Zähl Pixel
Geschäftsaufgabe

TNoch zweimal Weihnachten: Dann schließt dieses beliebte Kaufhaus in Harsefeld

Ein Weihnachtsfenster wie aktuell bei Quast wird es dort nächstes Jahr wohl nicht mehr geben.

Ein Weihnachtsfenster wie aktuell bei Quast wird es dort nächstes Jahr wohl nicht mehr geben. Foto: Fehlbus

Plattgedrückte Kindernasen am Schaufenster mit Spielzeug: In Harsefeld erwartet nicht nur die jüngsten Kunden im nächsten Jahr ein harter Einschnitt.

author
Von Miriam Fehlbus
Samstag, 06.12.2025, 07:00 Uhr

Harsefeld. Unzählige Kinder haben schon staunend vor den Schaufenstern des Kaufhauses Quast in Harsefeld gestanden und sich die dort ausgestellten Puppenwagen, Eisenbahnen oder Bausätze gewünscht. Manche Eltern, die später hier Schulranzen für den Nachwuchs aussuchten, wurden in einem Kinderwagen, der im Laden der Familie Quast gekauft wurde, durch die Straßen geschoben. „Lange bevor ich das Geschäft 1989 übernommen habe, hatten wir noch viel mehr im Angebot“, sagt Heinrich Quast.

Carola und Heinrich Quast werden ihr Geschäft in der Marktstraße Ende 2026 aufgeben. Der Entschluss steht fest, auch wenn bis dahin noch viele Monate Zeit sind.

Carola und Heinrich Quast werden ihr Geschäft in der Marktstraße Ende 2026 aufgeben. Der Entschluss steht fest, auch wenn bis dahin noch viele Monate Zeit sind. Foto: Fehlbus

Düngemittel, Saaten, Kohlen, Porzellan, Haushaltswaren, sogar Hammer, Wasserwaage und Bettdecken gab es bei Quast einst zu erstehen. Heute werden auf drei Stockwerken vor allem Damenmode, Geschenkartikel und Spielsachen verkauft. Schulranzen runden das Angebot ab. Wahrscheinlich kann sich kaum ein Harsefelder vorstellen, dass es 2027 hier nicht weitergehen soll.

1889 begann die Geschichte des Familienunternehmens

„Es gibt niemanden, der das Geschäft übernimmt. Wir haben gesucht, aber niemanden gefunden“, sagt Carola Quast. Damit endet die Geschichte eines Familienunternehmens.

Begonnen hat sie 1889, also 100 Jahre vor der Übernahme durch den heutigen Inhaber. Damals kaufte der Großvater von Heinrich Quast, Amandus Quast, gemeinsam mit seinem Bruder Heinrich Martin Quast den Geschäftsbereich von Jacob Katt ab.

Das Haus in der Marktstraße beim Umbau zum Geschäftshaus 1919.

Das Haus in der Marktstraße beim Umbau zum Geschäftshaus 1919. Foto: privat

Der Laden zog von dem Kattschen Haus schräg gegenüber ins heutige Gebäude um. Seitdem wurde mehrfach zugekauft und vergrößert, regelmäßig modernisiert, an- und umgebaut. Der Eingang wurde von der Straßenfront auf die Ecke zur Wilhelmstraße verlegt. „Damit können die Kunden ohne Stufen ins Geschäft kommen“, erklärt Heinrich Quast.

Geburtstagskisten im Spielzeugparadies

Stufen sind indes für die Jüngsten kein Problem. Viele Kinder stürmen schnell die Treppe hinauf, wissend, dass im ersten Obergeschoss eine Welt wartet, die ihnen Vorfreude zum Anfassen auf Weihnachten oder Geburtstag ermöglicht. Dort finden sie Puppen, Gesellschaftsspiele, Plastikfiguren und Autos, das modernste Spielzeug mit Pokémon-Sammelkarten bis zum Strategiespiel oder die Eisenbahn aus Holz.

In einem Raum stehen Kisten mit Namenszetteln. Wer in der Samtgemeinde Harsefeld oder in den angrenzenden Orten Kindergeburtstag feiert, hat nicht selten als Hinweis auf den Geschenkwunsch eine „Kiste bei Quast“ auf der Einladungskarte stehen. Dort legen die Geburtstagskinder das rein, was sie sich von ihren Gästen wünschen. Wer etwas schenken möchte, kann hier fündig werden und das Passende kaufen. So bleibt es eine Überraschung, wer am Ende was überreicht - Enttäuschung ausgeschlossen.

