TVernachlässigt und versteigert: So lief die Pferde-Auktion im Landkreis

Vor der Versteigerung werden die vier Stuten den Besuchern auf Hof Ropers in Issendorf vorgeführt. Sie stammen aus einer Tierentnahme des Veterinäramtes. Foto: Kathariana Wiegand
Vier Zuchtstuten und ein Rapphengst wurden ihren Haltern entzogen. Jetzt wurden die Tiere versteigert - in Rekordtempo und zu diesen Preisen.
Harsefeld. Rund 200 Pferdeliebhaber, Hobbyreiter und Züchter aus allen Teilen des Landes hatten sich auf den Weg gemacht, um am Sonnabend auf dem Hof Ropers in Issendorf bei der Versteigerung der vier jungen Zuchtstuten dabei zu sein. Sie stammen von einem Hof in einem kleinen Ort an der Oste. Um 15 Uhr soll das erste Gebot abgegeben werden. Vorher können die Interessenten die Jungpferde begutachten.
Stuten aus alten Linien
Astrid Graf ist eigens aus Bargfeld-Stegen nahe Hamburg angereist. Sie hat Interesse, zwei der Stuten für den Zuchtbetrieb ihrer Tochter Joana zu erwerben. „Die Stuten hier stammen aus einer alten Linie“, erklärt die Pferdeexpertin. Mit Despacito als Vater, ein prämierter Zuchthengst aus dem Hemmoorer Gestüt Pape, hätten auch sie das Potenzial, hervorragende Dressurpferde und Zuchtstuten zu werden.

Gut 200 Interessenten verfolgten die Auktion der jungen Zuchtstuten in Issendorf. Nach 15 Minuten hatte Auktionator Jörg-Wilhelm Wegener alle Pferde versteigert. Foto: Dammer
Diese Ambitionen hatte möglicherweise auch der bisherige Halter, als er die Pferde erwarb. Doch im November des vergangenen Jahres wurden ihm die Warmblüter entzogen. „Sie waren wild und verwahrlost“, hat Astrid Graf gehört. Das Stader Amt für Verbraucherschutz und Veterinärwesen revidiert dieses Gerücht.
Amtstierärztin Dr. Sibylle Witthöft erklärt auf Anfrage: „Im vorliegenden Fall waren die Pferde – mit Ausnahme eines Tieres - als sie fortgenommen wurden, in keinem schlechten Zustand. Der ehemalige Halter war jedoch unserer Anordnung, seine Pferde abzugeben, nicht nachgekommen, sodass wir sie schließlich fortnehmen mussten.“
Pferde sind geimpft und haben Papiere
Das liegt acht Wochen zurück. An diesem Nachmittag schimmert das Fell der beiden Fuchstuten (geboren 2023 und 2020) golden in der Wintersonne, die glänzende Rappstute (geboren 2021 und Nachkommenschaft von Despacito) sowie ihre dreijährige dunkelbraune Schwester galoppieren ausgelassen über den Vorführplatz - ihre Bewegungen werden aufmerksam beobachtet.

