TVergewaltigung einer 16-Jährigen in Stade? Im Zweifel für den Angeklagten

Vergewaltigung oder einvernehmlicher Sex? Mit dieser Frage musste sich das Landgericht Stade befassen. Foto: Koppe
Dass es Geschlechtsverkehr gegeben hat, steht außer Frage. Doch ob dieser gegen den Willen einer 16-Jährigen geschah, konnte nicht geklärt werden. Auch wegen der Aussagen des Mädchens.
Stade. Nach vier Verhandlungstagen mit der Vernehmung mehrerer Zeugen ist eigentlich nur eines sicher: Es gab eine Party mit vielen Menschen und viel Alkohol, definitiv Annäherungsversuche des 41-Jährigen gegenüber dem jungen Mädchen und auch Geschlechtsverkehr, wie im Nachhinein bei der medizinischen Untersuchung festgestellt wurde. Dass dieser unter Zwang erfolgte, dafür fehlten der 3. Großen Strafkammer eindeutige Beweise. Und die brauche das Gericht nun mal, um jemanden zu verurteilen, sagte der Vorsitzende Richter Marc-Sebastian Hase.
Angeklagter schweigt zu den Vorwürfen
Der Angeklagte hatte während des Prozesses sein Schweigerecht in Anspruch genommen, was, so der Richter, als ein „Nein - so war es nicht“ gedeutet wird. Die 16-Jährige hatte dagegen bei der Polizei und im Zeugenstand Angaben gemacht, die „erheblich voneinander abwichen“, so das Gericht. Was nicht an Erinnerungslücken liegen könne, da der Fall erst ein halbes Jahr her ist, sagte Hase.
Einmal hieß es, der Mann habe sie im Schlafzimmer festgehalten, als sie weglaufen wollte. Ein anderes Mal, als sie im Bett geschlafen habe, sei das Mädchen von dem gewaltsamen Eindringen überrascht worden und dann in Schockstarre verfallen. Ihrer Cousine, die sie nach Mitternacht aus der Stader Wohnung abholte, hatte sie sich unter Tränen anvertraut, worauf diese ihr riet, Anzeige zu erstatten.
Landgericht Stade
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Ein psychologisches Gutachten, wie es die Verteidiger Wolfgang Renner und Lorenz Hünnemeyer für die 16-Jährige gefordert hatten, lehnte das Gericht ab. Die Jugendliche, das bestätigten die Mutter, der bestellte Betreuer und die Leiterin der Jugendeinrichtung, in der sie untergebracht ist, wirke keinesfalls schizophren oder zeige irgendwelche psychologischen Auffälligkeiten.
Aussage gegen Aussage
Aller Wahrscheinlichkeit nach, mutmaßte die Kammer, habe sie dem Drängen des älteren Mannes nachgegeben und hinterher überlegt, „das ist doch keine so gute Sache gewesen“. Naheliegend sei, dass der Angeklagte die Unerfahrenheit der Minderjährigen für seine Zwecke genutzt habe. „Aber von ‚Ich möchte nicht’ bis hin zu einer Vergewaltigung ist eine große Bandbreite“, erklärte der Vorsitzende.
Fest steht, dass beide Alkohol getrunken hatten und dass das Mädchen im Laufe des Abends mehrere Möglichkeiten verstreichen ließ, die Wohnung zu verlassen. Nach Aussage einiger Zeugen hatten diese ihr angeboten, sie zu ihrer Cousine zu bringen, wo sie seit einem Zerwürfnis mit ihrer Mutter wohnte. Und fest steht auch: Es gibt keine Anzeichen für eine Gewaltanwendung, da laut medizinischer Untersuchung bei der 16-Jährigen keine erkennbaren körperlichen Verletzungen vorlagen.
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Dem Angeklagten, der nicht vorbestraft ist, wurde eine verminderte Intelligenz attestiert, was aber keine allzu große Rolle spielte. Letztendlich waren es die Zeugenaussagen, die kein bisschen Licht ins Dunkel brachten - und der fehlende Beweis für ein eindeutiges Nein.
Daher verhängte die Kammer den unausweichlichen Freispruch, nach dem Grundsatz: Im Zweifel für den Angeklagten. Allerdings mit einem „mulmigen Gefühl“ wie es Hase ausdrückte, der dem Angeklagten eindringlich mit auf den Weg gab: „Vielleicht nicht so gut, sich mit einer 16-Jährigen einzulassen. Darüber sollten Sie mal nachdenken.“