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Wesermarsch

TNach Brücken-Crash an der Hunte: Reparatur wird wochenlang dauern

Die Eisenbahnbrücke am Abend nach dem Unfall: Züge fahren nicht mehr, ein Teil des Brückenüberbaus hängt fast im Wasser, die Oberleitungsmasten sind verbogen. Foto: Lars Penning

Die Eisenbahnbrücke am Abend nach dem Unfall: Züge fahren nicht mehr, ein Teil des Brückenüberbaus hängt fast im Wasser, die Oberleitungsmasten sind verbogen. Foto: Lars Penning Foto: Lars Penning

Nach dem erneuten Schiffsunfall auf der Hunte bei Elsfleth steht nun fest: Ein Teil der erst im April installierten Behelfsbrücke muss ersetzt werden. Das hat erhebliche Auswirkungen auf den Zugverkehr. Die Wesermarsch-Häfen sind in großer Sorge.

Von Detlef Glückselig Donnerstag, 25.07.2024, 07:00 Uhr

Landkreis Wesermarsch. Der erneute Schiffsunfall auf der Hunte, bei dem am späten Dienstagnachmittag die Eisenbahnbrücke bei Elsfleth-Orth schwer beschädigt wurde, ist nicht auf einen technischen Defekt an dem Schiff zurückzuführen. Das haben die bisherigen Ermittlungen der Wasserschutzpolizei ergeben.

Eine Befragung des Schiffsführers habe ergeben, dass dieser die Durchfahrtshöhe falsch eingeschätzt hat und deshalb gegen die Brücke gekracht ist, teilt die Pressestelle der Wasserschutzpolizei mit. Wie es zu dieser Fehleinschätzung kommen konnte, bleibt indessen rätselhaft. An der Brücke waren gerade erst die Sicherheitsvorkehrungen verschärft worden, um genau solche Unfälle zu vermeiden.

Bahn: Eines der beiden Brückenteile muss ersetzt werden

Ein Expertenteam der Deutschen Bahn hatte noch am Dienstag begonnen, die an der Brücke entstanden Schäden zu begutachten. Am späten Mittwochnachmittag hat DB-Sprecher Tim Cappelmann das Ergebnis mitgeteilt. Demnach muss der Bahnverkehr zwischen Elsfleth und Berne „bis auf Weiteres“ eingestellt werden.

Das Tankmotorschiff „Naima“ liegt nach der Kollision mit der Eisenbahnbrücke in Elsfleth. Wo einmal das Brückenhaus war, ist nur noch eine Plane zu sehen. Gegen den Schiffsführer wird ermittelt.

Das Tankmotorschiff „Naima“ liegt nach der Kollision mit der Eisenbahnbrücke in Elsfleth. Wo einmal das Brückenhaus war, ist nur noch eine Plane zu sehen. Gegen den Schiffsführer wird ermittelt. Foto: Lars Penning

Nach der Begutachtung durch das Expertenteam steht laut Tim Cappelmann fest, dass eines der zwei erst Ende April eingesetzten Hilfsbrückenteile ersetzt werden muss. Im DB-Brückenlager in Konz bei Trier an der Mosel sei ein solches Brückenteil vorrätig, das nun für den Einbau angepasst und dann nach Elsfleth transportiert werden soll. Zunächst müssten aber der beschädigte Überbau der Brücke sowie die Gleise und die Oberleitungsanlage zurückgebaut werden, so der Sprecher. Er geht davon aus, dass die Arbeiten „mehrere Wochen“ in Anspruch nehmen werden. Einen genauen Zeitplan gebe es noch nicht.

Schäden an der Ersatzeisenbahnbrücke nach der Schiffskollision.

Verbogene Oberleitungsmasten, Schäden an der Unterkonstruktion: So sieht die Ersatzeisenbahnbrücke nach der Schiffskollision am späten Dienstagnachmittag aus. Foto: Wasserschutzpolizei

Fest steht: Die Wesermarsch ist erneut vom überregionalen Zugverkehr abgeschnitten. Die Nordwestbahn informiert auf ihrer Webseite über einen Schienenersatzverkehr auf der Linie RS 4.

Zweiter Brückencrash innerhalb von nur sechs Monaten

Für die Wesermarsch ist die Nachricht von dem erneuten Brücken-Crash ein Schock. Erst in der Nacht auf den 25. Februar war ein 110 Meter langes Binnenschiff mit der Eisenbahnbrücke bei Elsfleth-Orth kollidiert und hatte diese weitgehend zerstört. Die nördliche Wesermarsch war für zwei Monate vom Bahnverkehr abgeschnitten.

Davon waren neben dem Personennahverkehr insbesondere der Seehafen in Brake und der Midgard-Hafen in Nordenham stark betroffenen. Die Schäden, die entstanden, indem die Häfen mit dem Zug nicht mehr erreichbar waren, gehen in die Millionenhöhe.

Am 23. April hatte die Deutsche Bahn eine Behelfsbrücke über die Hunte gelegt. Daraufhin konnten wieder Züge fahren. Doch damit ist es nun erneut vorbei.

