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TSie wechselt den Beruf: Fredenbeckerin macht jetzt Pferden die Zähne

Anstrengende Arbeit, die sie glücklich macht: Horsedentistin Jessica Gerken in Aktion.

Anstrengende Arbeit, die sie glücklich macht: Horsedentistin Jessica Gerken in Aktion. Foto: privat

Jährlich zur Zahnvorsorge plus Zahnreinigung. So sieht die Zahnpflege bei Menschen aus. Ähnliches gibt es auch für Pferde: Eine Fredenbeckerin schaut Rössern ins Maul.

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Von Alexandra Bisping
Mittwoch, 16.10.2024, 12:30 Uhr

Fredenbeck. Wenn Jessica Gerken zu ihren Kunden fährt, hat sie zwei Werkzeugkoffer und ein Maulgatter im Gepäck. In den Koffern befinden sich Feilen, eine elektrische Fräse, eine wassergekühlte Disk zum Schleifen. Mit der kommt sie an die hinteren Backenzähne ran. Was nach Handwerk klingt, ist auch eins: Jessica Gerken ist Pferdedentalpraktikerin.

Seit einem guten Jahr praktiziert die 32-jährige Fredenbeckerin. „Pferdezahnärztin darf ich mich nicht nennen, ich hab es nicht studiert“, erklärt sie. Obwohl - studiert hat sie, drei Semester Fahrzeugtechnik. „Das war nicht meine Welt.“

Mit Kleinkind wagt sie den Sprung in die Selbstständigkeit

Jessica Gerken erzählt, dass sie Industriemechanikerin gelernt, bei Daimler gearbeitet hat. Sie wollte sich beruflich verändern. Dem Fachabi und drei Semestern Studium folgten zwei Jahre Reisen. Überwiegend im ausgebauten VW-Bulli, quer durch Europa, Tschechien, Kroatien, Portugal, Spanien.

Dann kam ihre Tochter zur Welt. Jessica Gerken ist alleinerziehend, ihre Tochter jetzt vier. Was sollte sie beruflich machen, habe sie sich gefragt. Wie sie auf den Job am Pferd gekommen ist, sei „eine göttliche Fügung“ gewesen, sagt sie.

Auch bei ihrem Wallach Askalon sorgt Jessica Gerken für gepflegte Zähne.

Auch bei ihrem Wallach Askalon sorgt Jessica Gerken für gepflegte Zähne. Foto: Bisping

Gute Pferdedentisten hätten volle Terminkalender, Jessica Gerken spricht aus Erfahrung. Die Fredenbeckerin reitet schon lange, hat selbst zwei Pferde - den Rentner Wasabi (25) und den Jungspund Askalon (5). Als Horsedentist Torsten Bockler die Zähne ihrer Tiere behandelt, kreist das Gespräch um die berufliche Zukunft der jungen Mutter.

Jessica Gerken sagt, sie wollte etwas machen, das nicht alltäglich ist, das anderen hilft. Zufälligerweise ist Torsten Bockler auch Ausbilder für Pferdedentalpraktiker, für Horsedentisten. „Überleg dir das mit der Ausbildung“, habe er ihr geraten. „Das ist ein Handwerk und ich bin Handwerkerin“, sagt sie. „Das bedeutet Feilen und Fräsen, das kenn ich.“

Ihre Kenntnisse aus dem Handwerk sind sehr nützlich

Bei einem Intensivkurs entdeckt sie, wie vorteilhaft es ist, mit Werkzeug umgehen zu können. Ein Jahr lang lernt sie bei Torsten Bockler. Der Name ihres Berufs sei nicht geschützt. „Man kann auch einfach einen Wochenendkurs machen.“

So mancher behandele Pferdezähne, ohne dafür ausgebildet zu sein. Das sei so, als würde man „den Hausarzt an die eigenen Zähne lassen“, findet sie.

Viel Theorie habe sie gehabt - mit Kursteilnehmern, die bereits medizinisch ausgebildet waren. „Das ganze Latein, das da auf mich zukam - ich konnte nichts verstehen.“ Jessica Gerken beißt sich durch. „Ich fand es total interessant“, sagt sie. Sie übersetzt sich alles, schreibt es mit Bleistift an den Rand.

Seit vergangenem Juli ist sie selbstständige Horsedentistin. Um ihre Dienstleistung bekannt zu machen, besucht sie Märkte, ist in sozialen Netzwerken unterwegs, hält Vorträge. Sie will informieren und aufklären.

Wie ihr Job funktioniert, kann Jessica Gerken anhand einer Pferdeattrappe gut erklären.

Wie ihr Job funktioniert, kann Jessica Gerken anhand einer Pferdeattrappe gut erklären. Foto: Bisping

Zum Beispiel darüber, dass der Pferdezahn bis zum siebten Lebensjahr wächst. Dass der Körper „Material nachschiebt“, wie bei den Hufen. Dass ein Pferd auf einer fetten Weide, dessen Rippen sich trotzdem zählen ließen, Problemzähne haben könne.

Aufdrängen will sich Jessica Gerken nicht. Ihre Einstellung: „Ich möchte auch nicht Konkurrent sein, sondern Kollege.“ Hauptsache, den Pferden sei geholfen und sie könnten wieder richtig kauen. „Wenn ich nach getaner Arbeit prüfe und höre, dass alle Zähne passen - das ist das schönste Geräusch.“

Sie sieht es, wenn Zähne nicht mehr aufeinanderpassen

Pferde hätten oft eine Verspannung im Kiefer - fünf Tonnen Anpressdruck arbeiteten da. Vorderzähne seien nur zum Zupfen, Backzähne zum Kauen. Wenn die Zähne nicht mehr passten, seien Indizien dafür schlechter Abrieb der Schneidezähne und Fehlstellungen.

Das schwere Maulgatter gehört zur Ausrüstung der Horsedentistin.

Das schwere Maulgatter gehört zur Ausrüstung der Horsedentistin. Foto: Bisping

Damit sie das „schönste Geräusch“ hören kann, muss die Horsedentistin die Pferdezähne nach dem Fräsen noch einmal mit der Handfeile bearbeiten. „Man geht mit der Elektrik nie über die komplette Kaufläche, die muss möglichst rau sein, um mahlen zu können“, erklärt sie.

Ihre Werkzeuge baut sie manchmal selbst

Ihre Werkzeuge, die sehr teuer seien, baue sie zum Teil selbst, konzipiert mit ihrem Ausbilder. Bisweilen fehle bei denen aus dem Handel die Wasserkühlung, doch gerade die findet sie wichtig. „Reibung erzeugt Hitze und vier Grad zu viel kann den Zahn schädigen.“

Mit ihrem Job ist Jessica Gerken sehr glücklich - auch wenn er sehr anstrengend ist. Sie sagt, man müsse dafür brennen, denn reich werde man nicht. Die Erstbehandlung kostet bei ihr 185 Euro, die anschließenden Behandlungen, meist jährlich, 165 Euro. „Ich habe meine Lücke entdeckt, bin beruflich angekommen“, sagt die junge Fredenbeckerin. „Der Bedarf ist da.“ Und sie hat Kapazitäten.

Mehr: www.jg-horsedentist.de.

Horsedentist - Pferdedentalpraktik: Jessica Gerken hat ihren Traumjob gefunden.

Horsedentist - Pferdedentalpraktik: Jessica Gerken hat ihren Traumjob gefunden. Foto: Bisping

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