TWarum die Macherei in Stade ein besonderer Arbeitsplatz ist

Benjamin Arnold arbeitet seit 2020 in der Wäscherei. Foto: Stehr
In der Macherei bieten Menschen mit Behinderung Dienstleistungen rund um Kleidung und Autos an. Neuerdings wird hier auch gezaubert. Ein Besuch.
Stade. Garne, Spulen, Maßbänder, Scheren und Nähmaschinen dominieren den kleinen Raum. Am großen Tisch in der Mitte ist Maren Gürtler damit beschäftigt, eine Gardine zu kürzen - von 2,45 Meter auf 2,29 Meter. Um ihren Hals hängt ein gelbes Maßband, die Nähmaschine rattert.
Weil Maren Gürtler aufgrund einer Beeinträchtigung Schwierigkeiten hat, eine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden, freut sie sich umso mehr über ihren neuen Job. Sie unterstützt in der kürzlich eröffneten Änderungsschneiderei Fadenzauber die gelernte Schneiderin Tea Kopadze. Fadenzauber gehört zur Macherei, einer Zweigstelle der Schwinge Werkstätten des Deutschen Roten Kreuzes in Stade.
40 Menschen mit Behinderung arbeiten in der Macherei
In dem 2020 eröffneten Dienstleistungszentrum am Haddorfer Grenzweg sind insgesamt 40 Menschen mit geistigen, körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen beschäftigt. Dazu kommen fünf hauptamtlich Beschäftigte und rund 15 Ehrenamtliche, die in der Secondhand-Boutique Allerhand helfen. Neben der Boutique und der neuen Änderungsschneiderei gehören noch eine Wäscherei, eine Fahrzeugreinigung und ein Speicher für Autoreifen zur Macherei. Außerdem werden hier Duftöle verpackt.

Maren Gürtler (links) freut sich über ihren neuen Job in der Schneiderei Fadenzauber. Sie unterstützt hier Schneiderin Tea Kopadze. Foto: Stehr
Bundesweit arbeiten rund 300.000 Erwachsene mit Behinderungen in Werkstätten und haben dort einen sicheren, unkündbaren Arbeitsplatz, sagt Ute Mahler. Sie begleitet als Fachbereichsleiterin die Beschäftigten in der Macherei.
„Menschen mit Behinderung können sich hier ausprobieren, den Kontakt mit Kunden üben und im besten Fall irgendwann einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt finden“, so Mahler. Allerdings klappe das in nur etwa einem Prozent der Fälle. Das liege auch daran, dass viele lieber in dem geschützten Umfeld der Werkstätten bleiben wollen. Zudem sei es nicht immer leicht, Unternehmen zu finden, die Menschen mit Behinderung beschäftigen wollen.

Werkstattleiter Michael Leska und Fachbereichleiterin Ute Mahler von den Schwinge Werkstätten freuen sich über die Neueröffnung der Schneiderei Fadenzauber. Foto: Stehr
Außerhalb der Macherei können Menschen mit Behinderung auf dem Gelände der 1976 eröffneten Schwinge Werkstätten unter anderem auch noch in einer Großwäscherei, in der Tischlerei, einer Großküche, im Bereich Garten- und Landschaftsbau sowie in der Montage arbeiten. Außerdem gibt es einige ausgelagerte Arbeitsplätze im Staatsarchiv, in Altenheimen, Kindergärten, auf Bauhöfen und in Supermärkten. Die Menschen mit Behinderung bleiben in dem Fall bei den Schwinge Werkstätten angestellt.
Rund 500 Menschen zwischen 18 und Anfang 60 werden am Standort in Stade betreut, einige leben in einer Langzeiteinrichtung auf dem Gelände. So wie Maren Gürtler. Sie fährt jeden Tag mit dem Rad zur Arbeit und freut sich, dass sie ihr Hobby hier zum Beruf machen konnte. Ihre Kreativität wird demnächst noch mehr gefordert sein, denn Fadenzauber bietet neben Textilreparaturen und Änderungen aller Art auch gezieltes Upcycling an. Dabei werden Abfallprodukte oder andere nicht mehr genutzte Stoffe zu neuwertigen Produkten verarbeitet.
„Die Kunden können zum Beispiel mit einer kaputten Jeans zu uns kommen und wir nähen eine Tasche daraus“, sagt Schneiderin Tea Kopadze. Schon in den ersten Wochen nach der Eröffnung sei das Angebot gut angenommen worden.
Alles unter einem Dach: Macherei nutzt Synergieeffekte
Das gelte auch für die übrigen Angebote der Macherei. „Wir profitieren stark von Synergieeffekten“, sagt Ute Mahler. Wer im Allerhand ein Kleidungsstück finde, das nicht optimal passt, kann es auf kurzem Weg ändern und danach gleich im Wäschewerk waschen, bügeln, legen und/oder chemisch reinigen lassen.

