TVernarrt in Statistiken: Diesem Team entgeht nichts auf dem Basketball-Feld

Zwischen den Trainerbänken befinden sich bei den VfL-Heimspielen das Kampfgericht und die Scouting-Abteilung. Foto: Wolf
Ihren Augen entgeht nichts: Acht Personen bilden das Kampfgericht und die Scouting-Abteilung bei den Heimspielen des VfL Stade in der Basketball-Regionalliga. Dem Trainer und der Mannschaft liefern sie wertvolle Einblicke.
Stade. Sonnabend, 19.15 Uhr. In wenigen Minuten beginnt die Partie des VfL Stade gegen Göttingen. An mehreren aneinandergereihten Tischen haben acht Personen Platz genommen. Sie bilden das Kampfgericht und die Scouting-Abteilung.
Kurz vor dem Anpfiff stellen die Schiedsrichter ihre Wasserflaschen auf den Tischen ab. Unterstützt werden sie vom Kampfgericht, indem es unter anderem das Ergebnis, die Fouls und Auszeiten notiert und die Zeitanlagen bedient. Dazu gehören im neuen Sportcampus zwei Anzeigetafeln, die Spielzeit und die 24-Sekunden-Uhr, die bei jedem Angriff neu gestartet wird.
„Das ist gar nicht so einfach“, sagt Manuel Reiter, Jugendtrainer beim VfL Stade und seit mehreren Jahren verantwortlich für das Kampfgericht und das Scouting, „die 24-Sekunden-Uhr und die Spieluhr werden von zwei verschiedenen Personen gestartet. Allerdings muss man die Spieluhr immer zuerst starten, sonst kann die 24-Sekunden-Uhr nicht starten.“ Das kann auch mal schief gehen, wird heute aber von Florian Günther und Jana Roth souverän gemanagt.
Online-Kurs mit Test für Zeitnehmer
Reiter selbst ist Anschreiber-Assistent. Das heißt, er unterstützt Anschreiberin Frieda Kors, die den Spielbogen ausfüllt. Erstes Viertel mit schwarzem Stift, zweites Viertel mit einem roten. Führt ein Dreipunktewurf zu einem neuen Spielstand, kommt ein Kreis um die Zahl, Freiwürfe werden mit einem Strich gekennzeichnet. Keine Auswechslung oder Auszeit entgeht ihr bei ihrem sechsten Regionalliga-Einsatz als Anschreiberin. Kors ist selbst Schiedsrichterin.

Manuel Reiter, seit mehreren Jahren beim VfL Stade für Kampfgericht und Scouting verantwortlich. Foto: Wolf
Um Anschreiber oder Zeitnehmer zu werden, schreibt der Verband einen Online-Kurs mit anschließendem Test vor. „Im Prinzip ein bisschen erweiterte Regelkunde“, sagt Reiter. Die meisten Mitglieder des Kampfgerichts sind Nachwuchsschiedsrichter oder seit vielen Jahren dabei. Rund 15 Personen gehören zum erweiterten Helferkreis, die meisten aus dem Nachwuchsbereich.
Scoutingteam erfasst zahlreiche Aktionen
Ganz außen am Tisch sitzt die Scouting-Abteilung, drei Jungs: Jonathan Vehse, Hendrik Winkelmann und Nick Kroschewski. „Nummer 21: Dreier, nicht getroffen ... Nummer 34: Rebound ... Nummer 6: getroffen ... Spielerwechsel: 4 raus, 20 rein.“ Fast pausenlos sagt Nick Kroschewski die Geschehnisse auf dem Spielfeld an, während Hendrik Winkelmann sie auf dem Laptop erfasst.
Jonathan Vehse behält die Lage ebenfalls im Blick und hilft im Notfall mit. Neben den Daten, die Frieda Kors auf dem Spielbogen erfasst, notieren sie darüber hinaus die Statistiken für jeden Spieler und jedes Team. Rebounds, Assists, Ballverluste, Blocks, Fehlwürfe, Wurfpositionen und so weiter.
Scouting, also die statistische Erfassung des Spiels und der Spieler, ist im Basketball sehr wichtig. Ab der Regionalliga wird die komplette Statistik mit vielen Einzelheiten erfasst und den Trainern zur Verfügung gestellt.
Basketball prädestiniert für Statistik-Fans
Wie kommt es zur Zahlenvernarrtheit? Begonnen hat der Trend in der nordamerikanischen Profiliga NBA und schwappte von dort auch nach Deutschland. „Der Basketball bietet sich dafür an“, sagt Reiter, „im Fußball wird es relativ schnell komplex, hier hat man viel mehr Parameter, die man einfach zählen kann. Wer sammelt wie viele Abpraller? Wer gibt wie viel Assists?“
Die Zahlen haben großen Einfluss. „Wenn du einen neuen Spieler suchst, schickt dir der Agent zuerst die Statistik des Spielers, dann ein paar Highlights, dann erst ein ganzes Spiel“, erklärt VfL-Coach Joan Rallo Fernández. Wenige Rebounds mehr im Jahresschnitt können für einen Vertragsabschluss oder Gehaltsgespräche entscheidend sein.

Anschreiberin Frieda Kors und Florian Günther (links), der zusammen mit Jana Roth die Uhren bedient. Foto: Wolf
Auch im Spiel sind die Erhebungen hilfreich. „Normalerweise bestätigt der Statistikzettel mein Bauchgefühl. Aber es ist viel leichter, wenn man mit handfesten Zahlen belegen kann, dass das Team zum Beispiel die Rebounds verbessern muss“, sagt Fernández.
Nach dem Spiel gehen die Daten online
Und manchmal verrät die Statistik noch mehr: „Wenn ein Spieler wechseln möchte, schaut er sich oft ganz genau seine Statistik an. Und wehe, es wurde etwas nicht erfasst, dann wird er richtig sauer“, sagt Fernández. In Stade kommen solche Fehler aber praktisch nicht vor. Das Scouting-Team mache einen sehr guten Job.
Ein Job, der sich an diesem Sonnabend dem Ende zuneigt. Die Partie ist vorbei, der VfL Stade hat verloren. Jetzt werden die Daten online an die Liga übermittelt, Ausdrucke für die Trainer angefertigt. Falls der Drucker nicht streikt - das ist beinahe das einzige Problem, mit dem sich das Team ab und an herumplagt. Doch heute streikt der Drucker zum Glück nicht.