TWarum die Heizkosten in diesem Wohngebiet in Drochtersen so niedrig sind

Anke Friesen-Schulz betreibt als Inhaberin und Geschäftsführerin der "Kehdinger Energie GmbH & Co. KG". Foto: Knappe
Apothekerin Anke Friesen-Schulz betreibt das bislang einzige Nahwärmenetz in Drochtersen mit aktuell 39 Hausanschlüssen. „Momentan sparen wir jährlich 320 Tonnen CO2 ein.“ Schließt die Gemeinde Drochtersen jetzt auch öffentliche Gebäude an?
Drochtersen. Anke Friesen-Schulz betont es mehrfach: Leicht sei es ihr damals in Drochtersen nicht gemacht worden, in ihrem eigenen Baugebiet eine klimafreundliche Wärmeversorgung zu installieren. Damals, das war vor etwa fünf Jahren. Da habe sie die Idee gehabt, selbst dringend benötigten Wohnraum in Drochtersen zu schaffen. Sie kaufte ein Baugebiet von etwa vier Hektar Größe und erschloss es mit einer eigens gegründeten Gesellschaft.
Im Baugebiet „Kehdinger Heimat“, an Triftweg und Grefenstraße gelegen, gibt es 51 Grundstücke. Inzwischen sind drei der vier Bauabschnitte fast komplett bebaut, nur noch drei freie Grundstücke gibt es. Die Vermarktung für den vierten Bauabschnitt soll 2024 starten. Entstanden sind Mehr-, Doppel- und Einfamilienhäuser, die Seniorenresidenz und ein Regenrückhaltebecken. Im Oktober übergab Friesen-Schulz die neuen Straßen samt Infrastruktur der Gemeinde.
Ursprünglich habe sie vorgehabt, ein energetisch völlig autarkes Wohngebiet zu schaffen. Bei der Stromversorgung sei das nicht gelungen. Zwar sei mit der Bundesnetzagentur bereits alles abgeklärt gewesen, doch ein Energiekonzern habe ihr eine Klage angekündigt. „Das konnte ich nicht durchkämpfen, also habe ich nur die Wärme gemacht.“
Drochtersen: Heizen mit Heißwasser aus Biogasanlage
Der Wärmelieferant für die Wärme im neuen Wohngebiet ist ein Landwirt, der in knapp 150 Metern Entfernung bereits seit 2009 eine Biogasanlage betreibt. Er hatte wegen der Abnahme von Wärme zuvor bereits mit der Gemeinde verhandelt. Daraus war aber nichts geworden, so entschied er sich, das Projekt mit der Privatinvestorin anzugehen. Seine Biogasanlage mit einer Bemessungsleistung von 500 Kilowatt pro Stunde verfügt über zwei Gärbehälter, die unter anderem mit Mais, Mist, Gülle und Silage befüllt werden und sowohl Strom und Wärme liefern. Der Strom wird an der Börse verkauft.
Mit der erzeugten Wärme trocknet der Landwirt Gärreste und heizt das Wohngebiet. Ein Pufferspeicher fasst circa 100 Tonnen heißes Wasser. In dem Behälter liegt die Temperatur bei um die 80 Grad. Das Heißwasser wird in die Heizzentrale von Anke Friesen-Schulz geleitet, von dort fließt es in unterirdischen Leitungen zu den Verteilerpunkten der einzelnen Gebäude. Auch Friesen-Schulz besitzt ein Vier-Parteien-Haus - „da liegen die Heizkosten für die Wohnungen mit gut 85 Quadratmetern bei jeweils knapp 50 Euro pro Monat. Die Mieter sind total happy.“ Um das Nahwärmenetz in Notfällen oder Spitzenlastzeiten abzusichern, gibt es in der Heizzentrale einen Gasheizkessel, der notfalls zugeschaltet werden kann. Das Wohngebiet „Kehdinger Heimat“ heize zu 99,9 Prozent CO2-frei, sagt Friesen-Schulz.
Angebot: Schulen und Rathaus an Nahwärmenetz anschließen
Sie hat der Gemeinde ein Angebot zum Anschluss kommunaler Gebäude - etwa Rathaus, Sportstätten, Schulen, Kitas - an ihr Nahwärmenetz unterbreitet. Das Angebot werde geprüft, sagte Bürgermeister Mike Eckhoff. Es muss in die Kommunale Wärmeplanung passen, zu der mittlerweile alle Kommunen verpflichtet sind. In Niedersachsen müssen die Gemeinden bis 2026 Pläne für ihre künftige Energieversorgung fertig haben.