TPolizei 1948 im Stader Nachbarkreis: Gefärbte Uniform und gefährdetes Gebiet

1946 geben die Briten einen Teil der ehemaligen Munitionsanstalt in Zeven-Aspe frei, um dort ein Krankenhaus einzurichten. Die erste Abteilung nimmt im Herbst 1947 den Betrieb auf. Foto: Museum Kloster Zeven
Wer umzieht, dem fallen beim Packen meist vergessene Schätze in die Hände. So auch den Zevener Polizisten, die die Station an der Lindenstraße zum Jahreswechsel verließen. Der Schatz: Eine Akte aus den Jahren 1945 bis 1952.
Zeven. Nach der Ermordung eines weiteren Polizeimeisters Mitte Juli 1947 befiehlt der Stader Polizeichef, dass Beamte des nachts in „gefährdeten Gebieten“ zwingend in Doppelstreife ihren Dienst zu versehen haben. So dies nicht möglich ist, haben Polizisten auf nächtlichen Streifengängen „ein oder zwei Leute des Selbstschutzes mitzunehmen“.
Da die Umgebung des Lagers Seedorf in Polizeikreisen bekanntermaßen als ein „gefährdetes Gebiet“ gilt, listet Oberrat Hagemeyer im August des Jahres auf, welche Befugnisse der deutschen Polizei gegenüber den von den Nazis aus ihren Heimatländern verschleppten und von den Briten beispielsweise im Lager Seedorf versammelten Personen zugestanden sind:
- Die deutsche Polizei ist ermächtigt, „verschleppte Personen“ sowohl innerhalb wie außerhalb des Unterbringungslagers wie deutsche Zivilisten zu behandeln.
- Vor Betreten eines Lagers nehmen deutsche Polizisten Verbindung mit dem Chef der Lagerpolizei auf. Auch der britische Sicherheitsoffizier ist zu informieren.
- Plant die deutsche Polizei eine großangelegte Durchsuchung eines „Verschlepptenlagers“, so ist der zuständige Sicherheitsoffizier des Lagers vorher in Kenntnis zu setzen.
- Damit die deutsche Polizei ihres Amtes walten kann, werden die an die Lagerpolizei ausgegebenen Waffen eingezogen. Die Lagerbewohner sind unterrichtet, dass der unbefugte Besitz von Waffen und Munition gemäß Verordnung der Militärregierung mit dem Tode bestraft wird.
Überdies, ergänzt der Stader Polizeichef, erwäge die Militärregierung die Einrichtung „stärkerer Polizeistationen“ in solchen Lagern, von denen bekannt ist, „dass sich in ihnen kriminelle Elemente aufhalten, die strafbare Handlungen zum Nachteil der deutschen Bevölkerung begehen“.
Öfter telefonieren, um Papier zu sparen
In „Befehl Nr. 25“ des Jahres widmet sich der Polizeichef den Fährnissen des Innendienstes. In seinem Schreiben vom 1. September, das er in 250-facher Ausfertigung in Umlauf bringt, mahnt er sparsamen Papierverbrauch an. Hagemeyer schreibt: „Die Zuteilung und der Verbrauch von Schreib- und Abzugpapier stehen seit circa zwei Monaten in einem argen Missverhältnis.“ Die Polizei im Bezirk Stade stehe bei den Papierlieferanten mit 420 Kilogramm „in Vorschuss“.
Vermeidbarer Papierverbrauch habe daher dringend zu unterbleiben. „Immer wieder wird festgestellt, dass Durchschlag- und Reinschriftpapier als Abortpapier benutzt wird. Das kann auf keinen Fall geduldet werden.“ Der Chef regt an, öfter zu telefonieren.
Heimatgeschichte
T Polizeiakte aus dem Jahr 1946 entdeckt: Schwarzmarkt, Raub und Verwahrlosung
Nicht bloß an Papier herrscht Mangel, sondern auch an Ersatzteilen für Dienstfahrräder. Das gilt insbesondere für Beleuchtung. Zudem fehlt es nach wie vor an ausreichend Nahrungsmitteln. Im September 1947 fordert Oberrat Hagemeyer die verstärkte Kontrolle von Fischtransporten. Fisch bekommt der Deutsche nur auf Karte. Die Zuteilungsmenge legt der Fischwirtschaftsverband fest.
Mithin haben die Fischer ihren Fang dem Verband anzudienen. Doch dem entziehen sich einige. Sie geben Fisch, so beklagt der Verband, unter der Hand ab. Im Kampf gegen diese illegalen Geschäfte setzt der Fischwirtschaftsverband auf Polizeikontrollen des Straßenverkehrs.
46 Diensträder für die Polizei im Kreis Bremervörde
Weil sie umsichtig und entschlossen gehandelt haben, erhalten drei Stader Polizisten im September 1947 eine schriftliche Belobigung. „Als Zivilisten getarnt“ war es ihnen gelungen, zwei Polen festzunehmen, die zwei schwarzgeschlachtete Schweine aus Lamstedt zum Lager Fallingbostel transportieren wollten. Auch Polizeimeister Pohlmann in Scheeßel bekommt ein schriftliches Lob, hatte er doch den Mord an einem Bauern aufgeklärt und den Täter festgenommen.

