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Reportage

TStader Fischmarkt ahoi: Für einen Tag Kapitänin auf dem Kunstkudder

TAGEBLATT-Reporterin Lena Stehr genießt abends den Blick vom Deck des Kunstkudders auf die malerische Fischmarkt-Kulisse.

TAGEBLATT-Reporterin Lena Stehr genießt abends den Blick vom Deck des Kunstkudders auf die malerische Fischmarkt-Kulisse. Foto: TAGEBLATT

TAGEBLATT-Reporterin Lena Stehr hat in Stades außergewöhnlichster Ferienwohnung übernachtet. Auf dem Kunstkudder hatte sie buchstäblich Feuer unterm Hintern.

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Von Lena Stehr
Sonntag, 15.06.2025, 17:30 Uhr

Stade. Jetzt bloß nicht ausrutschen. Das ist mein erster Gedanke, als ich die Stufen zum Hafenbecken hinunter wanke und auf die kurze Gangway vor mir blicke. Sie ist vom letzten Regenguss noch ziemlich nass. Sekunden später stehe ich mit trockenen Füßen vor einer großen silbernen Tür. Die führt ins Innere meines außergewöhnlichen Übernachtungsortes und ist ziemlich schräg.

Einzigartige Ferienwohnung im historischen Hafen

Mehrere Handgriffe und ein bisschen Kraft und Geschick sind erforderlich, damit sie sich wie eine Luke nach oben öffnet. Zum Glück gibt es eine kurze Einweisung von einer Mitarbeiterin der Stader Tourist-Info.

Eine schmale Treppe führt nach draußen. Die Tür öffnet sich nach oben.

Eine schmale Treppe führt nach draußen. Die Tür öffnet sich nach oben. Foto: Stehr

Es ist nämlich auch sonst einiges zu beachten an Bord des Kunstkudders, Stades einzigartiger Ferienwohnung mitten im stillgelegten historischen Hafen. Die bunt bemalte Alsterschute Baujahr 1904 liegt seit 2023 in Stade, ist inzwischen überregional bekannt und fast immer ausgebucht.

Bei dem Kunstkudder handelt es sich um die älteste erhaltene Alsterschute aus dem Jahr 1904. Sie liegt seit Sommer 2023 im historischen Stader Hafen, ist Domizil für Künstler und kann für Übernachtungen gemietet werden.

Bei dem Kunstkudder handelt es sich um die älteste erhaltene Alsterschute aus dem Jahr 1904. Sie liegt seit Sommer 2023 im historischen Stader Hafen, ist Domizil für Künstler und kann für Übernachtungen gemietet werden. Foto: Stehr

Heute bin ich die Kapitänin auf dem 18 Meter langen, aufwendig renovierten offenen Lastkahn. Wegschippern kann ich aber nicht. Der Kudder hat keinen Eigenantrieb, eine Kapitänsbrücke gibt es nicht. Dafür aber das wohl schönste Sonnendeck mit sensationellem Ausblick auf die Stader Altstadt am Fischmarkt.

Lena Stehrs neuer Lieblingsplatz in Stade ist der Strandkorb auf dem Deck des Kunstkudders.

Lena Stehrs neuer Lieblingsplatz in Stade ist der Strandkorb auf dem Deck des Kunstkudders. Foto: Stehr

Kurz flackert das Gefühl auf, im Strandkorb wie auf einem Präsentierteller zu sitzen. Doch das verblasst angesichts der malerischen Fachwerk-Kulisse schnell. Obwohl selbst die Häuser mich anzustarren scheinen, macht sich Entspannung breit. Einige Menschen schlendern an diesem Donnerstag entspannt am Wasser West und Wasser Ost vorbei. Viele halten mit dem Smartphone das Fischmarkt-Panorama fest, während ich mitten in Stades guter Stube beim Rauschen des Wassers zur Ruhe komme.

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Das Geräusch hat leider noch einen Effekt. Die Blase drückt. Vor diesem Moment hatte ich ein bisschen Angst. Die Toilette an Bord macht nämlich buchstäblich Feuer unterm Hintern. Auf der Anleitung im Bad ist alles genau beschrieben. In das trichterförmige Klo muss zunächst ein Beutel eingelegt werden - wie bei einer überdimensionalen Kaffeemaschine. Ich stelle mir vor, was passiert, wenn in meiner Kaffeemaschine die Filtertüte verrutscht - kurzer Schweißausbruch während des Klogangs.

