Zähl Pixel
Norddeutschland

TObdachloser rettet Hund vor Gewalt

Mino gibt Schlinki die Zuneigung, die das Tier sein Leben lang nicht bekommen hat.

Mino gibt Schlinki die Zuneigung, die das Tier sein Leben lang nicht bekommen hat. Foto: Glückselig

Mino ist obdachlos. Schlinkli ist sein Hund, eine geschundene Seele, die er gerettet hat. Über den Winter sind beide in einer Notwohnung in Butjadingen untergekommen. Dort schreibt Mino - an einem Buch.

Von Detlef Glückselig Sonntag, 28.01.2024, 06:00 Uhr

Butjadingen. An dem Tag, als Jimi Hendrix starb, dem 18. September 1970, erblickte Bernd Michael Norek das Licht der Welt. Mino, wie ihn die meisten nennen, erzählt das gerne. Vielleicht ist das Zusammentreffen der beiden Ereignisse der Grund dafür, dass er, Linkshänder wie es auch Hendrix war, den Blues spielt. Vielleicht hat das eine mit anderen aber auch nichts zu tun.

Mino ist wohnungslos. Seit dem Sommer 2023 lebt er auf der Straße. Um den Winter zu überstehen, ist er jetzt in einer Notwohnung in Butjadingen untergekommen. Dort schreibt er an einem Buch. Über eine wundersame Reise mit Schlinki, seinem Hund, der ein trauriges Leben hatte. Über Begegnungen mit Menschen. Und mit Tieren wie dem blinden Hecht, den er irgendwo unterwegs traf.

Sein letzter Job: Bassist in einer inklusiven Band

Mino wurde in Nürnberg geboren, hat aber immer in kleinen Dörfern gelebt. „Ich bin ein echtes Landei“, sagt er. Mino ist gelernter Heilpfleger. Seinen letzten Job hatte er als Bassist einer inklusiven Band. Mit der hat er sogar eine Schallplatte aufgenommen, in Berlin.

Aus seiner letzten festen Wohnung wurde Mino herausgeklagt, wegen Eigenbedarfs des Vermieters. Der Schlüssel wurde ihm abgenommen. Er kam nicht mehr in die Wohnung, musste alles zurücklassen - Bilder, die er gemalt, Skulpturen, die er gefertigt hatte.

In einem Schloss und einem alten Mercedes-Bus gewohnt

Mino ging in den Odenwald; dort überließ ihm ein Kumpel eine alte Gitarre. Zeitweise wohnte er in einem Schloss, das ein anderer Kumpel geerbt hatte. Als er noch mit der Band unterwegs war, war ein alter Mercedes-Bus sein Zuhause, mit dem er mit seiner damaligen Freundin auf einem Campingplatz stand. „Wir hatten sogar ein Festnetztelefon“, erzählt Mino.

Vor der Corona-Pandemie kam Mino in einem Ferienhaus in Mittelfranken unter. Dort lernte er Schlinki kennen. „Die einzige Sprache, die er versteht, ist Prügel“, hat Schlinkis damaliger Besitzer über den Hund gesagt. Schlinki hatte zwei Halsbänder. Das eine verpasste ihm jedes Mal einen Stromschlag, wenn er bellte. Das andere zog sich um seine Kehle, wenn er an der Kette zerrte, an der er sein trauriges Leben fristete.

Schlinki liegt friedlich auf einer Decke. "Die einzige Sprache, die er versteht, ist Prügel", hat sein früherer Besitzer gesagt. Mino hat den Hund gerettet.

Schlinki liegt friedlich auf einer Decke. "Die einzige Sprache, die er versteht, ist Prügel", hat sein früherer Besitzer gesagt. Mino hat den Hund gerettet. Foto: Glückselig

Mino pflegte den Hund, baute eine Beziehung zu ihm auf. „Gewalt erzeugt Gewalt“, sagt Mino. Schlinki biss alles, was ihm in den Weg kam. Heute kann Mino den Hund mitten in einem Bus ablegen. Alle Fahrgäste steigen über ihn rüber, und es passiert nichts.

Dreieinhalb Jahre lebte Mino in dem Ferienhaus in Mittelfranken. Dann flog er raus. Er nahm Schlinki mit. Der Vorbesitzer bezichtigte ihn des Diebstahls und schaltete die Polizei ein. Die Beamten sprachen den Hund Mino zu, nachdem sie die Vorgeschichte gehört hatten.

