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Sternenkind

TNach Schicksalsschlag: Mit Baby Tilda finden diese Eltern zu neuem Glück

Ein schöneres Osterfest können sich Björn und Nora Lenkeit mit ihrer lütten Tilda kaum vorstellen. Denn Tilda ist das fröhliche, gesunde „Regenbogenkind“ nach dem Tod ihres ersten Kindes, Trude.

Ein schöneres Osterfest können sich Björn und Nora Lenkeit mit ihrer lütten Tilda kaum vorstellen. Denn Tilda ist das fröhliche, gesunde „Regenbogenkind“ nach dem Tod ihres ersten Kindes, Trude. Foto: aha

Ihr Geburtstag ist ihr Todestag. Der kleinen Trude ist es nicht vergönnt, zu leben. Die Diagnose „Potter-Syndrom“ schleudert Trudes Eltern Nora und Björn in einen Abgrund. Zwei Jahre später strahlt das Paar: „Dieses Ostern leuchtet hell, mit Tilda.“

Von Susanne Schwan Samstag, 30.03.2024, 20:15 Uhr

Bremerhaven. Tilda ist ein Wirbelwind, sie jauchzt und gluckst vergnügt, krabbelt, beißt auf Spielklötzchen und Holzhasen. Tilda hatte es vor neun Monaten eilig - drei Wochen zu früh drängte es sie auf diese Welt. „Aber sie galt so gerade eben nicht mehr als Frühchen und musste nicht im Krankenhaus bleiben“, erzählt Tildas Papa Björn Lenkeit noch heute erleichtert.

Denn die Angst wich ihm und seiner Frau Nora während dieser Schwangerschaft nicht von der Seele, auch Tilda könnte sich nicht so gesund entwickeln, wie sie soll. „Da war immer im Kopf, dass Tilda auch an diesem Potter-Syndrom leiden könnte“, erzählt Nora Lenkeit, ihre Lütte auf dem Schoß.

Ihre zweite Tochter, „unser Regenbogenkind“, sagt die 27-jährige Bremerhavenerin und strahlt. Das kann sie endlich wieder. Lachen. Froh sein. „Seit wir erfahren hatten, dass Trude wegen dieser sehr seltenen Krankheit nicht lebensfähig ist, war ich in einem so dunklen Tunnel, dass ich dachte, ich werde nie wieder so etwas wie Freude fühlen können.“

Stille Geburt nach 22 Wochen

Trude, das „Sternenkind“. Im Leben, in den Herzen ihrer Eltern bleibt sie das voller Hoffnung und Vorfreude erwartete, geliebte erste Kind.

Als Trude am 13. März 2022 um 20.25 Uhr mit einer „stillen Geburt“ auf die Welt geholt wird, ist sie 22 Wochen jung. Fünfeinhalb Monate. Trude hat keine Nieren. Keine Lunge. „Potter-Syndrom“ wird diese Anomalie genannt, in der durch mangelndes Fruchtwasser die Organe eines Kindes im Mutterleib nicht ausgebildet werden.

In Erinnerung an ihr „Sternenkind“ Trude, bewahren Björn und Nora Lenkeit liebevolle Fotos mit ihrer verstorbenen ersten Tochter auf, auch das kleine Stoffherz und der Glasperlen-Engel sind ihnen kostbare Erinnerungsschätze.

In Erinnerung an ihr „Sternenkind“ Trude, bewahren Björn und Nora Lenkeit liebevolle Fotos mit ihrer verstorbenen ersten Tochter auf, auch das kleine Stoffherz und der Glasperlen-Engel sind ihnen kostbare Erinnerungsschätze. Foto: aha

17 Tage zuvor, am 24. Februar, eröffnet der Arzt Nora Kahlfeld die furchtbare Nachricht. „Bis zu dieser Ultraschalluntersuchung war alles noch normal“, erzählt sie heute. „Dann sah mein Arzt, dass zu wenig Fruchtwasser da ist und etwas mit Trudes Organen nicht stimmt, und hat mich gleich nach Hamburg an die Uniklinik überwiesen.“ Dort klären Untersuchungen, Gen-Tests, Gespräche, ob „Trude noch irgendeine Chance hat, zu leben.“