Maren Gürtler arbeitet in der kürzlich neu eröffneten Änderungsschneiderei Fadenzauber der Schwinge Werkstätten in Stade. Foto: Stehr
In der Wäscherei ist es warm und ein frischer Duft liegt in der Luft. Hier kümmern sich Mitarbeiter wie Benjamin Arnold darum, dass die großen Waschmaschinen mit bis zu 23 Kilo gefüllt werden. Im Nebenraum hängen Oberhemden, Daunenjacken und Ballkleider, die wieder sauber und glatt werden sollen.

Bettwäsche wird in den großen Mangeln wieder glatt und anschließend für die Kunden fein säuberlich zusammengelegt. Foto: Stehr
Ein Stück weiter steht Manuela Schupp im Dampf am Bügelbrett. Sie ist vor einem Jahr aus der Großküche ins Wäschewerk gewechselt. Ines Meyer-Dammann ist schon seit zwei Jahren dabei. Sie nimmt Ware an und arbeitet an der großen Mangel. „Ich mache alles außer bügeln“, sagt sie. Zusammen mit Svenja Matthees legt sie gerade ein Stück Bettwäsche zusammen.

Im Wäschewerk wird gewaschen, gebügelt und gereinigt. Foto: Stehr
Eine Tür weiter zuppelt eine Mitarbeiterin gerade an einer Schaufensterpuppe herum. „Ich muss die heute schon zum dritten Mal umziehen“, sagt sie. Das Kleid, das die Puppe trägt, ist gerade für wenig Geld verkauft worden. In der Secondhand-Boutique Allerhand aus zweiter Hand ist einfach immer was los, sagt Ute Mahler. Hier bekommen Kleidung, Geschirr, Spielsachen und Sportartikel eine zweite Chance. Besonders beliebt seien Handtaschen.

Elke Böttjer (links) und Tatjana Kastel sind in der Secondhand-Boutique Allerhand beschäftigt. Foto: Stehr
Die Menschen mit Behinderung, die hier an der Kasse stehen oder Sachen sortieren, werden von Ehrenamtlichen unterstützt. Wer etwas abgeben möchte, kann einfach vorbeikommen. Die Sachen sollten aber gewaschen und nicht kaputt sein. Wenn doch mal jemand etwas abgibt, das nicht weiter verkauft werden kann, landet der Stoff im Fadenzauber. Womöglich wird daraus dann ein schickes Unikat.

Mika, Jessica und David bringen in der Fahrzeugreinigung Autos zum Glänzen. Foto: Stehr
Schick gemacht werden in der Macherei auch Autos. In der Halle der Fahrzeugreinigung steht gerade ein teurer SUV auf der Hebebühne. Robert, Mika, Jessica und David haben ihn schon von oben, unten, innen und außen gereinigt und polieren ihn nun auf Hochglanz. Der Service ist so beliebt, dass Termine in den kommenden drei Monaten ausgebucht sind, berichtet Michael Leska, Werkstattleiter der Schwinge Werkstätten.

Markus bedient die elektrische "Ameise" in der großen Reifenhalle. Foto: Stehr
Viele Kunden nutzen auch den Radspeicher der Macherei. In dem technischen Dienstleistungszentrum läuft es buchstäblich rund. Hier sind in einer riesigen Halle unzählige Autoreifen und Felgen verschiedenster Modelle und Größen eingelagert, die von den Mitarbeitern je nach Bedarf gewechselt, gewuchtet und montiert werden.
Auf der Hebebühne landen hier zum Reifenwechsel auch regelmäßig die DRK-Rettungswagen und die Fahrzeuge der DRK-Sozialstation. Kleinstreparaturen und Inspektionen werden ebenfalls im Radspeicher durchgeführt. Dank vollautomatischer Montiergeräte und weiterer modernster Geräte ist hier sicheres Arbeiten mit geringer Unfallgefahr gewährleistet, sagt Leska.
Inzwischen ist es Nachmittag und die Macherei-Mitarbeiter bereiten sich auf ihren Feierabend vor. Morgen früh um 8 Uhr stehen sie wieder auf der Matte, um zu waschen, zu bügeln, zu nähen, zu verkaufen, zu putzen und zu reparieren. Getreu dem Motto: Wir machen das.
Geöffnet ist die Macherei immer montags bis donnerstags von 8 bis 16 Uhr und freitags von 8 bis 14 Uhr.
https://www.macherei-stade.de/
Einer der größten Arbeitgeber in der Region
Der DRK-Kreisverband hat rund 10.000 Mitglieder, die sich in 31 DRK-Ortsvereinen engagieren und ist einer der größten Arbeitgeber in der Region. Rund 1860 Angestellte sind in den Werkstätten für Menschen mit Beeinträchtigungen an den Standorten Stade und Buxtehude, in 25 Kindertagesstätten, in fünf Tagespflegen sowie in zehn Einrichtungen des Betreuten Wohnens, in fünf Alten- und Pflegeheimen sowie im Rettungsdienst beschäftigt.
Der Rettungsdienst des DRK-Kreisverbands Stade ist rund um die Uhr mit sieben über den gesamten Landkreis verteilten Rettungswachen im Einsatz und arbeitet eng mit den Elbe Kliniken in Stade und Buxtehude zusammen. Zur Flotte gehören zwölf Rettungswagen, sechs Krankentransportwagen und zwei Notarzteinsatzfahrzeuge.