TZahnarztpraxis in Drochtersen schließt - Mehr als 6000 Patienten auf Praxissuche

Die Zahnarztpraxis Frankenstein in Drochtersen schließt sofern sich keine Nachfolge findet. Monika Goedecke, Rosa Robertus, Tatjana Stang, Marlies Raap-Hintze und Jorma Syväri hoffen auf eine Lösung. Foto: Knappe
Nach dem unerwarteten Tod des Drochterser Zahnarztes Cornelius Frankenstein suchen mehr als 6000 Patienten eine neue Praxis. Die Praxis schließt in wenigen Wochen, bislang hat sich kein Nachfolger gefunden.
Drochtersen. Die alteingesessene Zahnarztpraxis an der Drochterser Straße läuft inzwischen nur noch vormittags, im Notbetrieb. „Wir führen jetzt nur noch begonnene Zahnbehandlungen zu Ende, etwa beim Zahnersatz, und nehmen noch einige Schmerzpatienten. Die Prophylaxe läuft weiter“, erzählt Monika Goedecke. Sie arbeitet seit 1995 hier, als die Praxis eröffnete.
Am 19. Juni schließt die Praxis
Die ist nun noch bis zum 19. Juni geöffnet. Dann ist Schluss, sofern sich kein Zahnarzt findet, der hier übernehmen will. Der Zahnarzt Jorma Syväri, der Cornelius Frankenstein bereits seit vier Jahren unterstützte, behandelt vormittags die Patienten - weiterführen kann und will er die Praxis nicht: Er ist 72 Jahre alt und eigentlich selbst schon längst im Ruhestand. Alle Mitarbeiterinnen sind gekündigt - zehn Zahnarzthelferinnen und eine Reinigungskraft. Einige sind schon gegangen.
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„Eine mittlere Katastrophe für die Region“
Der beliebte Zahnarzt Cornelius Frankenstein war im April im Alter von 61 Jahren unerwartet verstorben. „Wir, die Mitarbeiterinnen und die gesamte Region Kehdingen sind geschockt und verzweifelt. Für die Region ist es eine mittlere Katastrophe“, sagt Monika Goedecke.
Es gibt noch eine weitere Zahnarztpraxis in Drochtersen, eine in Assel, in Freiburg, Wischhafen, und vier in Himmelpforten. Doch die Kehdinger Praxen haben kaum noch Kapazitäten für neue Patienten, etliche haben Aufnahmestopp. Und viele der hiesigen Zahnärzte nähern sich dem Ruhestand.
Die Praxis habe rund 6500 Patienten in der Kartei, sagt Goedecke. Sie hat noch immer nicht alle Patienten erreichen können, um sämtliche Termine abzusagen. „Wir haben noch Termine im Kalender bis in den Oktober“.

Monika Goedecke (vorne) und Tatjana Stang wissen: Für viele der Patienten aus dem ländlichen Raum wäre die Praxisschließung problematisch. Foto: Knappe
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Mitarbeiter der Praxis überwanden Sprachbarrieren
Senioren wie auch viele junge Familien saßen in der Praxis Frankenstein in den drei Behandlungsräumen. Und Flüchtlinge aus der Ukraine: Es hatte sich rasch herumgesprochen in der Region, dass einige der Praxismitarbeiterinnen russisch sprechen und die Sprachbarrieren überbrücken konnten.
„Wir haben 30 bis 40 Patienten am Tag behandelt, hatten an zwei Tagen in der Woche von 8 bis 20 Uhr geöffnet“, erzählt Monika Goedecke. Viele Patienten, gerade ältere, seien verzweifelt, weil es für sie, wenn kein Auto vorhanden sei, aufgrund der schlechten Busverbindungen schwierig sei, zu weiter entfernt gelegenen Praxen - etwa in Stade - zu gelangen.
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Patienten standen weinend am Tresen
„Wir hatten auch schon Patienten, die haben hier weinend am Tresen gestanden“, berichtet Goedecke. Das Sozio-Med-Mobil des DRK, das Bürger kostenlos zu Ärzten bringt, kennen viele Patienten immer noch nicht.
Roswitha Staats aus Drochtersen schaut gerade in der Praxis vorbei und fragt nach Röntgenbildern ihres Ehemanns. Er wurde von der Praxis in Assel aufgenommen. „Mein Mann, mein Sohn und ich waren viele Jahre in der Praxis von Doktor Frankenstein. Wir waren hier alle toll aufgehoben“, erzählt sie. „Mein Sohn ist schwerstbehindert. Und ich selbst bin Angstpatientin.“ Für sich selbst und ihren Sohn habe sie noch nicht nach einem neuen Zahnarzt gesucht - „ich habe gehofft, dass es hier irgendwie weitergeht“.
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Auch Zweigniederlassung wäre möglich
Bislang hat sich kein Nachfolger gefunden. Doch Monika Goedecke und ihre noch verbliebenen Kolleginnen hoffen weiter. „In dieser Praxis könnten sogar zwei Zahnärzte arbeiten. Auch eine Zweigniederlassung einer woanders bereits bestehenden Praxis wäre hier ja möglich“, betont Goedecke.
Sie hat sich aktiv auf die Suche nach Praxisnachfolgern gemacht. „Zur Zeit sieht es nicht gut aus. Die Zahnärzte wollen alle in die Stadt und nicht aufs flache Land“, bedauert Dr. Wolfhard Ross von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KZVN) in Stade.
Zahnärzte: In Kehdingen gibt es vergleichsweise wenig
Ross sagt, er bemühe sich schon seit längerem, Zahnärzte für die ländlichen Regionen zu werben. Insgesamt habe der Landkreis keine Unterdeckung, das heißt, verteilt aufs gesamte Kreisgebiet gibt es genügend Zahnärzte: Nach Angaben der KZVN gibt es aktuell im Landkreis 150 Zahnärzte in 89 Praxen, vor zehn Jahren waren es 148 Zahnärzte in 93 Praxen.
Doch es hapert an der Verteilung. In Kehdingen gibt es vergleichsweise wenige Praxen. Silke Lange vom KZVN-Vorstand hat deswegen inzwischen Kontakt zur Gemeinde Drochtersen aufgenommen. In Drochtersen waren im Mai nur noch drei Zahnärzte in zwei Praxen gemeldet. Die Kreisstadt Stade wuchert mit 49 Zahnärzten und 29 Praxen.
Tipp für die Zahnarztsuche: Weiter telefonieren
Patienten auf Praxissuche müssten die Praxen abtelefonieren - „man darf nach dem zweiten oder dritten Anruf nicht aufgeben“. In Niedersachsen haben innerhalb von zehn Jahren knapp 700 Zahnarztpraxen geschlossen.