TVierfach-Mord: Schwester und Notärztin schildern erschütternde Details
Der Angeklagte sitzt vor Prozessbeginn im Gerichtssaal im Landgericht Verden. Der Soldat soll vier Menschen aus dem Umfeld seiner damaligen Ehefrau nahe Scheeßel erschossen haben. Foto: Sina Schuldt
Ein Soldat soll vier Menschen erschossen haben. Seine Schwester weint bitterlich nach ihrer Aussage vor Gericht und die Notärztin schildert traurige Szenen der Mordnacht.
Scheeßel. Die beiden letzten Fotos im WhatsApp-Status des Angeklagten Florian G. in der Mordnacht zum 1. März 2024 könnten nicht widersprüchlicher sein. Ein Bild zeigt seinen kleinen Sohn neben dem Familienhund. „Immerhin hatten wir noch ein schönes Wochenende“, schrieb der 33-Jährige dazu. Auf dem nächsten Bild sind die Waffen zu sehen, mit denen er zuvor vier Menschen erschossen haben soll. Dazu der Kommentar: „Wer Wind sät, wird Sturm ernten.“
„Das war direkt danach in seinem WhatsApp-Status“, sagte seine 31 Jahre alte Schwester am 19. Verhandlungstag des Landgerichtsprozesses. Vor den Taten habe sie von den Eheproblemen gewusst, dass ihre damalige Schwägerin die Scheidung gewollt habe, aber von deren „Affäre“ mit dem dann erschossenen 30-Jährigen aus Westervesede habe sie erst in der Tatnacht erfahren. Ihr Bruder soll ihr dieselbe lange Textnachricht geschickt haben, wie seinen Kameraden bei der Bundeswehr. Unmittelbar nachdem er den Nebenbuhler, dessen 55 Jahre alte Mutter sowie in Brockel die beste Freundin seiner damaligen Ehefrau und in den Armen der 33-Jährigen deren dreijährige Tochter erschossen habe.
Florian G. schreibt Brief an seine Schwester
Ob sich ihr Bruder später von der Tat distanziert habe, wurde die Zeugin gefragt. „In einem der ersten Briefe, den wir erhalten haben, hat er geschrieben, dass das, was er getan hat, schrecklich war, aber, dass die Menschen sein Leben zerstört haben“, so die Schwester von Florian G..
Kein Wort der Reue, ganz im Gegenteil. Er soll dieselbe erschreckende Aussage gemacht haben, wie beim psychiatrischen Sachverständigen. „Dass es ihm besser geht, er besser schlafen, besser essen kann“, sagte die Zeugin, die nach ihrer Aussage bitterlich weinte. Und, dass es ihm „im Gefängnis, im Vergleich zur Bundeswehr, besser geht“.
Gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen soll der zuletzt in Seedorf stationierte Soldat in der Untersuchungshaft jedoch gesagt haben, dass er mit Leidenschaft bei der Bundeswehr gewesen sei. Seit er dort war, habe er sich jedoch mehr zum „Höhlenmensch“ entwickelt, so habe er es selber formuliert. Mit der Geburt seines ersten Sohnes sei er zum „Familienmenschen“ geworden.
Laut seines ehemaligen Truppführers fehlt es dem 33-Jährigen an Sozialkompetenz. Wie er zu dieser „barschen Aussage“ komme, hakte der Vorsitzende Richter Volker Stronczyk nach. „Weil ich ihn acht Jahre ausgebildet habe.“ „Introvertiert“ sei der Angeklagte, aber „als Schütze war er gut“. Angesichts der Taten eine befremdliche Aussage.
Soldaten lernen nicht, Unbewaffnete zu erschießen
In der Anklageschrift heißt es, dass Florian G. wie beim Häuserkampf vorgegangen sei. Das sei „der wichtigste Punkt und das ist es, was ich nicht verstehe“, sagte der Zeuge. Von Anfang an werde den Soldaten beigebracht, dass es ums „selektive Schießen“ geht. „Wir vernichten Feinde“, erklärte der 42-Jährige, „aber niemals Unbeteiligte, Unbewaffnete. Alle, die unbewaffnet sind, setzen wir fest und erschießen sie nicht. Schon gar nicht Kinder oder Frauen.“
Der Vorsitzende beschrieb dem Zeugen, was eine Kamera am zweiten Tatort, dem Kinderzimmer der getöteten Dreijährigen, aufgezeichnet habe. „Da sehen wir, dass dort Herr G., angenommen er ist das, die Tür auftritt. Er hat die Waffe und schießt sofort, ohne sich zu vergewissern.“ Ob man ihm das so beigebracht habe? „Das ist nicht das Bild, das ich jahrelang vermittelt habe“, so der Zeuge über den „Präzisionsschützen“, der zwar mit ihm im Ausland, Mali und Jordanien, gewesen sei, dort aber nie Kampfeinsätze gehabt habe.
Notärztin schildert traurige Situation
Von der ersten Zeugin an diesem 19. Verhandlungstag gab es die traurigsten Aussagen. Die Notärztin hatte am ersten Tatort Kontakt zu dem Kind, dessen Vater erschossen worden ist. Sehr aufgelöst sei der Junge gewesen und besorgt um seinen Großvater. „Ich mache mir Gedanken über meinen Opa, der hat gerade seinen Sohn verloren. Der Sohn ist mein Papa, der ist tot.“
Beide seien nach Rotenburg ins Krankenhaus gebracht worden. Nur Socken habe der heute Siebenjährige getragen, deshalb habe sie ihn dort auf den Arm genommen und ins Gebäude getragen. „Das war ein inniges Anklammern“, sagte die Zeugin. Am Eingang hätten zwei vermummte und bewaffnete Polizisten gestanden. „Habt ihr den schon gefunden, der meinen Papa erschossen hat?“, habe der Junge gefragt. Da hätten auch die Polizisten geschluckt.
Am Mittwoch wird der Prozess fortgesetzt. Weil die Anwälte der Opferfamilien verhindert sind, soll nur etwas aus den Akten verlesen werden. Zu dem darauffolgenden Termin am 11. Februar ist die Ex-Frau des Angeklagten als Zeugin geladen.