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Lichterfahrten

T„Ohne Bauern geht es nicht!“ - Trecker-Konvoi als leuchtender Protest

Bunt beleuchtete Trecker machten sich am Sonnabend bei Dämmerung auf den Weg über die Stader Geest.

Bunt beleuchtete Trecker machten sich am Sonnabend bei Dämmerung auf den Weg über die Stader Geest. Foto: Hendrik Hauschildt

Bunt beleuchtete Trecker rollen in der Vorweihnachtszeit durch den Landkreis und werden von der Bevölkerung gefeiert. Dahinter steckt eine ernste Botschaft.

Von Susanne Laudien Sonntag, 08.12.2024, 19:15 Uhr

Harsefeld. Das Spektakel hielt, was es versprochen hatte: 81 Fahrzeuge rollten am Sonnabend zum Lichterfahrten-Auftakt durch den Landkreis. In Harsefeld wurde der Konvoi nur kurz gestoppt. Um 15.45 Uhr begann das große Trecker-Sammeln in Ahlerstedt beim Landmaschinenhändler Schröder, ab 16.10 Uhr sollten die Motoren starten.

Schlepper-Kolonne zog Schaulustige an die Straßen

Zahlreiche Schaulustige waren mit Beginn der Abenddämmerung an den Straßen rund um den Startplatz versammelt. Auch eine Handvoll Autos schloss sich den demonstrierenden Landwirten an - stilecht mit Rundum-Beleuchtung. Der Konvoi kam - begleitet von der Polizei - gut voran, erreichte Harsefeld schon vor 17 Uhr. Dort kamen die Schaulustigen direkt vom Winterzauber im Klosterpark an die Herrenstraße, um dem Treiben beizuwohnen.

Anton, neun Jahre alt, kam gerade mit seinem Opa aus dem Kino in Harsefeld. Sie eilten durch den Klosterpark, um schnell einen Blick auf die Trecker zu erhaschen. Wie Antons strahlten auch Erikas Augen. „Mir gefällt es, dass die Trecker so toll geschmückt sind“, erzählte die Achtjährige. Ihre Lieblingstrecker? Diejenigen, die auch noch Weihnachtslieder spielten. Da kam Weihnachtsstimmung auf kurz vor dem 2. Advent.

Sören Baumgarten (links) und Gerd König wollen auf die Lage der Bauern aufmerksam machen.

Sören Baumgarten (links) und Gerd König wollen auf die Lage der Bauern aufmerksam machen. Foto: Laudien

Drei weitere Lichterfahrten 2024 geplant

Der Konvoi setzte seine Fahrt anschließend über Fredenbeck, wo die Feuerwehr die Landwirte begrüßte, und Deinste fort; durch den Rüstjer Forst ging es in Richtung B73 und erstmals durch Horneburg. Endstation war in Bliederdorf auf einem Feld, wo Schaulustige einen weiteren Gesamtblick erhalten konnten.

Und es gibt in diesem Dezember noch weitere Chancen, eine Lichterfahrt durch den Landkreis zu sehen. Drei weitere Touren sind geplant, die finalen Routen jedoch noch unter Verschluss gehalten: am 15. Dezember mit Start in Tostedt und dann durch den Landkreis Harburg; am 21. Dezember mit Beginn in Buxtehude und durch den Stader Südkreis; am 22. Dezember startet die Abschlussfahrt aus Apensen.

Für die nächsten Touren durch den Landkreis gibt es aktuell nur mündliche Zusagen. Es könnte noch Routenabweichungen geben, teilen die Organisatoren der Funkencrew wie André Borris für die Geest und Sören Baumgarten für das Alte Land mit. Jedes Jahr seien die kurzfristigen Genehmigungen vom Land Niedersachsen ein Problem. „Es sind Demo-Touren“, betont Baumgarten. Dadurch entfielen Hürden wie Absperrungen, Versicherung und straßenbehördliche Erlaubnis.

André Borris aus Golbeck organisierte bereits im vergangenen Jahr die Trecker-Tour auf der Geest.

André Borris aus Golbeck organisierte bereits im vergangenen Jahr die Trecker-Tour auf der Geest. Foto: Susanne Laudien

2019 holte der 30-Jährige die Idee der Lichterfahrten in den Landkreis Stade, entstanden aus dem Protest der „Land schafft Verbindung“-Gruppen. „Anfangs starteten wir mit einer Handvoll Trecker, um Kindern in der Corona-Zeit eine Freude zu machen.“ Dieses Jahr rollen bis zu 120 aufwendig geschmückte Fahrzeuge durch die Gemeinden.

Gerd König ist seit der ersten Stunde dabei - und nicht mehr zu bremsen. Mehre Stunden hat er gebraucht, um seinen Trecker mit Lichterschläuchen, Zipfelmützen und blinkendem Schneemann zu schmücken. Am Sonnabend fuhr der Obstbauer im Trecker-Konvoi nicht nur durch den Landkreis, sondern sogar nach Hamburg über die Mönckebergstraße bis zum UKE in Eppendorf.

Mit Leuchten und Figuren: Mehrere Stunden hat Gerd König seinen Trecker für den Konvoi geschmückt.

Mit Leuchten und Figuren: Mehrere Stunden hat Gerd König seinen Trecker für den Konvoi geschmückt. Foto: König

Spenden für krebskranke Kinder und Feuerwehren

Im vergangenen Jahr kamen dank der Lichterfahrt für die UKE-Kinderkrebsstation Spenden von über 50.000 Euro zusammen. Auch für den Landkreis Stade gibt es dieses Mal wieder wohltätige Zwecke: „Spenden gehen an die Jugendfeuerwehren im Elbe-Weser-Dreieck und den ASB-Wünschewagen, der schwer kranken Menschen einen Wunsch erfüllt“, sagt Sören Baumgarten.

