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Landgericht

T„Widerliche Tat“: Brutaler Überfall auf 85-Jährigen wird hart bestraft

Blick auf das Landgericht Stade.

Blick auf das Landgericht Stade. Foto: Vasel

Drei junge Männer brechen in Stade in ein Haus ein. Sie verprügeln und treten den greisen Bewohner brutal - und müssen nun lange ins Gefängnis. Details eines verstörenden Verbrechens.

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Von Susanne Helfferich
Montag, 22.09.2025, 08:50 Uhr

Stade. Es ist der 2. Februar dieses Jahres. Früh am Morgen fahren drei junge Männer mit der S-Bahn von Hamburg nach Stade, wählen beliebig ein Einfamilienhaus aus, brechen das Küchenfenster auf und steigen ein. Dabei lassen sie sich auch nicht von einem vor dem Haus geparkten Pkw abschrecken.

Nicht nur das: Als sie den Bewohner entdecken, verlassen sie nicht den Tatort, sondern fesseln den 85-Jährigen mit Klebeband, schlagen und treten ihn, um die PIN für die EC-Karte zu erpressen. Schließlich verlassen sie das Gebäude mit 295 Euro und erbeutetem Schmuck.

Seit dem 4. August verhandelte die 3. Große Strafkammer des Stader Landgerichts diesen Fall. Anfänglich stand neben gemeinschaftlicher Erpressung und Raub auch Körperverletzung mit Todesfolge in der Anklage.

Der 85-Jährige verstarb am 10. Mai. Am Donnerstag wurde das Urteil gesprochen: Acht Jahre und neun Monate in zwei Fällen, acht Jahre und 11 Monate in einem Fall kamen dabei heraus.

Schwere Verletzungen durch Schläge und Tritte

Einen Tag zuvor hatten Oberstaatsanwältin Inken Vonnahme und die Verteidiger ihre Plädoyers gehalten. Die Staatsanwältin beschrieb auf Grundlage der Arztberichte die Brutalität, mit der die Angeklagten vorgegangen sein sollen: Jochbein und Nasenrücken blutunterlaufen, Hämatome am rechten Schulterblatt, ein subdurales Hämatom am Kopf, ein Abrissbruch am oberen Schenkelknochen und blaue Flecken am Rücken, Spuren von Schlägen, möglicherweise von einem Revolver.

Der bis dahin rüstige Rentner habe nach dem Überfall vom 2. Februar zunehmend körperlich und mental gelitten, so die Staatsanwältin, sei motorisch eingeschränkt gewesen und habe Todesängste ausgestanden. Im April wurde er wegen einer Lungenentzündung stationär aufgenommen.

Zwei Tage nach seiner Entlassung verstarb der Stader. Die Verletzungen durch den Überfall seien nicht ursächlich für den Tod gewesen, doch sie hätten die Widerstandskraft des Opfers erheblich eingeschränkt, so Vonnahme.

Bei einer Videovernehmung nach dem Überfall habe der 85-Jährige berichtet, dass alle drei Angeklagten gleichermaßen an Schlägen und Fesselungen beteiligt gewesen seien, keiner habe sich zurückgehalten oder nicht beteiligt, gibt die Staatsanwältin aus der Befragung wieder. Die Angeklagten hätten den alten Mann in einer hilflosen Lage zurückgelassen.

Daher hätten sie sich des gemeinschaftlichen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung und gemeinschaftlicher Körperverletzung schuldig gemacht. Der Strafrahmen hierfür sei eine Freiheitsstrafe zwischen fünf bis 15 Jahren. Die Oberstaatsanwältin plädierte für 9 Jahre und sieben Monate für alle drei Angeklagten.

Oberstaatsanwältin fordert hohe Haftstrafen

Dem konnten die Verteidiger nicht folgen. Rainer Kattau, Verteidiger des 26-jährigen T. betonte, dass es sich um eine 2:1-Situation gehandelt habe. Die drei Angeklagten hätten sich zwar gekannt, aber Kattau verwies auf die enge Verbundenheit der beiden Mitangeklagten. Sein Mandant T. habe eingeräumt, in das Haus eingestiegen zu sein und es durchsucht zu haben.

Als der Mann entdeckt wurde, habe sein Mandant nicht mehr mitmachen wollen. Der Einbruch sei aus dem Ruder gelaufen, so Kattau. Der Revolver im mitgebrachten Rucksack habe nicht seinem Mandanten gehört, er sei ihm zugesteckt worden. Auch habe er das Opfer vom Klebeband am Mund befreit.

