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TWas ist Slow Fashion? Hier gibt es in Stade entschleunigte Mode

Professorin Martina Glomb hat hochwertige und langlebige Mode von Vivienne Westwood mitgebracht. Sie selbst trägt ein Slow-Fashion-Kleid aus mehreren Herrenpullovern.

Professorin Martina Glomb hat hochwertige und langlebige Mode von Vivienne Westwood mitgebracht. Sie selbst trägt ein Slow-Fashion-Kleid aus mehreren Herrenpullovern. Foto: Alexandra Bisping

Trendige Mode, nach neuesten Kollektionen schnell entworfen, kurz getragen und oft flugs entsorgt: Fast Fashion ist ein gängiger Begriff. Was ist Slow Fashion? Ein Einblick - und wo sie in Stade erhältlich ist.

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Von Alexandra Bisping
Dienstag, 02.04.2024, 18:55 Uhr

Stade. Die Farben aus der vergangenen Saison? Out. Der Schnitt? Von gestern. Es muss ein neuer her. Von diesem System nährt sich Fast Fashion. Günstige Mode, oft umweltschädlich und ausbeuterisch in großen Mengen hergestellt. Wie lässt sich dem entgegenwirken? Zum Beispiel durch Slow Fashion.

Was sich dahinter verbirgt, brachte Martina Glomb an einem Abend den Stadern im großen Saal der IHK Stade näher. Die Professorin leitet den Studiengang Modedesign an der Hochschule Hannover. Eingeladen hatte die Stader Gesellschaft für Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Thema ihres Vortrags: Slow Fashion gegen Verschwendung und hässliche Kleider.

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Herstellung unter schrecklichen Bedingungen

„Wir finden hässlich: unfaire Bedingungen am Ende der Lieferkette, Kleidung, die unter hässlichen und schrecklichen Bedingungen hergestellt wurde“, erklärt die Referentin den Titel. Ein Blick aufs Etikett in der Kleidung verrate viel über das Herstellungsland: Bangladesch, China, Indien, bisweilen Italien.

90 Prozent der in Deutschland verkauften Bekleidung wird importiert, mehr als 50 Prozent in Asien produziert, weiß das Internetportal Quarks. Im Klartext: Bevor ein T-Shirt über eine deutsche Ladentheke geht, hat es möglicherweise 20.000 Kilometer zurückgelegt.

Und nicht nur das sollte nachdenklich stimmen: Laut Quarks arbeiten in Asien sieben Prozent aller Kinder und damit 62 Millionen unter ausbeuterischen Bedingungen.

Bis zu 20 Prozent: Verschnitt wird verbrannt

Zu viel wird produziert und was an Material übrigbleibt weggeschmissen. Pro Kleidungsstück gebe es in der Industrie bis zu 20 Prozent Verschnitt, der werde oft verbrannt, erklärte Martina Glomb dem Stader Publikum. Slow Fashion dagegen wolle entschleunigen.

Langlebige, nachhaltige und hochwertige Mode, beispielsweise aus recyceltem Material. Und ein Schnitt mit möglichst wenig Abfall, im besten Fall sogar ohne - der sogenannte Zero Waste Schnitt, nachhaltig und ressourcenschonend.

Wie das am Ende aussehen könnte, zeigte Martina Glomb anhand einer Jacke und einer Leggings, von Studierenden gefertigt aus weggeworfenen Marathon-Shirts. Alles Einzelstücke und keine realistischen Produkte, sagte sie.

„Wir machen Experimente.“ Sie selbst trug ein Kleid, das aus mindestens vier Herrenpullis gefertigt wurde. Auch Modelle von Vivienne Westwood hatte sie im Gepäck. Für die britische Modedesignerin war sie viele Jahre tätig.

Zwölf Kilo neue Kleidung pro Kopf und Jahr

Ständig neue Kleidung zu tragen ist Trend. Laut Umweltbundesamt kauft jeder Deutsche davon durchschnittlich zwölf Kilogramm im Jahr. Der Beiname Wegwerfmode kommt nicht von ungefähr. Hosen, T-Shirts, Pullis, Kleider und Blusen sind oft nach kurzem Gebrauch passé und enden nicht selten in einer Verbrennungsanlage oder auf einem riesigen Müllberg.

Das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ schreibt, dass Studien zufolge mehr als 100 Milliarden Kleidungsstücke hergestellt werden - mit fatalen Folgen für die Umwelt. Das bei der Herstellung anfallende CO2 mache die Textilwirtschaft zur Industrie mit dem drittgrößten Ausstoß an Treibhausgasemissionen, nach der Lebensmittel- und Baubranche, heißt es dort. Ganz zu schweigen vom enormen Wasserverbrauch, häufig in Ländern, die unter Trockenheit leiden.

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Dass es auch anders gehen kann, zeigt das Unternehmen Rymhart in Stade, bekannt für seine langlebigen Troyer. „Unser Markenkern sind Klassiker, die im Programm bleiben und an denen wir im Laufe der Jahre etwas herumfeilen“, sagt Inhaber Karl Siegel. „Das würde ich als Slow Fashion bezeichnen.“ Martina Glomb ist für ihn keine Unbekannte, mit ihr hatte er bereits Projekte angeschoben.

Produkte von Rymhart werden regional gefertigt, sind nachhaltig, von hoher Qualität. Und die ziehe die Kunden im wahrsten Sinne des Wortes an. „Unsere Kunden kommen in erster Linie wegen der Qualität, nicht wegen der Nachhaltigkeit - wir staunen selber“, sagt er. 1400 Troyer habe Rymhart zwischen Anfang Dezember und Mitte März verkauft, darunter auch Maßarbeit.

Rymhart hat sich in Stade mit langlebigen Troyern einen Namen gemacht.

Rymhart hat sich in Stade mit langlebigen Troyern einen Namen gemacht. Foto: Rymhar

Aus Verschnitt werden Unikate

Was die Manufaktur ebenfalls zum Slow-Fashion-Anbieter macht: Die Pullis können zur Reparatur oder zum Auffrischen eingeschickt werden. Und das Unternehmen produziert nahezu Zero Waste. Siegel: „Reste verwandeln unsere Mitarbeiterinnen zu Unikaten, die anschließend in unserem Shop erhältlich sind.“

Nachhaltig und regional produziert auch Waytalla Alpakas aus Düdenbüttel. Familie Schlegel züchtet dort die Kamelart und verwendet deren Wolle unter anderem zur Herstellung von Naturmode. „Slow Fashion, das trifft schon zu“, sagt Carina Schlegel. „Wir verwerten alles, was auf dem Alpaka drauf ist.“ Auch die Abfallwolle der Beine, die zu Düngerpellets verarbeitet werde.

Stoffe, die in der ersten Produktion nicht verwendet werden, verwandeln Mitarbeiter in Unikate.

Stoffe, die in der ersten Produktion nicht verwendet werden, verwandeln Mitarbeiter in Unikate. Foto: Strüning

Doch das meiste Strickgarn kaufe sie zu. In Deutschland schaffe es niemand, mit eigenem Material Produkte in Maschinenstrickqualität herzustellen, ist Carina Schlegel überzeugt. Ein schwieriges Terrain. Bestrebungen einzelner Produzenten zu Zusammenschlüssen seien immer gescheitert.

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