Manche fahren extra lange Strecken nach Harsefeld

Ein besonders beliebter Anziehungspunkt ist die Damenmode-Abteilung bei Quast. Die Kundinnen kommen teilweise von weit her, um die von Corinna Oetzel mit Liebe zum Detail ausgesuchten Fashion-Styles, Accessoires und Geschenkartikel zu entdecken, erzählt Carola Quast.

Es gibt niemanden, der das Geschäft übernimmt, wir haben gesucht, aber niemanden gefunden.

Carola Quast

Es gebe sogar eine Freundinnen-Gruppe, die regelmäßig eine Autostunde Fahrt auf sich nimmt, um sich bei Quast modisch verwöhnen zu lassen. Die Mitarbeiterinnen beraten mit viel Freude in einer besonderen Atmosphäre.

News gibt es auf Instagram bei modehausquast.

Der Eingang wurde später auf die Ecke Marktstraße und Wilhelmstraße verlegt.

Der Eingang wurde später auf die Ecke Marktstraße und Wilhelmstraße verlegt. Foto: Fehlbus

„In meiner Anfangszeit hatten wir auch noch Herrenmode“, sagt Heinrich Quast. Die Konzentration auf die Damenmode habe dem Geschäft aber gutgetan.

Aus Altersgründen: „Irgendwann muss mal Schluss sein“

Das Ehepaar Quast hat damit geschafft, was vielen großen Häusern in den Städten nicht gelungen ist: Sie konnten dank ihres Konzepts, ihrer engagierten Mitarbeiterinnen und durch großen persönlichen Einsatz mit dem Online-Markt mithalten. Es gibt nur einen Grund, warum sich die Türen für immer schließen werden: „Irgendwann muss mal Schluss sein“, sagt Heinrich Quast. Es fällt dem 78-Jährigen hörbar schwer.

Das Geschäft hatte das Schaufenster und den Eingang zur Marktstraße.

Das Geschäft hatte das Schaufenster und den Eingang zur Marktstraße. Foto: privat

Die Fragen nach einem Ort für Geburtstagskisten und Schulranzen werden in Harsefeld ab 2027 anders beantwortet werden müssen. Gleichzeitig wird es in der Marktstraße darum gehen, wie der Publikumsmagnet Quast ersetzt werden kann. Die Filiale des Familien-Textilunternehmens Ernsting’s family, das benachbarte Eiscafé, die Bücherstube und das Modehaus Quast sind ein wichtiger Anlaufpunkt in Harsefeld. „Wir haben uns immer gegenseitig befruchtet“, sagt Heinrich Quast. Jeder ist dabei ein Stück weit zum Frequenzbringer für den anderen geworden.

Ein Jahr Mode und das letzte Weihnachtsschaufenster

Was ihnen fehlen wird? „Die Kinder, wenn sie mit glänzenden Augen im Laden stehen und sich Spielzeug aussuchen“, sagt Carola Quast. Das seien Momente, wo sie es sich heute immer noch nicht vorstellen können, aufzuhören. Aber die Entscheidung ist gefallen. Einmal Weihnachten und einmal Weihnachtsschaufenster, einen Schulranzen-Jahrgang und einmal Frühjahrs-, Sommer- und Herbstmode wird es bei Quast noch geben. Dann geht langsam und mit Vorankündigung eine Tradition zu Ende.

„Wir werden in Harsefeld wohnen bleiben“, sagt Carola Quast, die aus der Gemeinde Rosengarten stammt. Die gemeinsamen Kinder leben inzwischen weiter weg. Aber Heinrich und Carola Quast sind in Harsefeld tief verwurzelt.

Nach 137 Jahren schließen die Türen für immer

Ihr Wunsch für das gemeinsame Lebenswerk: „Dass alle bis zum letzten Tag zu uns kommen und bei uns einkaufen.“ Rein statistisch hätte dann jeder im Landkreis in 137 Jahren die Chance gehabt, zu Quast in Harsefeld zu kommen, sagt Carola Quast und lächelt.

Die Redaktion empfiehlt
Weitere Artikel