„Die Lichterfahrten sind aber in erster Linie unsere charmante Art der Demonstration, um auf die schwierige Lage der Landwirte aufmerksam zu machen“, sagt Baumgarten. Bürokratie, Pflanzenschutzverordnungen und Mindestlöhne sorgen für immer größere Hürden „Die Auflagen machen uns das Leben schwer. Deutschen Landwirten werden zudem höhere Standards als in anderen EU-Ländern abverlangt“, beklagt Baumgarten.

Sören Baumgarten holte die Lichterfahrten in den Landkreis Stade.

Sören Baumgarten holte die Lichterfahrten in den Landkreis Stade. Foto: Laudien

Kleine Höfe finden keine Nachfolger

Die Wirtschaftlichkeit sei in vielen Betrieben nicht mehr gegeben - und die Folgen bereits spürbar: Immer mehr Betriebe geben auf. „Die Landwirtschaft stirbt leise aus“, sagt Baumgarten. In der unmittelbaren Nachbarschaft von Gerd König gebe es neun kleinere Höfe, die keinen Nachfolger haben. Jüngeren Leuten sei das Risiko und die Verantwortung für die Selbstständigkeit zu hoch, begründet König.

Die Forderung der Landwirte: ein Kurswechsel der Agrarpolitik. Dazu gehören EU-weite Standards sowie ein wissenschaftlich fundierter Einsatz von Pflanzenschutzmitteln - aber auch höhere Wertschätzung und Akzeptanz für die Landwirtschaft. „Wir versorgen die Bevölkerung nicht nur mit Lebensmitteln, sondern leisten auch Naturschutz, sonst hätten wir hier überall eine Distel- und Brennnessel-Wüste, wenn wir die Felder nicht beackern“, sagt König.

Biologische Methoden statt Chemiekeule

Die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln ist ein großes Thema. Das betrifft den Anbau von Kartoffeln, den aktuell schwierigen Rübenanbau sowie auch den Qualitätsweizen. „Deutschland ist nicht mehr in der Lage, sich selbst mit Brotgetreide zu versorgen“, sagt Baumgarten.

„Die Landwirtschaft kann sich nur weiterentwickeln, wenn sie es finanziell hinbekommt“, sagt König. Kürzlich hat er 100.000 Euro in ein modernes Pflanzenschutzmittelgerät investiert. „Früher wurde mit der Chemiekeule gearbeitet, das machen wir schon lange nicht mehr“, sagt Baumgarten. Im Umweltschutz sei viel passiert. Die meisten Landwirte arbeiteten mit Blick auf die Natur und verwendeten zunehmend biologische Methoden.

Kontakt zur Bevölkerung ist auch ein Ziel der Fahrten

Vor 80 Jahren sei noch jeder Dritte in der Landwirtschaft tätig gewesen. Heute seien es lediglich drei Prozent. Es fehlten Berührungspunkte in der Bevölkerung, um Verständnis für die Landwirtschaft zu haben. „Auch das ist Ziel unserer Lichterfahrten“, betont Baumgarten.

Die nächsten Touren:

  • Sonnabend, 21. Dezember: Start 16 Uhr in Hedendorf-Neukloster über Buxtehude, Altes Land bis Guderhandviertel
  • Sonntag, 22. Dezember: Start 15.45 Uhr in Apensen über Grauen, Hollenstedt bis Sauensiek am Litberg

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Das Spendenkonto ist über Paypal zu erreichen sowie per Überweisung (IBAN DE19291526700020561445 Kreissparkasse Verden).

QR-Code für Spenden.

QR-Code für Spenden. Foto: Laudien

Minister Lies: Land unterstützt Lichterfahrten

In der Zwischenzeit hat sich auch das Niedersächsische Verkehrsministerium unter Leitung von Olaf Lies (SPD) zur Genehmigungspraxis der Lichterfahrten geäußert. Sie seien zu einem festen und geschätzten Bestandteil des Veranstaltungskalenders in der Adventszeit geworden, heißt es in einer Pressemitteilung.

Das Ministerium habe einen Leitfaden in Form eines Erlasses an die niedersächsischen Kommunen versandt. Dieser zeige verschiedene Optionen auf, wie Lichterfahrten ohne größere Hürden möglich gemacht werden können. Die rechtliche Einordnung und die Genehmigung liegen im Ermessen der lokalen Behörden.

Minister spricht von einem „neuen Brauchtum“

Es gebe viele Beispiele, wo in Niedersachsen dieses Jahr bereits Lichterfahrten stattgefunden hätten. Gerüchte über eine angebliche Verschärfung der Sach- und Rechtslage hätten allerdings für viel Verunsicherung vor Ort gesorgt. Lies: „In vielen niedersächsischen Regionen entsteht gerade ein neues, modernes Brauchtum – und das unterstützen wir als Landesregierung ausdrücklich.“

Im Landkreis Stade werden die Lichterfahrten wie im vergangenen Jahr genehmigt. „Wenn eine Lichterfahrt beantragt wird, muss diese als Veranstaltung angekündigt werden. Außerdem muss sie ein bestimmtes landwirtschaftliches Thema haben/einen landwirtschaftlichen Zweck erfüllen“, ließ Kreissprecher Daniel Beneke verlauten.

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