Pferd und Wagen waren das Haupttransportmittel im Lager Seedorf. Das Foto zeigt eine Gruppe Litauer. Foto: Museum Kloster Zeven
Bei ihrer dienstlichen Tätigkeit sind die Polizisten nach wie vor allem auf Fahrräder angewiesen. Im Stader Bezirk sind 348 Diensträder im Einsatz. Der Polizeikreis Bremervörde erhält im November zu den 41 vorhandenen fünf, Rotenburg zu den 32 vorhandenen drei weitere Räder zugewiesen. Im selben Monat verfügt Hagemeyer die fristlose Entlassung von fünf Wachtmeistern, die sich dienstliche Vergehen haben zuschulden kommen lassen.
Glimpflicher kommen hingegen Einzelhändler davon, die gegen eine Anordnung der Militärregierung verstoßen, die es ihnen untersagt, „Gas und elektrischen Strom zur Beleuchtung von Schaufenstern und Lichtreklame zu benutzen“. Die Polizisten sind aufgefordert, ihr Augenmerk darauf zu richten und Händler gegebenenfalls zunächst zu verwarnen. Im Wiederholungsfall ist Anzeige zu erstatten.
Kaum ist das neue Jahr angebrochen, so hat sich der Oberrat neuerlich der Verwaltung des allgegenwärtigen Mangels zu widmen. Er ordnet an, dass die mit blauen Uniformen eingekleideten Beamten die grüne Dienstkleidung „auch weiterhin reparieren lassen und instand halten“, sie, wenn möglich, blau einfärben lassen und sie bei Dunkelheit und schlechten Wetter weiter tragen. Die neue Uniform ist zu schonen, damit sie lange hält.
VW Käfer begehrtes Diebesgut in der britischen Zone
Anfang 1948 erhalten die deutschen Polizeichefs in Niedersachsen eine Rüge von der Militärregierung in Hannover. Anlass ist den Briten, dass die Polizisten nur zaghaft der Aufforderung nachkommen, sogenannte CCG-Fahrzeuge und deren Fahrer zu kontrollieren.
Die Control Commission for Germany (CCG) war mit der Militärregierung gleichzusetzen. Die Kontroll-Kommission unter Führung des Militärgouverneurs General Brian Robertson war ein Behördenapparat, der Militärs und Zivilisten beschäftigte. Das Standardfahrzeug der CCG war der in Wolfsburg produzierte VW-Käfer in olivgrün. Die Käfer waren ein begehrtes Diebesgut. Das Jahr 1947 hindurch weist die Militärregierung die deutsche Polizei mehrfach an, CCG-Fahrzeuge intensiv zu kontrollieren.

Jean Dubois, Leiter des UNRRA-Teams Seedorf. Die Briten hatten das Lager der Nothilfe- und Wiederaufbauverwaltung der Vereinten Nationen (UNRRA) gelegt. Die UNRRA kümmerte sich um die heimatlosen Ausländer, die Displaced Persons (DP). Foto: Museum Kloster Zeven
Hagemeyer reicht die Kritik an die Kreiskommandanten durch, denen er aufgibt, die ihnen unterstellten Leiter der Polizeiabteilungen mit Nachdruck zu instruieren, damit sie fortan gewissenhaft ihrer Pflicht nachkommen. Bei der Kontrolle hat der Fahrer das Kraftfahrzeugbuch, die Zulassung und das Fahrbefehlbuch zu präsentieren. Ferner hat sich der Fahrer auszuweisen. Der kontrollierende Polizist gleicht Namen, Daten und Kennzeichen ab und achtet zudem darauf, dass das CCG-Fahrzeug den einzuhaltenden 100-Meilen-Radius von seinem Standort nicht verlassen hat.
Die Gescholtenen scheinen alles andere stehen- und liegengelassen zu haben, um sich dieser Aufgabe zu widmen. Ende April sieht sich der oberste Public-Safety- Offizier der Militärregierung veranlasst, den Polizisten im Land Lob, Dank und Anerkennung auszusprechen. Die Polizei habe „erhöhte Leistungsfähigkeit bei der Bearbeitung von Vergehen“ gegen CCG-Eigentum gezeigt. Die Aufklärungsquote sei gestiegen, die Zahl der Diebstähle von CCG-Fahrzeugen und -Bereifung gesunken.

Der Leiter der Lagerverwaltung in Seedorf, H. G. Gardner, in seinem Büro. Foto: Museum Kloster Zeven
Nunmehr ergeht von höchster Stelle die Aufforderung an die Polizei, sich der grassierenden Straßenverkehrsgefährdung zuzuwenden. Der niedersächsische Innenminister Hinrich-Wilhelm Kopf verlangt im Frühjahr 1948, die motorisierten Verkehrsstreifen der Polizei mögen Fußgänger, Radfahrer und Pferdefuhrwerke endlich von der Reichsautobahn verbannen. Die unbefugte Benutzung der Autobahn sei zu unterbinden, fordert der Minister.