TSeine Augen sind überall: Supermarkt-Detektiv erzählt von seinem Alltag
So wie der Detektiv auf diesem Symbolfoto hat auch Andreas Hausner in seinem Büro jedes Eck im Supermarkt im Blick. Foto: Roessler/dpa
Andreas Hausner* hat alles im Blick: In Bremerhaven arbeitet der 57-Jährige als Detektiv in Supermärkten. Sein Job ist gefährlicher, als viele denken.
Bremerhaven. Im Supermarkt versteckt sich ein kleiner Raum. Darin stehen auf dem Schreibtisch drei Bildschirme. Mit seinen Augen scannt Andreas Hausner* (57) die kleinen Vierecke darauf. Jedes zeigt einen anderen Kamerawinkel aus dem Supermarkt. Eine Kamera filmt einen Mann mit Kappe.
Er schleicht zwischen Shampoos und Zahnbürsten den Gang entlang. Immer wieder dreht er ruckartig den Kopf von links nach rechts. Dann greift er ins Regal und stopft unzählige Lippenstifte in seine Tasche. Andreas Hausner meldet sich per Telefon bei den Kollegen: „Bitte alle zum Ausgang.“
„Die Täter haben oft Messer oder Schlagringe dabei“
Andreas Hausner ist seit 35 Jahren Supermarkt-Detektiv. „Für mich ist das kein Beruf, sondern eine Berufung“, sagt er. Er liebt seinen Job, obwohl er gefährlich ist. „Die Täter haben oft Messer oder Schlagringe dabei“, fügt er hinzu. Früher arbeitete der 57-Jährige als verdeckter Ermittler.
Für die Staatsanwaltschaft sammelte er Informationen im Kampf gegen illegales Glücksspiel. Wegen Morddrohungen wechselte er schließlich den Bereich. Heute schützt er mehrere Supermärkte in Bremerhaven vor Diebstahl. Dazu gehört auch das Edeka Center Knauer am Hafen.
54 Kameras überwachen einen Edeka-Markt
Der Markt hat eine Verkaufsfläche von 3.500 Quadratmetern. Das entspricht mehr als fünf Tennisfeldern. 54 Kameras und zwei Detektive überwachen die rund 40.000 Produkte.
Zu Stoßzeiten befinden sich bis zu 250 Kunden gleichzeitig im Laden. Im vergangenen Jahr registrierten die Detektive 268 Diebstähle - die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen.
„Neben Selbstbewusstsein braucht man in dem Beruf vor allem ein sehr gutes Auge“, sagt Supermarktleiter Jens Knauer. Denn das Gewusel auf den kleinen Kamerabildern zu verfolgen, ist eine Herausforderung.
Lippenstift-Dieb und Mitarbeiter begeben sich zum Ausgang
Auf Hausners Schreibtisch steht ein Behälter mit Stiften, beklebt mit einem Aufkleber: „Finger weg“. Daneben: eine halbleere Flasche Cola. Auf den Monitoren sind die Mitarbeiter zu sehen, die zum Ausgang eilen. Auch der Mann mit der Kappe bewegt sich dorthin.
In seiner rechten Hand trägt er die Einkaufstasche, randvoll mit Lippenstiften. Er wählt den Weg durch die Obst- und Gemüseabteilung. Dort gibt es keine Sicherheitsschranken, doch der Weg ist lang.
In seinem Job hat Andreas Hausner schon „Pferde vor der Apotheke kotzen sehen“. Und meint damit: Er kennt Elend, Gewalt und Abgründe. Seine Erfahrung hilft ihm bei der Arbeit. Zusätzlich hat er die Sachkundeprüfung nach § 34a der Gewerbeordnung abgelegt. Die ist Grundvoraussetzung für seinen Beruf. Dort lernen Detektive rechtliche Grundlagen, die richtige Ansprache und wie sie sich verhalten, wenn sie angegriffen werden.
Jedes Jahr rund 200.000 Euro Schaden im Supermarkt
Der Schaden für Supermarktleiter Jens Knauer durch Ladendiebstähle beläuft sich im Jahr auf rund 200.000 Euro. Bundesweit wurden 2023 laut einer Studie des Handelsforschungsinstituts EHI Waren im Wert von insgesamt 2,8 Milliarden Euro gestohlen – rund 15 Prozent mehr als im Vorjahr.
Die Polizei erfasste 426.000 Fälle von Ladendiebstahl für 2023 – ein Plus von etwa 81.000 im Vergleich zu 2022. Mit 405.000 Diebstählen bleibt die Zahl für 2024 auf einem hohen Niveau. Diese Entwicklung beobachten Jens Knauer und Andreas Hausner auch in Bremerhaven. Gründe dafür sind die wachsende Armut und immer mehr organisierte kriminelle Banden.
Lippenstifte im Wert von mehr als 1.000 Euro gestohlen
Auch Andreas Hausner eilt nun aus seinem Raum Richtung Supermarktausgang. Dort wartet er. Drei Kollegen stehen ein paar Meter hinter ihm. Der Mann mit der Kappe entdeckt sie und stellt die Tasche mit den Lippenstiften unter einem Kleiderständer ab. Hausner hastet los und packt ihn am Oberarm: „Mitkommen!“.
Der Täter folgt ihm widerstandslos. In der Tasche liegen Lippenstifte im Wert von 1.182,93 Euro. Nun muss er eine Bearbeitungsgebühr von 250 Euro an den Supermarkt zahlen. Außerdem übergibt Hausner den Täter der Polizei. Die Polizisten bringen ihn auf das Revier. Er ist polizeibekannt.
Welche Beute bei Ladendieben begehrt ist
Der junge Mann gehört zu einer Bande aus Osteuropa. „Er verkauft die Lippenstifte draußen für einen Bruchteil weiter“, erklärt Hausner. Neben Kosmetikartikeln sind bei Dieben vor allem Spirituosen, Tabakwaren, aber auch Lebensmittel wie Wurst und Käse begehrt.
Besonders im Fokus liegen Energy-Drinks. Deutschlandweit häufen sich Meldungen über Diebe, die sogar ganze Paletten des zuckerhaltigen Getränks stehlen. Am häufigsten transportieren Täter das Diebesgut in ihren Jackentaschen aus den Geschäften.
90 Prozent der Ladendiebstähle werden aufgeklärt
Für einfachen Diebstahl sieht das deutsche Strafrecht Geldstrafen oder eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor. In schweren Fällen drohen bis zu zehn Jahre Haft. Laut Kriminalstatistik wurden 2024 in Deutschland 90 Prozent der Ladendiebstähle aufgeklärt.
In Bremerhaven liegt die Aufklärungsquote mit 85,2 Prozent bei 1.462 Diebstählen. Die Staatsanwaltschaft kümmert sich dann darum. Die Strafverfolgung sei dort aber zu lasch und viele Verfahren würden eingestellt werden, sagt Knauer. Das Amtsgericht Bremerhaven führt keine Statistiken dazu.
Am Ende seiner Schicht dreht Andreas Hausner noch eine Runde durch den Markt. Ein großer Mann kommt ihm entgegen. „Ich klaue gleich zwei Dosen Cola“, sagt er. Hausner schmunzelt und erklärt: „Viele Leute kennen mich mittlerweile“.
*Name von der Redaktion geändert.