TTäglicher Überlebenskampf in der Gastronomie: Wie Familie Staats es schafft
Carola und Uwe Staats führen den Gasthof Zur Post in Oederquart schon seit 18 Jahren. Foto: Helfferich
Es gibt nicht mehr viele Landgasthöfe. Und die, die noch da sind, kommen nur mit hohem Aufwand über die Runden. Ein Blick hinter die Kulissen des Gasthofs Staats in Oederquart.
Oederquart. Noch in den 1950er Jahren gab es in Oederquart 13 Gaststätten. Das erzählt Senior Bernd Staats, der gerade die Oederquarter Ortschronik beendet hat. Da gab es aber auch in direkter Nachbarschaft die Viehwaage, einen Gemischtwarenladen und im eigenen Gasthaus die Post. Vergangene Zeiten.
Bernd Staats hat 2007 den Gasthof Zur Post an die nächste Generation übergeben. Da war er Mitte 50, Sohn Uwe gerade 33 und dessen Frau Carola 27 Jahre jung. Anderen Gastwirten ist die Übergabe nicht so gut gelungen: „Viele haben lange geklammert an ihrem Betrieb und damit den Zeitpunkt verpasst, die Kinder in die Verantwortung zu nehmen“, sagt Bernd Staats, der immer noch im Gasthof mitarbeitet. Er hat die goldenen Zeiten und die schwierigen Jahre erlebt.
Das Gasthaus Zur Post ist ein Familienbetrieb. Seit 112 Jahren wird er von Generation zu Generation weitergegeben. Wenn das nicht klappt, müssen Gasthöfe schließen. Wer sich darauf einlässt, ist Idealist. So wie Carola und Uwe Staats.
Gastronomen arbeiten fast Tag und Nacht. Sie üben Verzicht. Familie läuft oft nebenher. Freundschaften lassen sich kaum pflegen. Freizeit? Kaum möglich. Und dennoch: Auch der 23-jährige Sohn von Carola und Uwe ist Koch geworden und kocht derzeit auf Kreuzfahrtschiffen.
Treue Mitarbeiter: Die Älteste seit 52 Jahren im Team
Die Familie allein kann den Betrieb nicht wuppen. Der Erfolg steht und fällt mit dem Personal. Und da haben die Staats’ Glück: 35 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gehören zum Team, einschließlich geringfügig Beschäftigter.
„Obwohl sie an Wochenenden, feiertags und nachts arbeiten, bleiben sie uns treu und springen ein, wenn jemand ausfällt“, erzählt Uwe Staats, ein gelernter Restaurantfachmann. Die älteste Kollegin ist 73 Jahre alt und arbeitet in der Küche. „Sie ist seit 52 Jahren bei uns und hat mich mit großgezogen“, erzählt Uwe Staats lachend.