Es gab für Trude keine Hoffnung

Weil es am Ende vierer von Hoffnung und Resignation durchgerüttelter Tage keine Hoffnung mehr gibt, entschließen sich Nora und Björn, ihrer Tochter an jenem 13. März im Kreißsaal des Klinikums Bremerhaven Adieu zu sagen.

Es sind Momente, die das Paar als kostbaren Schatz des Erinnerns in Bildern aufbewahrt: Auf zart schwarz-weiß getönten Fotos streichelt Nora das winzige Babyköpfchen, über das Björn sich beugt. Ein anderes Bild zeigt Trudes Händchen: Ein Zentimeter-kleiner Engel aus Glasperlen nimmt sich in den filigranen Trude-Fingern geradezu wuchtig aus.

Die Fotos und den Perlen-Engel, der heute das kleine Album verschließt, verdankt das Paar der sensiblen Begleitung durch den Verein Lillebö.

Fotografen, Gips-Bildnerin, Psychologen, Hebammen und viele andere kümmern sich ehrenamtlich und dank Spenden kostenlos um die Familien von „Sternenkindern“, die ihr eben erst begonnenes Leben vor oder nach der Geburt schon wieder verlassen müssen.

„Wir werden die Trude schon schaukeln“: Erfüllt von diesem Vertrauen, richten Nora Kahlfeld und ihr Freund Björn - beide damals angestellt bei Comet in Weddewarden - ihr Leben auf dieses Wunschkind aus, richten ein Kinderzimmer her, kaum dass Nora den Schwangerschaftstest vor Augen hat. Das ist am 8. November 2022.

„Es war klar, dass sie Trude heißen wird“, erzählen beide während des Blätterns im Fotoalbum, auf das Tilda mit ihrem Füßchen patscht.

Furcht und Freude mischen sich

Dass sich Tilda auf die Reise ins Leben macht, erfährt ihre Mama fast auf den Tag genau ein Jahr später als bei Trude - im November 2022.

In die riesige Freude mischt sich die Furcht. „Mein Arzt hat versucht, uns die Sorge zu nehmen, weil er noch nie davon gehört hat, dass sich bei einer Schwangeren diese Anomalie wiederholt. Trotzdem hab ich meine Freude auf Tilda blockiert vor Angst.“

Zu tief saß der Schock ein Jahr zuvor. Zu schwer war der Weg nach Trudes Geburt bis zu ihrer Beisetzung.

„Die erste Zeit nach Trudes Geburt habe ich nicht darüber sprechen können“, sagt Nora. „Wir haben aber gleich danach geheiratet, ganz still und leise unter uns, feiern ging nicht.“

Stattdessen suchen sie einen Ort, an dem sie ihre Trude besuchen können. „Der Gedanke an das Gemeinschaftsgrab auf der Spadener Höhe gefiel uns, dass sie mit anderen Sternenkindern auf dem Weg ist.“ Die sechs Wochen bis zur Beisetzung „waren dunkel, kraftlos“, erzählt Nora Lenkeit leise. „Die Ungewissheit, wo ist Trude denn jetzt? Wohin ist ihre kleine Seele unterwegs?“

Begleitet von ihrer Familie, von engen Freunden, vom Verein Lillebö und den Gesprächen dort, mit Eltern, die auch ihr Kind verloren haben, sieht das Paar allmählich wieder Helles hinter dem Dunkel schimmern.

Und dann kommt Tilda. „Sie ist unser Licht. Jeden Abend um 20.25 Uhr, Trudes Geburtszeit, knuddeln wir uns“, erzählt Nora. „Und sagen zu Tilda: Ein Küsschen für Trude.“

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