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Nordholz

TPressesoldatin: Wie Fotografin Julia Kelm zur Bundeswehr kam

Julia Kelm im Einsatz auf der Kieler Woche.

Julia Kelm im Einsatz auf der Kieler Woche. Foto: Bundeswehr

Julia Kelm hat ihren Kindheitstraum verwirklicht und ist Fotografin geworden. Doch statt Porträts im Fotostudio schießt sie als Soldatin heute Bilder für die Bundeswehr in der Luft und auf See.

Von Heike Leuschner Mittwoch, 23.07.2025, 14:50 Uhr

Nordholz. Angefangen hat alles mit ihrer Leidenschaft für Fotografie. „Ich hab‘ schon als Kind gern fotografiert“, erzählt Julia Kelm. Mit zehn bekommt sie ihre erste Digitalkamera; seit ihrem 13. Lebensjahr fotografiert sie mit einer Spiegelreflexkamera. Als es darum geht, welchen Beruf sie nach der Mittleren Reife lernen möchte, steht längst fest: „Ich werde Fotografin.“

Fotografen-Ausbildung in zivilem Fotostudio

Ihre Ausbildung absolviert sie in einem Fotostudio in ihrem Geburtsort Bremervörde. Doch die Aussicht, ihr Leben lang Porträts, Hochzeiten, Einschulungen und andere Familienfeste zu fotografieren, begeistert sie nur kurz: „Ich habe schnell gemerkt, dass ich im Porträtbereich nicht für immer arbeiten möchte.“

Ich brauche nicht jeden Tag Make-up. Wenn es sein muss, schmiere ich mir auch Tarnschminke ins Gesicht.

Obermaat Julia Kelm, Zeitsoldatin und Fotografin auf dem Marinefliegerstützpunkt in Nordholz

Als ihr eine Bekannte von ihrem Job als Fotografin bei der Bundeswehr erzählt, wundert sich Kelm: „Ich hätte nicht erwartet, dass man in diesem Beruf als Soldat arbeiten kann.“

Julia Kelm zögert nicht lange. Während ihres zweiten Ausbildungsjahres zur Fotografin geht sie zur Karriereberatung der Bundeswehr. „Nach diesem Gespräch kam ich mit der ausgefüllten Bewerbung in der Tasche nach Hause.“

Für zwölf Jahre als Zeitsoldatin verpflichtet

Gleich nach ihrer Fotografen-Ausbildung verpflichtet sich Julia Kelm als Zeitsoldatin für zwölf Jahre. „Ich habe damals überhaupt nicht darüber nachgedacht, was im schlimmsten Falle auf mich zukommen könnte“, sagt sie heute und räumt ein, „etwas unüberlegt“ unterschrieben zu haben.

Für andere ein Ausschlusskriterium - für Julia Kelm ein spannender Teil ihres Jobs: Fotografieren bei geöffneter Hubschrauberklappe.

Für andere ein Ausschlusskriterium - für Julia Kelm ein spannender Teil ihres Jobs: Fotografieren bei geöffneter Hubschrauberklappe. Foto: Bundeswehr

Im April 2019, mit 19, besteht sie ihre Musterung. „Zuerst habe ich für Bayern beim Heer unterschrieben, ich wollte einfach mal weit weg von Zuhause.“ Doch diese Entscheidung bereut sie schnell. Kelm beantragt, heimatnah stationiert zu werden.

Sie hat Glück. Nach ihrer dreimonatigen, aufgrund von Corona umstrukturierten Grundausbildung kommt sie im Januar 2021 zum Presse- und Informationszentrum des Marinekommandos. Ihr Arbeitsplatz ist bei den Marinefliegern in Nordholz.

Marineflieger stellen auch Schneider und Sozialarbeiter ein

Allein hier gibt es laut Pressestelle für den zivilen Bereich circa 30 verschiedene Berufe mit über 45 verschiedenen Tätigkeitsfeldern. Darunter auch Berufe, die man nicht unbedingt dort verorten würde, wie Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft, Meister für Frischwasserversorgung, Gärtner, Meteorologen, Geologen, Sattler, Schneider oder Sozialarbeiter.

Als Fotografin bei der Bundeswehr dokumentiert Julia Kelm unter anderem die Arbeit der Soldaten des Stützpunktes. Hier hat sie eine Übung mit dem NH90 Sea Lion und der DGzRS über der Nordsee fotografiert.

Als Fotografin bei der Bundeswehr dokumentiert Julia Kelm unter anderem die Arbeit der Soldaten des Stützpunktes. Hier hat sie eine Übung mit dem NH90 Sea Lion und der DGzRS über der Nordsee fotografiert. Foto: Julia Kelm

Für den militärischen Bereich sind es noch deutlich mehr Eingangsberufe und eine Vielzahl an verschiedenen Kompetenzbereichen. Dazu zählen auch Laborassistenten, Flugberater, IT-System-Elektroniker - oder eben Fotografen, die sowohl im zivilen als auch militärischen Stützpunktbereich eingesetzt werden.

Fotoaufträge auch auf See und in der Luft

Als fertig ausgebildete Fotografen-Gesellin wird Kelm nach ihrer Grundausbildung mit dem Dienstgrad Obermaat eingestuft. Sie fotografiert und bearbeitet Bilder, archiviert, pflegt die interne Mediendatenbank, beantwortet Anfragen und wertet die Presse zu militärisch relevanten Themen aus.

Eigentlich besetzt sie einen Landdienstposten, sagt Kelm. Aber sie sitzt nicht nur am Land; für Fotoaufträge ist die 26-Jährige bisweilen auch mit Hubschrauber oder Flugzeug unterwegs. Wie zuletzt bei der Kieler Woche, als sie unter anderem die große Windjammer-Segelparade von oben fotografierte.

