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75 Jahre Edeka Tiedemann

TVon Kaufmannsehre, Wagenrennen im Laden und Eis für ein paar Groschen

Familie Tiedemann feiert das 75-Jährige ihres Unternehmens mit viel Herz für Oldendorf - Martina und Michael Tiedemann und dessen Mutter Margret Meyer.

Familie Tiedemann feiert das 75-Jährige ihres Unternehmens mit viel Herz für Oldendorf - Martina und Michael Tiedemann und dessen Mutter Margret Meyer. Foto: Klempow

Andere hatten Tante Emma. Oldendorf hatte Onkel Heinz und Tante Irmgard. Vor 75 Jahren eröffneten Tiedemanns ihren Laden. Erinnerungen werden wach - auch an angebissenes Domino-Eis.

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Von Grit Klempow
Dienstag, 30.09.2025, 05:50 Uhr

Oldendorf. Der Blick in die Firmenhistorie ist wie das Blättern im Familienalbum. Michael Tiedemann ist Enkel des Gründers und selbst schon seit fast 30 Jahren Geschäftsführer des Edeka-Marktes in Oldendorf. Wenn er über seinen Opa spricht, schwingt viel mit: Respekt, Wertschätzung und Enkelliebe.
Der Start 1950 war nicht leicht. Nicht für Heinz, der von einem Bauernhof in Oldendorf stammte und als jüngeres von sieben Kindern ein Auskommen finden musste. Und schon gar nicht für seine junge Frau Irmgard, die es in den Wirren des Krieges mit ihrer Familie nach Oldendorf verschlagen hatte. Aber sie hielten zusammen.

Die Sehnsucht nach der Familie

Der berufliche Neuanfang war „aus der Not heraus“ geboren - so hat es Heinz Tiedemann selbst geschrieben. Die 90 Mark im Monat, bei Kost und Logis für einen Verkäufer reichten nach der Heirat 1949 hinten und vorn nicht mehr.

Er wurde Vertreter, aber sein großer Bezirk, der bis an die Weser reichte und den er meist mit dem Fahrrad abfuhr, sorgte für unendlich lange Arbeitstage. Das setzte ihm zu: „Dass das zum Teil abenteuerlich war, kann man sich denken. Aber meine junge Frau mit unseren Zwillingen hat natürlich genauso Sehnsucht gehabt wie ich.“

Heinz Tiedemann vor seinem Markt am ersten Standort in der Oldendorfer Hauptstraße.

Heinz Tiedemann vor seinem Markt am ersten Standort in der Oldendorfer Hauptstraße. Foto: privat

Um das zu ändern, wollte sich der junge Familienvater selbstständig machen. Er zog über die Nachbardörfer, mit Kurzwaren, Nähgarn oder Schnürsenkeln und arbeitete als Handlanger beim Bau eines Geschäftshauses. Sein Vater bürgte schließlich für den Kredit - und am 29. September 1950 eröffneten Tiedemanns ihren ersten Laden in der Hauptstraße.

„Ich weiß auch nicht, woher ich den Mut nahm, ich war 23 und Irmgard 19 Jahre. Aber der Wille war da, etwas aufzubauen, selbstständig zu sein und Irmgard hatte Vertrauen zu mir.“

Innig liebendes Ehepaar

Aus den Erinnerungen des Firmengründers spricht, was die Familie bestätigt: Das bedingungslose Vertrauen der beiden zueinander und der Stellenwert, den die Familie für beide hatte. „Ich habe sie immer als inniges, sich liebendes Ehepaar erlebt“, sagt Margret Meyer. Auch für sie als Schwiegertochter wurde „Tiedemann, Gemischtwaren, Textilien und Porzellan“ zum Beruf. „Man muss es zusammen machen“, das war ein leiser Hinweis des Schwiegervaters.

Werbeaktion: Ein Doppeldeckerbus vor dem ehemaligen Edeka-Markt, in dem heute die Drogerie geöffnet hat.

Werbeaktion: Ein Doppeldeckerbus vor dem ehemaligen Edeka-Markt, in dem heute die Drogerie geöffnet hat. Foto: Archiv Tiedemann

Im Gegenzug übertrug er ihr auch Verantwortung, ließ sie die Buchführung machen. „Die Männer hatten die Geschäftsführung, die Frauen das Sagen“, sagt Michael Tiedemann. Die Unternehmensleitung ist auch bei ihm und seiner Frau Martina Teamsache.

Vor 15 Jahren: Anstoßen auf ein neues Firmen- und Familienkapitel: Michael und Martina Tiedemann, Oma Irmgard Tiedemann und Margret Meyer.

