Zähl Pixel
Küstenschutz

TNach 40 Jahren müssen sie als Deichschäfer aufhören

Fast 40 Jahre lang haben Hilke und Hans-Gerd Strodthoff-Schneider die Deichschäferei am Flügeldeich bei Kleinensiel betrieben. Nun hören sie auf. Das Gelände der Schäferei weicht einem Großprojekt der Energiewende. Tennet baut dort zwei Konverterstationen, um Windstrom von See in Wechselstrom umzuwandeln.

Fast 40 Jahre lang haben Hilke und Hans-Gerd Strodthoff-Schneider die Deichschäferei am Flügeldeich bei Kleinensiel betrieben. Nun hören sie auf. Das Gelände der Schäferei weicht einem Großprojekt der Energiewende. Tennet baut dort zwei Konverterstationen, um Windstrom von See in Wechselstrom umzuwandeln. Foto: Heilscher

Südlich von Kleinensiel ist eine Riesenbaustelle eingerichtet worden. Dort wird ein wichtiger Baustein der Energiewende installiert. Diesem Projekt muss die Deichschäferei weichen. Für die Deichschäfer ein Abschied mit Wehmut.

Von Christoph Heilscher Freitag, 01.11.2024, 07:50 Uhr

Kleinensiel. Fast 40 Jahre lang haben Hans-Gerd (65) und Hilke Strodthoff-Schneider (61) die Schäferei am Kleinensieler Deich betrieben. Ihre 650 Mutterschafe und deren Lämmer weideten zwischen Großensiel und Absen. Damit ist nun Schluss. Die meisten Schafe sind bereits verkauft. Nur noch 30 Tiere stehen auf einer Fläche nahe am Stall. Auch die werden bald ein neues Zuhause bekommen.

Kleinensiel wird Drehscheibe der Energiewende

Kleinensiel wird zu einer wichtigen Drehscheibe der Energiewende. Der Netzbetreiber Tennet baut auf einer 16 Hektar großen Fläche hinterm Deich zwei Konverterstationen. Dort wird von See kommender Windstrom in Wechselstrom umgewandelt und ins Stromnetz eingespeist. Das Areal liegt unmittelbar südlich des KKU-Geländes.

Die Bauarbeiten sind bereits im vollen Gang. Tennet hat 16 Hektar Land vom Deichband gekauft, um dort zwei Konverterstationen zu errichten.

Die Bauarbeiten sind bereits im vollen Gang. Tennet hat 16 Hektar Land vom Deichband gekauft, um dort zwei Konverterstationen zu errichten. Foto: Heilscher

Dort haben Hans-Gerd und Hilke Strodthoff-Schneider bislang das Winterfutter für ihre Deichschafe gemäht und ließen dort die Tiere im Herbst nachweiden. Die Fläche fehlt ihnen nun. Der Deichband hat die gesamten 16 Hektar einschließlich der Schäferei an Tennet verkauft und organisiert die Beweidung der Deiche neu. Die ist wichtig, weil die Tiere mit ihren Hufen den Boden verdichten und damit den Deichen Halt geben.

Deichband baut neue Schäferei in Alse

Die Deichschäfereien Flügeldeich - so heißt die Schäferei bei Kleinensiel - und Sürwürden werden zusammengefasst. Der Deichband baut in Alse eine neue Schäferei für 1500 Tiere. Die soll im kommenden Jahr fertig sein. Jörg Arens wird sie hauptberuflich betreiben.

Hans-Gerd Strodthoff-Schneider und seine Frau Hilke haben die Schäferei stets neben ihren anderen Jobs geführt. Der Schäfer ist im Hauptberuf Bauhofleiter des II. Oldenburgischen Deichbandes, seine Gattin Versicherungskauffrau. Wer so etwas tut, muss gerne arbeiten.