Dass das Opfer drei Monate nach dem Einbruch gestorben war, habe seinen Mandanten erschüttert. Er habe bei der Beweisaufnahme darauf hingewiesen, während der Tat wegen Alkohols und Tabletten keinen klaren Kopf gehabt zu haben. Sein Mandant habe ein Geständnis abgelegt, aber es habe nicht Eingang in das Plädoyer der Staatsanwaltschaft gefunden. Neun Jahre und sechs Monate sei „eine Hausnummer“. Einen eigenen Antrag wollte er nicht stellen.

Angeklagter will nichts von einer Schusswaffe gewusst haben

Rechtsanwältin Katrin Bartels erklärte, dass ihr Mandant, der 24-jährige S., schuldig wegen des Einbruchs sei. Aber an den Schlägen und Tritten habe er sich nicht beteiligt. Er sei davon ausgegangen, dass sich niemand im Haus aufhielt. Er habe auch nichts davon gewusst, dass eine Waffe mitgenommen worden war. S. sei auf Entzug gewesen. Er sei seit Jahren auf das Medikament Lyrica fixiert. Bartels sprach von einer Ausnahmesituation.

Rechtlich handele es sich um eine sukzessive Mittäterschaft und sei als minderschwerer Fall in Tateinheit mit Einbruch und Sachbeschädigung zu werten. Eine Beteiligung an den Schlägen sei nicht nachweisbar. Die Fesselung habe S. gemeinsam mit seinem Freund A. gelockert.

„Mein Mandant hat den alten Mann nicht angefasst.“

Der psychiatrische Sachverständige habe bei ihrem Mandanten als einzigem Unterbringung und Therapie nach Paragraf 64 empfohlen. Auch Bartels kritisierte, von der Staatsanwaltschaft nichts Entlastendes für ihren Mandanten gehört zu haben.

Ihr Kollege Torsten Seyfarth schloss sich der Argumentation an: Sein Mandant A. sei „zutiefst erschüttert“ gewesen, als er feststellen musste, dass der Bewohner des Hauses vor Ort war. Als er erkannt habe, dass T. eine Waffe dabei hatte und der Bewohner auf einem Stuhl gefesselt war, habe er Angst bekommen. Seyfarth erklärte, dass sein Mandant sich nicht an den Schlägen und Tritten beteiligt habe.

„Es wurden keine DNA-Spuren bei ihm gefunden“, so der Verteidiger, „mein Mandant hat den alten Mann nicht angefasst.“ Er habe viel mehr die Fessel gelöst, damit sich der Mann befreien könne. Nach alledem habe A. einen gemeinschaftlichen Einbruchdiebstahl begangen, Raub und gefährliche Körperverletzung kämen nicht in Frage, und damit sei sein Mandant mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr zu bestrafen.

Vorsitzender spricht von widerlicher Tat

Den Anträgen folgte die Kammer nicht. Der Vorsitzende Richter Marc-Sebastian Hase fasste am Donnerstag die Ereignisse zusammen und stellte fest, dass sich auf der einen Seite die Angeklagten S. und A. und auf der anderen Seite der Beschuldigte T. sich gegenseitig die Schuld zuwiesen.

Dass S. behauptete, nichts von einer Schusswaffe gewusst zu haben, sei nicht glaubwürdig, so Hase, weil es Videoaufnahmen gäbe, die ihn mit dieser Waffe zeigten. Der Verstorbene habe zeitnah nach der Tat die Ereignisse gut schildern können. Der Kern sei: Drei Leute haben ihn überfallen, ihn geschlagen, eine Waffe vorgehalten und Wertgegenstände und Geld mitgenommen.

Die Strafkammer räumte mit strafmindernden Überlegungen auf: Angebliche Beeinträchtigung der Angeklagten durch Alkohol und Drogenmissbrauch seien nicht nachweisbar, führte der Vorsitzende fort, das Drogenscreening sei für alle drei unauffällig gewesen. „Die Einlassungen diesbezüglich sind Unfug. Die haben einfach nicht gestimmt“, so Hase.

So haben sich die Angeklagten eines besonders schweren Raubes, versuchter räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung schuldig gemacht. Die jeweiligen Schilderungen der Beschuldigten seien „von einer geständigen Einlassung weit weg“ und könnten daher nicht strafmindernd anerkannt werden.

Auch wer welche Schläge dem Opfer versetzt habe, sei unwichtig, da ein gemeinsamer Tatplan vorgelegen habe. Die Einweisung in eine Entziehungsanstalt habe keine Erfolgsaussichten.

Zum Schluss sprach Marc-Sebastian Hase die Angeklagten direkt an: „Sie haben sich einer wirklich widerlichen Tat schuldig gemacht. Im Strafvollzug haben Sie Zeit genug darüber nachzudenken. Dem Opfer haben sie den Lebensabend gründlich versaut.“

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