Julia Kelm bei einem Auslandseinsatz mit der Bundeswehr auf der Insel Andoya in Norwegen im Rahmen des Manövers MFE (Missile Firing Exercise) im Jahr 2022.

Julia Kelm bei einem Auslandseinsatz mit der Bundeswehr auf der Insel Andoya in Norwegen im Rahmen des Manövers MFE (Missile Firing Exercise) im Jahr 2022. Foto: Bundeswehr

Kelm ist es wichtig, die gesamte Bandbreite der Marine kennenzulernen. So nutzt sie jede Gelegenheit, als Pressesoldatin an Bord von Marineschiffen zu arbeiten.

Als bisherigen Höhepunkt ihrer fünfjährigen Soldatenlaufbahn nennt sie ihre Zeit an Bord des Einsatzgruppenversorgers „Frankfurt am Main“ während des Indo-Pacific Deployment im vergangenen Jahr (IPD).

Beim IDP zeigen Marine und Luftwaffe bei multinationalen Manövern und Operationen im indopazifischen Raum Flagge. Bei Hafenbesuchen sowie bilateralen und multinationalen Übungen vertieften Marine und Luftwaffe ihre militärischen Beziehungen mit Partnerstreitkräften in der Region.

Startpunkt Hawaii: 137 Tage an Bord eines Marineschiffes

Kelm war nicht von Anfang an Bord, sondern wurde zweieinhalb Monate nach dem Start im Sommer 2024 auf Hawaii eingeschifft. Trotzdem war es mit 137 Tagen und fast 26.000 Seemeilen die längste Dienstreise ihres Lebens, die sie über Asien, Südafrika und Spanien Anfang Dezember vergangenen Jahres wieder nach Hause führte.

„Julia - willkommen zurück“: Nach vier Monaten auf See im Rahmen von Indo-Pacific Deployment 2024 freut sich Julia Kelm über den herzlichen Empfang von Familie und Freundin in Wilhelmshaven.

„Julia - willkommen zurück“: Nach vier Monaten auf See im Rahmen von Indo-Pacific Deployment 2024 freut sich Julia Kelm über den herzlichen Empfang von Familie und Freundin in Wilhelmshaven. Foto: privat

Sie spricht von einer „verrückten und herausfordernden Zeit“. „Ich hatte mich riesig auf diese Tour gefreut und alles dafür getan, mitfahren zu dürfen. Trotzdem war der Abschied von meiner Familie sehr emotional.“

Die gute Kameradschaft an Bord und die Möglichkeit, auch auf See mit Familie und Freunden per Videoanruf zu telefonieren, hätten es erträglich gemacht. „Ich habe Riesenrespekt vor jedem, der zur See fährt“, sagt sie rückblickend und streicht sich über ihren tätowierten rechten Arm.

Tattoos sind akzeptiert, bunt gefärbte Haare aber nicht

Tattoos sind bei der Bundeswehr akzeptiert. „Man darf sie auch zeigen und Kurzarm tragen, sofern die Tattoo-Motive unproblematisch sind“, sagt Kelm. Sie selbst zeigt nicht nur ihre Hautbemalung, sondern trägt auch künstliche Wimpern und gelegentlich Piercings.

Ich brauche nicht jeden Tag Make-up. Wenn es sein muss, schmiere ich mir auch Tarnschminke ins Gesicht.

Obermaat Julia Kelm, Zeitsoldatin und Fotografin auf dem Marinefliegerstützpunkt in Nordholz

Dennoch gibt es Regeln. So müssen Haare, die länger als kinnlang sind, zusammengebunden werden. Auch bunt gefärbte Haare sind tabu.

Für Kelm ist das okay: „Ich brauche nicht jeden Tag Make-up. Wenn es sein muss, schmiere ich mir auch Tarnschminke ins Gesicht. Man muss Regeln akzeptieren. Wir sind immer noch Militär, kein Spaßverein.“

Nach zwölf Jahren als Zeitsoldatin Berufssoldatin werden?

Kelm, die mittlerweile von Alfstedt nach Cuxhaven umgezogen ist, trägt im Dienst am liebsten ihre Flecktarn-Uniform. „Grün ist einfach bequemer, entspannter - ich bin froh, dass das meine Alltagsdienstkleidung ist.“ An den Füßen sitzen selbst im Juli knöchelhohe Stiefel. „Das ist mehr meins als Anzugschuhe“, sagt die 26-Jährige und lacht.

Fünf Jahre hat sie mittlerweile als Zeitsoldatin hinter sich, sieben liegen noch vor ihr. Ob sie sich danach eine Laufbahn als Berufssoldatin vorstellen kann? „Vorstellen auf jeden Fall“, sagt Kelm. „Die Vielfalt, die ich hier in meinem Job erlebe, kann mir kein ziviler Arbeitgeber bieten.“

Julia Kelm: Die Unterstützung meiner Familie ist mir wichtig

Doch es gibt noch eine andere Seite: Spätestens als Russland anfing, gegen die Ukraine Krieg zu führen, sei ihr die volle Tragweite ihrer Berufsentscheidung für die Bundeswehr bewusst geworden. „Als Fotograf wähnt man sich erst mal auf der sicheren Seite. Aber in erster Stelle bin ich Soldat wie jeder andere Soldat. Jeder von uns kann im schlimmsten Falle eingezogen werden.“

Sie habe dafür unterschrieben, sagt Julia Kelm. „Und ich stehe dazu, dass ich Soldat bin, das ist mir auch ganz wichtig.“ Genauso wichtig sei ihr aber auch die Unterstützung von Familie und Freunden. „Es ist gut, dass sie an meiner Seite stehen und wissen, was ich mache.“

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