„Zur Lammzeit sind wir fast rund um die Uhr im Stall gewesen“, erzählt Hilke Strodthoff-Schneider. Die Schäfer sind als Geburtshelfer gefordert und bei der Erstversorgung der Lämmer. Die Lammzeit dauert vier bis sechs Wochen. Das hat das Schäfer-Ehepaar nun fast vier Jahrzehnte lang auf sich genommen. Sie hätten gerne noch ein paar Jahre weitergemacht. Nun ist Tennet ihrem Ruhestand als Schäfer zuvorgekommen. Das Ehepaar ist dabei, seine Sachen zu packen. In ein paar Tagen ziehen sie aus. Sie werden künftig in Ovelgönne wohnen.

Sie gehen mit vielen schönen Erinnerungen. Und Wehmut. Trotz der harten Arbeit. „Wir kannten alle 650 Schafe. Wenn ein fremdes dazwischen gewesen wäre, hätten wir das gemerkt“, erzählt Hans-Gerd Strodthoff-Schneider. Und seine Frau Hilke ergänzt: „ Unsere Kinder haben manche Lämmer mit der Flasche gefüttert. Die Lämmer sind hinter uns her gelaufen und die Mutterschafe nach der Geburt zu uns gekommen.“ Die Schafe sind der Familie Strodthoff-Schneider ans Herz gewachsen. Sie werden sie vermissen. „Das ist unser Leben gewesen“, sagt Hilke Strodthoff-Schneider.

Die 650 Schafe aus Kleinensiel sind an verschiedene Schäfereien verteilt worden. Die meisten grasen inzwischen am Niederrhein.

Für Wolle gibt es kein Geld

Wirtschaftlich gesehen liefern Schafe Wolle und Fleisch. Die Wolle war einst ein begehrtes Naturprodukt zur Herstellung von Bekleidung, Decken und vielem mehr. Aber wer in Mitteleuropa trägt schon noch Wollkleidung. Baumwolle und Kunstfasern haben das heimische Produkt weitgehend verdrängt. Das wirkt sich auf den Preis aus. „In den meisten Jahren gibt es kein Geld für die Wolle“, berichtet Hilke Strodthoff-Schneider. Nicht einen Cent. Dennoch müssen die Schafe einmal im Jahr geschoren werden. Das kostet 3 Euro pro Schaf. Die Wolle ist zum Verlustgeschäft geworden.

Besser steht es um den Verkauf des Fleischs. „Die Preise sind derzeit stabil“, sagt der Schäfer. Das liegt auch daran, dass die Verluste durch die Blauzungenkrankheit das Angebot verringert haben. Allein die Strodthoff-Schneiders haben durch die Blauzungenkrankheit mehr als 100 Schafe und Lämmer verloren.

Die Mutterschafe bleiben fünf Jahre in der Herde. Jedes Jahr werden 20 Prozent der weiblichen Jungtiere in die Herde integriert. Die übrigen Jungtiere werden geschlachtet. Familie Strodthoff-Schneider hat Suffolk-Schafe gehalten. „Eine gute Fleischrasse“, sagt Hans-Gerd Strodthoff-Schneider.

Probleme durch Wölfe und Hunde

An den Toren zu den Deichwegen machen Transparente klar, dass Schäfer von Wölfen in Weidegebieten nichts halten. Auch die Strodthoff-Schneiders haben Tiere durch den Wolf verloren. Im Winter weiden die Schafe binnendeichs. „In Schweierfeld hatten wir im Dezember 2023 zweimal Wolfsangriffe. Fünf Schafe waren tot“, berichtet der Schäfer.

Ein anderes Problem sind frei laufende Hunde. Hunde haben einmal 50 Schafe der Strodthoff-Schneiders in einen Graben getrieben. Zehn Schafe wurden von Hunden tot gebissen. „Man darf Hunde in Schafweidegebieten nie frei laufen lassen“, macht Hilke Strodthoff-Schneider deutlich.

Weitere Artikel