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Erfolgreiche Integration

TZahnärztin aus Syrien: In manchen Praxen war das Kopftuch ein Hindernis

Nawar Al Hendawi fühlt sich nicht nur in ihrem Job wohl, auch ihre neue Heimat Cuxhaven gefällt ihr so gut, dass sie auch nach der Assistenzzeit hier bleiben möchte.

Nawar Al Hendawi fühlt sich nicht nur in ihrem Job wohl, auch ihre neue Heimat Cuxhaven gefällt ihr so gut, dass sie auch nach der Assistenzzeit hier bleiben möchte. Foto: May

Nawar Al Hendawi entschied sich 2017, ihre Heimat in Syrien zu verlassen. Ihr Ziel: In Deutschland, einem sicheren Land, als Zahnärztin zu arbeiten. Doch so leicht, wie sie es sich vorgestellt hat, war es nicht.

Von Denice May Sonntag, 01.09.2024, 14:32 Uhr

Cuxhaven. Seit mittlerweile sieben Jahren lebt die 34-jährige Nawar Al Hendawi in Deutschland, begrüßt und behandelt ihre Patienten in der Cuxhavener Zahnarztpraxis mit einem nahezu perfekten Deutsch. Die junge Frau, die in Syrien geboren ist, hat Ehrgeiz und sich ins Zeug gelegt, um ihr Ziel zu erreichen, in einer deutschen Zahnarztpraxis zu arbeiten. Dass sie irgendwann in Cuxhaven praktizieren wird, war allerdings nicht geplant.

Zahnärztin zu werden, war nie der Wunsch von Nawar Al Hendawi. „Ich habe 2008 mein Abitur gemacht und wollte Medizin studieren. Aber bei uns ist es so, dass die Eltern und die Familie bestimmen, was studiert wird. Sie wollten, dass ich Zahnmedizin studiere, weil es ein hoch anerkannter Beruf in Syrien ist.“ Fünf Jahre lang studierte sie auf Englisch an einer Universität. „Es hat Spaß gemacht, es war aber nicht so leicht.“ Nach dem Staatsexamen musste sie für zwei Jahre in einem Dorf arbeiten. „Das ist in Syrien so. Da gibt es keine Assistenzjahre, sondern jeder muss bei einem Zahnarzt auf dem Dorf arbeiten.“ 2014 schloss sie ihr Studium ab, arbeitete für einige Zeit in verschiedenen Praxen, wechselte dann in das Krankenhaus des roten Halbmondes in Daraa.

Lange Wartezeiten für Sprachkurse

Doch zu diesem Zeitpunkt herrschte schon seit einigen Jahren Krieg in Nawar Al Hendawis Heimatland. „Meine Eltern waren in Sorge und wollten nicht mehr, dass ich arbeiten gehe.“ Es sei zu gefährlich. Weil die junge Syrerin aber arbeiten wollte, entschloss sie sich, gemeinsam mit ihrem Bruder Syrien zu verlassen und zu ihrem anderen Bruder nach Deutschland zu fliehen.

Über den Libanon, die Türkei, Griechenland, Mazedonien und Österreich ging es für Nawar Al Hendawi nach Saarbrücken. „Aber es war alles anders: die Gesellschaft, die Sprache und ich hatte keine klare Idee, wie es weitergeht. Anfangs war es wirklich nicht einfach.“ Doch irgendwann erkannte Nawar Al Hendawi ihren Weg. „Ich musste einen Integrationskurs machen. Aber auf den Platz musste ich sechs Monate warten. Auch danach war es schwierig, weiterführende Sprachkurse zu finden. Ich musste ein weiteres Jahr warten.“

Sie wollte nicht warten, kaufte sich alle möglichen Bücher, brachte sich alles alleine bei, legte die B2-Prüfung ab. Den anschließenden Fachsprachkurs für Mediziner konnte sie nicht im Saarland absolvieren, musste dafür nach Rheinland-Pfalz. Die Prüfung legte sie innerhalb eines Monats bei der Zahnärztekammer in Mainz ab, die Kenntnisprüfung in Zahnmedizin folgte in Freiburg. 2022 erhält Nawar Al Hendawi ihre Approbation als Zahnärztin.

150 Bewerbungen und nur Absagen

An den Zahnarztstuhl kam sie aber noch immer nicht. „Ich habe mehr als 150 Bewerbungen über ganz Deutschland verteilt verschickt. Ich wollte einfach arbeiten und Erfahrungen sammeln.“ Warum hat es in einigen Praxen nicht geklappt? „Das Kopftuch und mein kultureller Hintergrund waren ein Problem.“

Aber nicht für Oksana Schulz. Die Cuxhavener Zahnärztin hatte dringend eine Kollegin beziehungsweise Assistenzärztin für ihre Praxis gesucht. „Alleine war es ein gewaltiger Zeit- und Leistungsdruck. Je provinzieller der Ort ist, desto schwerer ist es, Zahnärzte zu finden.“ Umso erfreuter war sie, als sie über eine Vermittlungsagentur die Bewerbung von Nawar Al Hendawi erhielt. „Wir haben uns kennengelernt, die Kommunikation und Chemie stimmten“, erinnert sich Oksana Schulz. Es sei für sie eine riesige Erleichterung gewesen, weil Nawar Al Hendawi sie in allen Bereichen unterstütze.

Cuxhaven erinnert sie an ihre syrische Heimatstadt

Im Mai vergangenen Jahres packte Nawar Al Hendawi ihre Sachen in Saarbrücken und stemmte ihren Umzug nach Cuxhaven - ganz alleine. „Hier haben mich alle mit offenen Armen empfangen und die Atmosphäre im Team war sehr gut. Alle haben mich so akzeptiert, wie ich bin.“ Dem pflichtet auch Oksana Schulz bei: „Die Patienten haben sie total akzeptiert.“

Nach gut einem Jahr hat sich die 34-jährige Syrerin bereits in ihrer neuen Heimat eingelebt. “Ich mag es am Meer und habe neue Freunde gefunden“ Wenn es die Zeit neben der Arbeit zulässt, spielt sie Schach, macht Sport, geht an den Strand, schreibt Gedichte und liest. „Cuxhaven ist ein wenig so wie meine Heimatstadt. Es gefällt mir hier, ich mag die Leute und sie sind multikulti. Ich kann mir vorstellen, hierzubleiben, weil ich mich wohlfühle.“

Im Mai 2025 ist ihre zweijährige Assistenzzeit zwar vorbei, doch die Geschichte von Nawar Al Hendawi und Cuxhaven soll dann noch nicht enden. Da sind sich Nawar Al Hendawi und ihre Chefin sicher.

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