Küchenchefin Carola Staats fischt frische Kartoffelklöße aus dem Kochtopf. Foto: Staats
Mitarbeiter zu werben, ist schwierig. „Unsere Branche hat nicht den besten Ruf. Viele junge Leute wollen abends oder am Wochenende los“, sagt Carola Staats. Da helfen auch die besten Koch-Formate wie „The Taste“, die bei jungen Leuten durchaus angesagt sind, nicht weiter.
Die Küche ist der arbeitsintensivste Bereich im Gasthof, Carola Staats ist die Küchenchefin. Die 45-Jährige fängt morgens früh an, bereitet die Zutaten vor, kocht und steht bis abends am Herd. Und es gibt weitere Herausforderungen: Die Küche verändert sich. Es gibt immer mehr Vegetarier, Veganer und Gäste mit Nahrungsmittel-Empfindlichkeiten.
„Wir müssen aus unserer Komfortzone herauskommen und auch mal Neues wagen“, sagt dazu Carola Staats. Oft tauscht sie sich mit ihrem Sohn aus. Und sie zitiert einen Satz ihres Ausbilders: „Du musst immer mit Herz kochen.“ Dem folgt sie, egal ob Hausmannskost oder neue vegane Gerichte.
Der Kampf mit den steigenden Lebensmittelpreisen
Womit sie und ihr Mann kämpfen, sind die steigenden Preise bei Lebensmitteln und Energie. Nach dem Statistik-Portal Statista sind die Lebensmittelpreise seit 2020 im Durchschnitt um 32,8 Prozent gestiegen.
„Essen zu gehen, ist ein Luxusgut geworden“, sagt Staats. Es sei immer schwieriger, die Preise zu kalkulieren. Und manchmal werden bisherige Schmerzgrenzen durchbrochen, etwa bei der Currywurst. Die mit Pommes kostet nun 11 Euro. „Dann können wir nur hoffen, dass die Gäste wiederkommen.“
Bisher sind sie wiedergekommen. Der Familienbetrieb hat es über die vielen Jahre geschafft, seine Kunden zu binden. Sie kommen gezielt zu Staats nach Oederquart, auch weil sie dort als Gast wahrgenommen und direkt angesprochen werden.
„In der Landgastronomie ist es wichtig, dass wir als Betreiberpaar sichtbar sind“, erklärt Carola Staats. Bei aller Sorge: „Unser Job ist toll“, sagt Uwe Staats, „wir haben jeden Tag mit Menschen zu tun und bekommen unmittelbare Reaktionen auf unsere Arbeit.“ Gerne auch durch die stets geöffnete Küchenklappe.
Kundenbindung hat sich während Corona bewährt
Diese Kundenbindung hat sich während der Corona-Pandemie besonders ausgezahlt. Die Familie erfuhr damals große Solidarität. Während der Betriebsschließungen verkaufte das Gasthaus Essen außer Haus. Nicht nur ihre Stammgäste nutzten dieses Angebot, sondern auch Neukunden. „Mit ihrer Essensbestellung sagten sie uns: Bleibt bitte“, so Uwe Staats.

Küchenchefin Carola Staats schneidet Rotkohl klein. Foto: Staats
Doch auch der Gasthof Zur Post bleibt von der aktuellen Lage nicht unberührt. Die Buchungen gehen zurück. Daher hat der Gasthof die Öffnungszeiten reduziert und ist nur noch von Mittwoch bis Sonntag geöffnet. Und im Januar gibt es in den ersten beiden Wochen eine Betriebsruhe.
Ein weiteres Problem sind die großen Gesellschaften. Die bleiben seit Corona aus. Der 200 Quadratmeter große, vor wenigen Jahren modernisierte Festsaal bietet Platz für 250 Menschen. „Früher wurde mit 180 Gästen gefeiert, jetzt sind wir froh, wenn die 100 mal überschritten wird“, sagt Uwe Staats.
Noch gibt es in Nordkehdingen sieben Landgasthöfe
Der 51-Jährige beschreibt sein Dilemma mit einem Beispiel: Kürzlich wurde der Saal für 80 Gäste gebucht, gewünscht war auch eine kleine Speisekarte. Am Ende waren es 56 Gäste, eine bestellte Currywurst und 400 Euro Getränkeumsatz. Aber: „Ich hatte zwei Mitarbeiter eingesetzt. Beide waren viereinhalb Stunden da, also neun Stunden Arbeitslohn. Da bleibt nichts übrig.“
Nach Uwe Staats‘ Einschätzung könnte in den nächsten zehn Jahren die Hälfte der Landgasthöfe verschwinden - nicht auf Kehdingen bezogen, sondern aufs Ganze betrachtet. „In Nordkehdingen gibt es immer noch sieben Betriebe, die sich halten; der eine besser, der andere weniger gut“, sagt Uwe Staats, der auch stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) im Landkreis Stade ist. Oft werde die Gastwirtschaft vor Ort erst dann vermisst, wenn es zu spät ist.

Küchenchefin Carola Staats bereitet eine Hirschkalbskeule zu. Foto: Staats
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