Vor 15 Jahren: Anstoßen auf ein neues Firmen- und Familienkapitel: Michael und Martina Tiedemann, Oma Irmgard Tiedemann und Margret Meyer. Foto: privat

Die Tatkraft seiner Mutter und der Rückhalt der Familie halfen über eine schwere Zeit hinweg. 1986 hatten seine Eltern das Geschäft übernommen. Als sein Vater Wolfgang plötzlich starb, da war es Margret Tiedemann, die den Laden bis 1996 mit Unterstützung ihres Schwiegervaters führte. Solange, bis Michael als 24-Jähriger genügend Erfahrung gesammelt hatte, um in die Fußstapfen seiner Großeltern und Eltern zu treten.

Opa Heinz im Kaufmannskittel

Viele seiner Kindheitserinnerungen sind geprägt vom Laden. Die Schaufensterdekoration nach Totensonntag - mit all den Spielsachen. Wie Opa Heinz in Kittel, Hemd und mit Krawatte seine Kaufmannsehre zeigte.

Nach dem zweiten Umzug - der Supermarkt gegenüber der Kirche. Heute steht dort die Seniorenresidenz.

Nach dem zweiten Umzug - der Supermarkt gegenüber der Kirche. Heute steht dort die Seniorenresidenz. Foto: privat

Dass die Enkel die eingedrückten Schokoküsse naschen durften, führte zu einem rasanten Anstieg mangelhafter Exemplare. Das Vergnügen, mit Einkaufswagen durch den Gang zu sausen, bekam einen großen Dämpfer „nachdem mein Cousin einmal eine Palette Korn umgefahren hat“, erinnert sich Michael Tiedemann.

Sie hielten ihr Leben lang fest zusammen: Irmgard und Heinz Tiedemann.

Sie hielten ihr Leben lang fest zusammen: Irmgard und Heinz Tiedemann. Foto: Klempow

Der Zusammenhalt zählte, auch daran erinnert sich Tiedemann. „Wir hatten immer tolle Mitarbeiterinnen.“ Die gehörten schon zur Familie, manche wohnten auch gleich bei Tiedemanns. Und natürlich hatte der Laden ein großes Anschreibebuch - wer zum Bezahlen kam, dem tischte Oma Irmgard auch gleich noch Abendbrot auf.

Biss vom Domino-Eis

Mit einem Lächeln erinnert sich Margret Meyer an ihre liebsten Kunden - die Kinder. Sie scherzte mit ihnen. Als einmal einer der Jungs einen Groschen zu wenig für das Domino-Eis hatte, packte sie es aus, biss eine Ecke ab und sagte - „Jetzt kostet es nur noch 50 Pfennig.“ Klar, dass sie es selbst aß und der Lütte damals doch ein neues Eis zum kleinen Preis bekam.

Martina Tiedemann und ihre Schwiegermutter Margret Meyer.

Martina Tiedemann und ihre Schwiegermutter Margret Meyer. Foto: Klempow

Vieles hat sich seither geändert. Der alte Verkaufstresen hat eine neue Aufgabe in der Tiedemann’schen Privatküche bekommen. Das Geschäft ist in Oldendorf umgezogen, immer wieder auf neuesten Stand gebracht worden. Seit 15 Jahren ist der Edeka-Markt direkt hinter der Kirche zu finden, in Hammah gibt es einen zweiten Markt.

Nach dem zweiten Umzug - der Supermarkt gegenüber der Kirche. Heute steht dort die Seniorenresidenz.

Nach dem zweiten Umzug - der Supermarkt gegenüber der Kirche. Heute steht dort die Seniorenresidenz. Foto: privat

Anderes hat sich nicht geändert. Tiedemanns sind fest in Oldendorf verwurzelt. Zum 75-Jährigen zeigen sie Erinnerungsstücke als „Zeitreise“ aus ihrer Kaufmannsgeschichte im Markt. Sie feierten vorab mit der Dorfolympiade und laden zu Schlemmerabenden in die Märkte in Oldendorf und Hammah ein. Wie hatte Heinz Tiedemann es in seinen Lebenserinnerungen formuliert: „Ich denke, dass wir, Oma und Opa, letztlich doch die Vorarbeit (...) geleistet haben und der Name Tiedemann einen guten Ruf hat.“

Kaufmann Heinz Tiedemann in seinem Gemischtwarenladen in Oldendorf.

Kaufmann Heinz Tiedemann in seinem Gemischtwarenladen in Oldendorf. Foto: Archiv

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