Mit fast nichts immer weiter gen Norden

Der 13. Juli 2023 war ein warmer Tag. Es war der Tag, an dem Mino sein Dach über dem Kopf verlor. Er stand in kurzen Hosen, im T-Shirt und mit Flipflops an den Füßen auf der Straße. In der Tasche sein Ausweis und ein bisschen Geld, neben ihm Schlinki. Die beiden ließen das Ferienhaus, in dem der Hund so viel Schlimmes erlebt hatte, hinter sich. So begann ihre Reise.

„Ich war lange nicht mehr am Meer, Schlinki noch nie“, erzählt Mino, warum er sein letztes Geld zusammenkratzte, für sich und den Hund ein Zugticket kaufte und sich gen Norden durchschlug.

Mino und seine Gitarre. Er hat das Instrument von einem Kumpel im Odenwald überlassen bekommen.

Mino und seine Gitarre. Er hat das Instrument von einem Kumpel im Odenwald überlassen bekommen. Foto: Glückselig

Mino hat inzwischen ein Fahrrad. Den Anhänger für den Hund schenkte ihm eine Frau in Ostfriesland. Immer die Küsten entlang kamen er und Schlinki hoch nach Butjadingen. Die beiden schliefen, wo immer sich ein halbwegs geschützter Platz dafür fand. Bis es nicht mehr ging, weil es einfach zu kalt wurde. Um nicht zu erfrieren, sprang Mino über seinen Schatten und wandte sich an die Gemeinde.

„Ich brauche keinen Hund, aber den schon“

„Ich bin kein Landstreicher aus Passion“, sagt Mino und betont, dass er niemandem zur Last fallen wolle, ganz sicher nicht der Typ sei, der sich mit dem Spruch „Haste mal ‚ne Mark?“ an die Straßenecke stellt. Gleichwohl ist er froh über die bescheidene Unterkunft, die ihm die Gemeinde nun gestellt hat. In einer Wanne mit heißem Wasser zu liegen, und sei sie noch so alt, das ist für ihn purer Luxus. Schlinki hat einen festen Platz zum Schlafen. „Ich brauche keinen Hund, aber den schon“, sagt Mino, kniet sich neben Schlinki und krault ihm die Schnauze. „Du bist ein Guter“, sagt er zu Schlinki.

Bernd Michael Norek, den alle nur Mino nennen, schreibt an einem Buch. Bislang hat er jedes verfügbare Stück Papier dafür genutzt. Inzwischen hat er ein altes Laptop.

Bernd Michael Norek, den alle nur Mino nennen, schreibt an einem Buch. Bislang hat er jedes verfügbare Stück Papier dafür genutzt. Inzwischen hat er ein altes Laptop. Foto: Glückselig

Die Unterkunft ist kein Königreich. Ein altes Sofa, zwei Stühle, ein Schrank, auf dem Boden eine zusammengerollte Matratze. Und überall vollgeschriebene Zettel. Jedes Stück Papier, das zur Verfügung stand, sogar die Deckel von Büchern, hat Mino mit den Gedanken für sein Buch vollgeschrieben. Seit ihm ein Gegenübernachbar ein altes Laptop geschenkt hat, ist alles etwas leichter. Jetzt kann er seine handschriftlichen Notizen in den Computer übertragen.

Gedichte von Michael Ende vertont

Er sei manisch kreativ, sagt Mino von sich selbst. Und so schreibt er, greift dann zur Gitarre, um eine seiner Vertonungen von Gedichten Michael Endes oder eben einen Blues zu spielen, schließlich wieder zu schreiben oder einen der Zettel hervorzukramen, auf denen er sich Notizen gemacht.

Einer dieser Zettel hängt an Minos Pinwand. Darauf hat er einen klugen Satz festgehalten, der ihm zum Lebensmotto geworden ist: „Stärke die Stärken, damit schwächst du die Schwächen. Schwächst du Stärken, stärkst du die Schwächen.“ Der Mann aus Mittelfranken hat viele Stärken. Und das letzte Kapitel der Geschichte von Mino und Schlinki ist noch längst nicht geschrieben.

Dieser Spruch, der auf einem Zettel an der Pinnwand hängt, ist zu Minos Lebensmotto geworden.

Dieser Spruch, der auf einem Zettel an der Pinnwand hängt, ist zu Minos Lebensmotto geworden. Foto: Glückselig

Weitere Artikel