Kein Ort für schwache Blasen und Langduscher

Aber alles geht gut. Deckel zu, Knopf drücken. Die Tüte samt Inhalt verschwindet nach unten - und wird verbrannt. Beim nächsten Klogang ist die Brille noch angenehm warm. Doch Obacht: Der Kudder ist kein Ort für schwache Blasen. Öfter als vier Mal pro Stunde darf nicht angefeuert werden.

Die Bedienungsanleitung für die Bordtoilette sieht ziemlich kompliziert aus. Nach dem ersten Klogang hat man das Prozedere aber raus.

Die Bedienungsanleitung für die Bordtoilette sieht ziemlich kompliziert aus. Nach dem ersten Klogang hat man das Prozedere aber raus. Foto: Stehr

Nächster Schreckmoment beim Versuch, Hände zu waschen: Aus dem Hahn kommt kein Wasser. Ich habe aber bloß vergessen, den Schalter im Eingangsbereich zu drücken. Nur dann fließt es - für zehn Minuten. Langduscher kommen da in die Bredouille. Genau wie Menschen, die größer als zwei Meter sind. Die Koje mit Hühnerleiter und Blick gen Himmel ist zwar urgemütlich, aber kein Kingsize-Bett.

In der engen Kunstkudder-Koje muss man zwar aufpassen, dass man sich nicht den Kopf stößt, schläft dafür aber umso gemütlicher.

In der engen Kunstkudder-Koje muss man zwar aufpassen, dass man sich nicht den Kopf stößt, schläft dafür aber umso gemütlicher. Foto: Stehr

Gestört hat sich daran aber bisher offensichtlich niemand. Im Gästebuch gibt es ausschließlich positive Rückmeldungen. Wer zum Übernachten auf den Kunstkudder kommt, sucht bewusst das Außergewöhnliche und freut sich, dass er es in Stades Altstadt findet.

Sensationell: Der Blick vom Deck des Kunstkudders auf den Fischmarkt. Im Vordergrund zu sehen: Die sich nach oben öffnende Tür.

Sensationell: Der Blick vom Deck des Kunstkudders auf den Fischmarkt. Im Vordergrund zu sehen: Die sich nach oben öffnende Tür. Foto: Stehr

Die zeigt sich nach einem gemütlichen Abend in der geräumigen Kajüte und einer überraschend ruhigen Nacht von ihrer besten Seite. Frühmorgens war aus der Koje nur leise die Stadtreinigung zu hören. Bei Sonnenschein trinke ich an Deck noch einen Tee, den ich eben in der gut ausgestatteten Kombüse gekocht habe. Außer Backofen und Mikrowelle ist alles Wichtige da. Die Stadt ist derweil noch im Ruhemodus. Nur ein paar Menschen kommen am Kudder vorbei, wahrscheinlich berufstätige Stadtbewohner.

TAGEBLATT-Reporterin Lena Stehr im Bauch des Kunstkudders, der sehr geschmackvoll eingerichtet ist.

TAGEBLATT-Reporterin Lena Stehr im Bauch des Kunstkudders, der sehr geschmackvoll eingerichtet ist. Foto: TAGEBLATT

Um kurz vor 10 Uhr ist meine Zeit als Kudderkapitänin leider vorbei. Zum Abschied lächelt mir beim Abschließen der schrägen Schutentür die gelbe Quietscheente vom Schlüsselbund zu. Sollte der Schlüssel über Bord fallen, kann man mit dem Kescher Entenangeln spielen. Das bleibt mir zum Glück erspart. Die Ente und ich werfen noch einen Blick von der Gangway übers Wasser.

Rüber zum Ponton mit der Holzbank von Martin Karl Kufieta. Der Künstler war 2024 der erste Stipendiat auf dem Kunstkudder. Die Bank war sein Geschenk an die Stadt. Ende August zieht der nächste Künstler für etwa zwei Monate auf dem Kudder ein - im Rahmen des von der Stadt, den Stader Museen und der Wohnstätte Stade neu aufgelegten Kunststipendiums.

Gut 30 Bewerbungen sind eingegangen. Am 16. Juni entschiedet eine Jury, wer neuer Kudderkäpt’n auf Zeit wird. Ab November steht die Schute wieder als Ferienwohnung zur Verfügung. Im Strandkorb an Deck können es sich Gäste dann mit Decke und Wärmflasche gemütlich machen.

Transparenzhinweis: Diese Reportage ist mit Unterstützung der Stade Marketing und Tourismus GmbH entstanden.

Die Kunstkudder-Kombüse ist gut ausgestattet. Bloß einen Backofen und eine Mikrowelle gibt es hier nicht.

Die Kunstkudder-Kombüse ist gut ausgestattet. Bloß einen Backofen und eine Mikrowelle gibt es hier nicht. Foto: Stehr

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