Die junge Dressurreiterin hat Gefallen an der kleinen Fuchsstute gefunden und streichelt deren Kopf. Foto: Dammer
„Es ist gut, dass man die Pferde so sehen kann“, erklärt Astrid Graf. Die Pferde haben Papiere und es gibt den Nachweis amtstierärztlicher Untersuchungen. Geimpft sind sie mittlerweile auch. Aber Röntgenaufnahmen gibt es nicht. „Da kauft man dann doch ein bisschen die Katze im Sack“, bestätigt die Mutter einer jungen und erfolgreichen Dressurreiterin aus Harsefeld.
Verkauf ohne teure Röntgenbilder
„Beim regulären Verkauf von Zuchtpferden müssen den Pässen auch Röntgenbilder beigegeben werden“, erläutert Dr. Katharina Wiegand. Diese sind jedoch sehr teuer, sodass das Veterinäramt in diesem Fall auf das Röntgen verzichtet habe, so Wiegand. Sie ist Gutachterin, Geschäftsführerin des Vereins Pferdeland Niedersachsen und Büropartnerin des Auktionators Jörg-Wilhelm Wegener, der in Issendorf die vier jungen Stuten versteigert.
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Zwei Stunden zuvor hatte Wegener bereits in Engelschoff den Rapphengst für 3500 Euro versteigert. Die Tiere werden auf den beiden Höfen versteigert, wo sie nach der Entnahme versorgt und gepflegt wurden. Sie sollen möglichst wenig Stress ausgesetzt werden, so Wiegand. „Immerhin hat diese Versteigerung einen traurigen Hintergrund.“
Sie lobt das Engagement der Höfe Wolter und Ropers, die sich als Partner des Veterinäramtes um die vernachlässigten Tiere kümmern: „Toll, dass es solche Menschen gibt.“ Das Veterinäramt selbst hat keine Unterstellmöglichkeit für solche Nutztiere.
Tierhaltung hat sich enorm verteuert
Es gibt verschiedene Gründe, warum Tierhalter ihre Tiere vernachlässigen. Astrid Graf sieht mögliche Ursachen in den hohen Unterhaltskosten für Pferde. „Futter und Tierarztkosten sind enorm gestiegen“, ist ihre Erfahrung. Das könne die Möglichkeiten von privaten Pferdehaltern schnell übersteigen.
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Für Tierentnahmen, so Amtstierärztin Sibylle Witthöft, gebe es auch andere Gründe. Im vergangenen Jahr wurden im Landkreis Stade 324 Tiere wegen Tierschutzverstößen oder Zurücklassung durch die Halter entzogen. Bei Nutztieren waren das 172 Rinder, 19 Pferde, 17 Hühner und Enten und 15 Schafe und Ziegen.
Verstöße gegen den Tierschutz, nicht artgerechte Haltung oder Vernachlässigung, das Zurücklassen von Tieren, weil der Halter verstorben ist, oder ein Tierhalteverbot sind Gründe für mögliche Einziehungen. Bei Kleintieren spielt oft auch das Phänomen des Animal Hording eine Rolle.
Auktion startet bei 500 Euro
Pünktlich um 15 Uhr beginnt mit einem Grundgebot von 500 Euro in der Scheune die Versteigerung. Jörg-Wilhelm Wegener ist in der Menge der Menschen kaum zu sehen. Hier gibt es keinen Hammer. Der Auktionator zeigt auf denjenigen, der gerade sein Gebot abgegeben hat. Schnell steigen die Gebote auf über 3000 Euro. „3100. 3300. Ich höre 3500 Euro. Wer bietet mehr als 3500 Euro? 3600 Euro! Kein weiteres Gebot? 3600 Euro, zum Ersten, zum Zweiten und … die kleine Fuchsstute gehört Ihnen.“
Nach 15 Minuten ist die Auktion vorbei. Die zweite Fuchsstute bringt 3500 Euro, die Rappstute geht für 5000 Euro und die dunkelbraune Stute für 5200 Euro an die neuen Besitzer. Diese beeilen sich, zu bezahlen und die Pferde zu verladen. Kurz nach der Auktion ist der Hof Ropers wieder leer.

Junge Zuchtstute mit berühmtem Vater: Diese dunkelbraune Stute ist ein Nachkomme des prämierten Zuchthengstes Despacito. Ihre guten Gene und die gute Pflege auf dem Hof Ropers brachten einen Erlös von 5200 Euro. Foto: Dammer
Pferde auf dem Weg in ihr neues Zuhause
Nur eines der fünf Pferde bleibt im Landkreis, die anderen finden in anderen Bundesländern ein neues Zuhause. Ob sie dort besser behandelt werden? „Das bleibt zu hoffen“, sagt Katharina Wiegand. Diese Auktion diene ja dem Tierwohl.
Normalerweise werden die Interessenten dadurch überprüft, dass sie sich vor einer Versteigerung registrieren müssen. In diesem Fall war die Zeit dafür zu kurz. Aber, das ergab die Nachfrage bei der Pressestelle des Landkreises: „Die Abgabe eines Höchstgebots kann zumindest auf ausreichend finanzielle Ressourcen hinweisen, um tierschutzgerechte Haltungsbedingungen sicherzustellen.“ Der Erlös der Auktion geht nach Abzug aller Kosten an den ursprünglichen Eigentümer.