TTatort auf der Kegelbahn: Was die Gaststätte Würger alles gesehen hat

Die Gaststätte Würger im Wandel der Zeit: Deckstellenleiter Hans Bardenhagen Ende der 1960er Jahre, „Tatort“-Darstellerin Maria Furtwängler 2002 und die Familien Büsing um 1850. Foto: NZ Grafik/Baur
Fast 200 Jahre prägte die Gaststätte Würger das Leben in Uthlede. NZ-Mitarbeiter Otto Baur erinnert sich besonders an den „Tatort“-Dreh mit Maria Furtwängler im Jahr 2002 – und an viele weitere Geschichten.
Hagen im Bremischen. Im Dezember schließt die Gastwirtschaft Würger in Uthlede. Damit gehen fast 200 Jahre Gaststättentradition zu Ende. Bereits 1713 wird Friedrich Mahlstedt im Haus Nummer 108 in einer alten Häuserchronik erwähnt. 1858 heiratete Diedrich Büsing hier ein.
Ein altes Foto zeigt, dass es hier schon Büsings Gastwirtschaft gab. Der Name Würger taucht Anfang des 20. Jahrhunderts auf, als Hans Würger hier einheiratete. Die Gaststätte wurde neben der Landwirtschaft betrieben.
Die Diele wurde zum Saal
Emil und Hanne Würger bauten nach dem Zweiten Weltkrieg die Gastronomie immer weiter aus. Mitte der 1960er Jahre wurde die Diele zum Saal umgebaut. Hier konnten Hochzeiten mit bis zu 70 Personen gefeiert werden. Neben Hochzeiten und Kohlfahrten gab es mehrmals im Jahr öffentliche Tanzveranstaltungen.

Eine Hochzeitsfeier 1971 noch auf dem alten Saal, der Platz für etwa 75 Personen bot. Foto: NZ/ Baur
„Und an beiden Oster- und Weihnachtstagen sowie Silvester war immer Ball“, erinnert sich Vera Fischer, geborene Würger, die mit Ausnahme ihrer Lehrzeit im Hotel Naber in Bremerhaven ihr ganzes Leben in der Gastwirtschaft Würger verbracht hat.
Sie erinnert sich noch, dass bei den Bällen der Saal bis auf den letzten Platz besetzt war und die Gäste noch in der Gaststätte und im Clubzimmer saßen. Bei Naber lernte Vera auch ihren Mann Carsten Fischer kennen, der dort ebenfalls eine Ausbildung machte.
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Scheune wurde zum Hengststall
Emil Würger sorgte für weitere Anziehungspunkte in seiner Gastwirtschaft. So wechselte nach über 100 Jahren Mitte der 1960er die Hengstdeckstelle des Niedersächsischen Landgestüts von der Gastwirtschaft Wolters zu Würger. Die Scheune wurde zum Hengststall umgebaut.
Als 1978 die Ortsdurchfahrt ausgebaut wurde, musste der Stall abgerissen werden, und Emil Würger ließ hinter der Gaststätte eine neue Anlage nach modernsten Gesichtspunkten bauen.
Hochzeiten und Hengstvorführungen
Ein besonderer Anziehungspunkt waren immer die Stutenschauen und Hengstvorführungen. Deckstellenleiter Hans Bardenhagen stellte hier viele Jahre den Hengst „Einblick“ mit der Hohen Schule am langen Zügel vor, eine Lektion, die „Einblick“ als einziger Hengst weit und breit beherrschte und für die das Duo immer viel Applaus bekam.
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Wegen des guten Zuspruchs war der Saal inzwischen zu klein geworden und wurde 1972 vergrößert. Zur gleichen Zeit entstanden im Obergeschoss des Hauses Fremdenzimmer. 1978 wurde der Konferenzraum angebaut und die Kegelbahn eingeweiht.
„Tatort“-Dreh im Jahr 2002
Prominentester Gast dürfte hier die Schauspielerin Maria Furtwängler gewesen sein, als 2002 einige Szenen für den Krimi „Hexentanz“ gedreht wurden. Die Uthleder Kegelschwestern Sabine Hagenah und Angela Hohorst spielten damals als Statistinnen mit und mussten dabei rauchen.
„Bei jeder Wiederholung einer Szene wurden unsere Zigaretten immer wieder auf die gleiche Länge abgeschnitten, damit alles zusammenpasste“, erinnerten sich damals die beiden. Die entscheidende Szene auf der Kegelbahn war aber Alle Neune, die Maria Furtwängler als Kommissarin Charlotte Lindholm noch im Weggehen warf.
Kurzes Interview mit Furtwängler
Der Regisseur wollte die Neune zusätzlich gern in Großaufnahme bringen, aber die wollten nicht fallen. „Da hatte Maria Furtwängler einen Moment Zeit für ein Interview auf dem Hof“, erinnert sich NZ-Mitarbeiter Otto Baur an die damals junge Kommissarin bei ihrem zweiten Fall.

Carsten Fischer betreibt seit Jahrzehnten die Gaststätte Würger in Uthlede. Ende des Jahres ist Schluss. Foto: NZ/ Iven
1985, also vor genau 40 Jahren, übernahmen Carsten und Vera Fischer den Betrieb. Der weithin bekannte Name Gaststätte Würger aber blieb. Als 1997 die Hengstdeckstelle nach genau 150 Jahren in Uthlede geschlossen wurde, bauten Fischers das Gebäude zum Hotel um, das immer gut belegt ist.
Gaststätte ist gut besucht und gut gebucht
In der Woche übernachten hier gern Berufstätige, die die Nähe zur Autobahn schätzen. Am Wochenende schlafen hier Hochzeitsgäste oder Teilnehmer der Seminare der Uthleder Hundeakademie.
„Auch die Traditionsmannschaft von Hansa Rostock und die Damen vom FC Bayern München waren schon hier“, sagt Carsten Fischer und zeigt stolz die Vereinswimpel, die seine Gäste ihm zum Dank geschenkt haben.
Stammgäste bleiben traurig zurück
Das wird nun Ende des Jahres alles vorbei sein. Viele Stammgäste bei den Übernachtungen sind ebenso traurig wie die langjährigen Gäste aus Schwanewede und Bremen-Nord, die immer wieder an den Grünkohl-, Spargel-, Fisch- und Gänsebratenessen teilnehmen, die mit einem Unterhaltungsprogramm zu Events werden.
„Aber ich bin alleinstehend und kann den Betrieb nicht allein führen“, sagt Sohn André Fischer (43). „Bei den zehn bis zwölf Stunden, die Vera, André und ich am Tag arbeiten, bräuchte er bestimmt vier fest angestellte Kräfte, um das Pensum in normalen Schichten zu bewältigen“, sagt Carsten Fischer, „und dann könnte er unsere Preise nicht mehr halten.“
So wird im Dezember eine Gaststättentradition enden, in der im Laufe der Jahre viele Höhepunkte der Uthleder Dorfgeschichte geschrieben worden sind. (nz/yvo)