So ist es zu der erneuten Kollision gekommen

Das 86 Meter lange Tankmotorschiff „Naima“, das Biodiesel geladen hatte, wollte die Brücke am Dienstag gegen 17 Uhr passieren. Durch die Fehleinschätzung des Kapitäns krachte das unter deutscher Flagge fahrende Schiff gegen die Behelfsbrücke. Dabei wurde das Ruderhaus fast komplett abgerissen. Die Wasserschutzpolizei ermittelt nun gegen den Schiffsführer. Der Tatvorwurf lautet „Gefährdung des Bahn-, Schiffs- und Luftverkehrs“.

Diese Sicherheitsvorkehrungen gibt es an der Eisenbahnbrücke

Auf der Hunte gab es im Bereich der Eisenbahnbrücke schon vor dem Unfall Ende Februar Sicherheitsvorkehrungen und Orientierungsmöglichkeiten für Schiffsführer. Sie bestehen laut Joachim Niezgodka, Fachgebietsleiter Schifffahrt beim Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) Weser-Jade-Nordsee, aus einem sogenannte Vorpegel, der sich einige hundert Meter vor der Brücke befindet. Hier kann sich ein Schiffsführer eine erste Orientierung über den aktuellen Pegelstand der tideabhängigen Hunte verschaffen und abschätzen, ob die Durchfahrtshöhe für ihn reicht. Direkt an der Brücke gibt es einen weiteren Pegelstandanzeiger.

Außerdem steht der Schiffsführer in Kontakt mit der Seeverkehrszentrale Bremen-Hunte-Traffic, die ihn mit allen notwendigen Informationen für ein sicheres Unterfahren der Brücke versorgt. Kommt der Kapitän zu dem Ergebnis, dass die Durchfahrtshöhe nicht ausreicht, kann er an Dalben festmachen, um abzuwarten, bis der Wasserstand ausreichend gesunken ist.

Nach Crash im Februar „Wahrschaudienst“ an Brücke installiert

Nach dem Crash Ende Februar waren die Sicherheitsvorkehrungen noch verschärft worden. Dabei handelte es sich laut Joachim Niezgodka um Anforderungen, die das WSA an die Deutsche Bahn gestellt hatte. So erhielt der Hauptträger der Behelfsbrücke einen signalgelben Anstrich. Die Pegelanzeiger werden seit dem Unfall angestrahlt. Und direkt an der Brücke wurde ein sogenannter Wahrschaudienst installiert. Den leistet ein Nautiker, der über den Funk-Kanal 73 mit dem Schiffsführer in Kontakt tritt, sobald sich dieser der Brücke nähert, und mit ihm die Durchfahrt abzustimmen.

Dass all diese Maßnahmen am Dienstag nicht gefruchtet haben, wundert auch Georg Tramontin. Die Bahnbrücke bei Elsfleth gelte nicht als eine besondere Gefahrenstelle, sei „eine Brücke wie jede andere“, sagt der Pressesprecher der Wasserschutzpolizeiinspektion Oldenburg.

Die Behelfsbrücke über die Hunte wurde bei der Kollision schwer beschädigt. Ein Brückenteil muss ersetzt werden.

Die Behelfsbrücke über die Hunte wurde bei der Kollision schwer beschädigt. Ein Brückenteil muss ersetzt werden. Foto: Lars Penning

Das sind die Sorgen der Hafenbetreiber in Brake und Nordenham

Unterdessen sind die Betreiber der Häfen in Brake und Nordenham in großer Sorge - nicht nur wegen drohender weiterer Umsatzverluste, sondern auch, weil sie befürchten, dass nach dem erneuten Schiffsunfall dauerhaft Kunden abspringen.

„Wir haben das letzte Desaster kaum verdaut, da kommt der nächste Tiefschlag“, stöhnt Andreas Sichau, Geschäftsführer von Rhenus-Midgard in Nordenham. Wie Uwe Schiemann, Sprecher des Hafenunternehmens J. Müller in Brake, sieht auch er die Gefahr, dass Kunden zu anderen Häfen abwandern, weil ihnen in der Wesermarsch durch die starke Abhängigkeit von der Schiene das Risiko eines Ausfalls zu groß ist. Andreas Sichau: „Der erneute Unfall ist tödlich für das Vertrauen der Kunden in unsere Infrastruktur.“

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel ist in Kooperation mit der Kreiszeitung Wesermarsch erschienen.

Die Eisenbahnbrücke am Abend nach dem Unfall: Züge fahren nicht mehr, ein Teil des Brückenüberbaus hängt fast im Wasser, die Oberleitungsmasten sind verbogen. Foto: Lars Penning

Die Eisenbahnbrücke am Abend nach dem Unfall: Züge fahren nicht mehr, ein Teil des Brückenüberbaus hängt fast im Wasser, die Oberleitungsmasten sind verbogen. Foto: Lars Penning Foto: Lars Penning

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