schwiegersohn Jörg Funck (von links) stöbern in alten und neuen Poesiealben und Freundschaftsbüchern.

Helga Daß, Tochter Antje Funck und Schwiegersohn Jörg Funck (von links) stöbern in alten und neuen Poesiealben und Freundschaftsbüchern. Foto: Helfferich

Ein lieber Gruß, der eigene Spitzname, Aufkleber und Fotos: Poesiealben und Freundschaftsbücher erinnern an vergangene Zeiten. Nun können Besucher in ihnen stöbern.

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Von Susanne Helfferich
Donnerstag, 15.05.2025, 09:55 Uhr

Hüll. In allen vier Ecken soll Liebe drin stecken oder Rosen, Veilchen, Nelken, alle Blumen welken, nur die eine nicht, denn die heißt Vergissmein nicht. Wer kennt sie nicht, die gut gemeinten und in Schönschrift geschriebenen Widmungen in Poesiealben und Freundschaftsbüchern? Am Sonntag, 18. Mai, können ab 14 Uhr Besucher des Heimathofes Hüll in 20 dieser mit Glitzerbildern bestückten Büchlein stöbern und miteinander ins Gespräch kommen.

Schon im 16. Jahrhundert gab es unter Studenten den Brauch, guten Freunden Namen, Wappen und Wahlspruch in ein Stammbuch zu schreiben. Dabei handelte es sich nicht um das Familienstammbuch, sondern um eine frühe Form des Poesiealbums. Die Redensart „Das schreib ich dir ins Stammbuch“ steht dafür, jemandem einen guten Rat mit auf den Weg zu geben. Und es war eine eher männliche Angelegenheit.

Aus Stammbüchern wurden Erinnerungsbücher

Im 18. Jahrhundert kamen zu den Sinnsprüchen auch Widmungen und viele Zeichnungen hinzu, und im Laufe der Zeit wurden aus den Stammbüchern Erinnerungsbücher. Die Blütezeit der Poesiealben soll laut Wikipedia im 19. Jahrhundert gewesen sein, als Mitglieder von literarischen Zirkeln sich gegenseitig mit Versen und künstlerischen Beiträgen in eigens angeschafften Heften verewigten.

Links ein Freundschaftsbuch aus den 70er Jahren, rechts ein Poesiealbum von 1918.

Links ein Freundschaftsbuch aus den 70er Jahren, rechts ein Poesiealbum von 1918. Foto: Helfferich

Anfang des 20. Jahrhunderts begannen immer mehr Kinder in Poesiealben zu schreiben. Die Büchlein - oft mit kleinem Schloss - wurden Lehrern, Pastoren, Verwandten und Freunden mitgegeben, damit sie sie füllen - meist auf der rechten Seite der Text, die linke war Glanzbildchen vorbehalten oder mit Glitzerstift und Lieblingsfarben gestaltet. Glanzbildchen habe es sogar vor Ort bei „Winnetou“, dem Gasthof von Wilfried Bartels, gegeben.

Großvater Daß’ Poesiealbum ist über 100 Jahre alt

Das älteste Poesiealbum, das am Sonntag im Heimathof zu sehen ist, ist aus dem Jahr 1918. Es gehörte dem Großvater von Helga Daß. Die jüngsten Bücher gehören dessen Ur-Ur-Enkeln, den Kindern von Antje und Jörg Funck. Opa Willi Blohm hatte noch in Sütterlin geschrieben, seine Ur-Ur-Enkel füllten vorgedruckte Fragen aus.

Ein Eintrag für die beste Freundin.

Ein Eintrag für die beste Freundin. Foto: Helfferich

Helga Daß hatte zwei Poesiealben: eines als sie Grundschülerin war und ein zweites mit Beginn der Konfirmandenzeit. Während ihre beste Freundin Marlies Ossenbrügge 1962 ihr wünschte: Köstlich sind die Kinderjahre, freu Dich, noch sind sie Dein, keine Träne, keine Plage dringe in dein Herz hinein, klingt der Eintrag ihres Lehrers Hermann Rose vom 18. Oktober 1966 deutlich mahnend: Jedes ernste Streben in eine bestimmte Richtung, jede Anstrengung, sich Kenntnisse oder Fertigkeiten anzueignen, bringt den ganzen Menschen vorwärts.

Freundschaftsbücher verdrängten das Poesiealbum

Auch Jörg Funck hatte als Kind ein Poesiealbum. „Meine Eltern haben es mir geschenkt, als ich neun Jahre war“, erzählt er. Er kann sich nicht genau erinnern, aber wahrscheinlich lag es unter dem Weihnachtsbaum, denn der erste Eintrag ist auf den 24. Dezember 1977 datiert und stammt vom Vater: Dir wünsche ich von Herzen ein glückliches Leben, Gesundheit und Frohsinn auf all Deinen Wegen. Zufrieden sei immer und heiter Dein Sinn, so wandle durchs irdische Leben dahin.
Wenige Jahre nach diesem Eintrag kamen in den 1980er Jahren die ersten Freundschaftsbücher auf den Markt, wie sie Funcks Kinder hatten, 19, 16 und 13 Jahre alt. Diese Bücher sind wie Fragebögen gestaltet und üppig illustriert. Oft füllen Eltern die Bücher aus. Egal ob Stammbuch, Poesiealbum oder Freundschaftsbuch, „gelegentlich nehme ich mein Poesiealbum in die Hand, blättere es durch und erinnere mich“, erzählt Helga Daß. Das wünscht sich die 72-Jährige auch vom Tag der offenen Tür: Dass Besucher sich im Heimathof, Niederhüll 23, erinnern und die ein oder andere Geschichte zu ihrem Poesiealbum erzählen.

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