TZurück an den Herd? Wie Frauen im Kreis Stade den Tradwife-Trend sehen

Malischka hat eine vordergründige Hauptbeschäftigung: Hausfrau. Sie ist aber auch eine Influencerin mit mehr als 30.000 Followern. Dies ist ein Screenshot ihres Accounts (Instagram: xmalischka_) Foto: Instagram: xmalischka_
Sie ist wieder da: die traditionelle Hausfrau als Rollenmodell. Jedenfalls in den sozialen Medien, wo sie Tradwife heißt, gut aussieht und gut ankommt. Auch bei Frauen im Kreis Stade?
Landkreis. „Eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll ich anziehen und was soll ich kochen?“: So hieß es in einem Dr. Oetker-Werbespot von 1954. Viele dachten, dieses Frauenbild sei im Mülleimer der Geschichte gelandet. Doch in sozialen Medien wie Instagram, TikTok oder Youtube präsentieren sich junge Frauen aktuell wieder stolz als traditionelle Hausfrauen.
Der Trend ist aus den USA nach Deutschland geschwappt. Auch hier nennen sich diese jungen Frauen deshalb Tradwifes, was für traditional wifes, also traditionelle Ehefrauen, steht.
Im Glitzerkleid im Kochtopf rühren
Im Glitzer-Abendkleid oder adretter Schürze und Flechtfrisur stehen sie in der Küche und zeigen, was Weiblichkeit für sie bedeutet: Sich um das Wohlbefinden des Mannes - und irgendwann auch der Kinder - zu kümmern, indem sie kochen, backen und sich und das Zuhause verschönern. Die Rezepte, Styling- und Erziehungstipps kommen gut an: Viele dieser „Hausfrauen“ haben online eine große Gefolgschaft und können sehr gut davon leben, weil ihnen das Produktplatzierungen und Markenkollaborationen beschert.

Sarah Prüß aus Stade hat eine Masterarbeit über das Phänomen Tradwifes geschrieben. Foto: Richter
Warum spricht das aktuell überhaupt so viele an? Sarah Prüß hat darauf eine Antwort. Die 27-jährige Staderin hat ihre Masterarbeit über das Thema geschrieben: „Tradwifes: Zwischen Tradition und (Anti-)Feminismus“ lautet der Titel. Die Sozialwissenschaftlerin vermutet, dass der Trend auch etwas mit der Corona-Pandemie zu tun hat. Der Rückzug ins Private führte dazu, dass viele backen, kochen oder gärtnern als Hobby und Möglichkeit zur Selbstverwirklichung entdeckten.
Hinter dem Tradwife-Trend steckt noch mehr, sagt Prüß: „Unterschwellig verbreiten die Influencerinnen auch ihre Ansichten über das Leben.“ Besonders betone sie das Bedürfnis nach „mehr Weiblichkeit“. Frauen wie Malischka (xmalischka_) auf Instagram zeigen in kurzen Clips, was sie damit meinen. „Deine Beziehung ist 50:50“, sagt sie: „Er kümmert sich um die Finanzen und du dich um den Rest.“

Franziska Wieduwilt von den Geestmädels, den jungen Harsefelder Landfrauen, sagt: „Vieles haben wir schon erreicht, aber das ist noch nicht so lange her. Wir sind noch nicht bei der endgültigen Gleichberechtigung - und ich glaube, dass jetzt gerade eine Gegenbewegung kommt. Foto: Wieduwilt
Die jungen Landfrauen im Kreis Stade sind in den sozialen Medien viel unterwegs - nicht nur zum Frauentag auch mit feministischen Beiträgen. Die 32-jährige Franziska Wieduwilt von den Geestmädels aus Harsefeld kennt die Tradwifes und ihre Auftritte bei Tiktok und sieht sie kritisch. Wenn jemand sich entscheidet, ausschließlich Hausfrau oder Hausmann zu sein, sei das in Ordnung: „Aber dann sieh zu, dass du abgesichert bist.“ Denn das Modell berge Gefahren: „Wie viele Frauen leben heute in Altersarmut? Oder sind verzweifelt, wenn ihr Mann verstirbt und sie nicht wissen, wie sie sich um alles kümmern sollen, weil sie das nie getan haben?“

Julia Cirkel, junge Landfrau von den Plietschen Deerns Altes Land, sagt: „Es ist noch nicht so lange her, dass eine Frau ihren Mann fragen musste, ob sie arbeiten darf. Ich möchte unabhängig sein.“ Foto: Cirkel
Es sei wichtig, wertzuschätzen, was die Gleichberechtigung erreicht hat, sagt auch Julia Cirkel, ebenfalls junge Landfrau und bei den Plietschen Deerns im Alten Land aktiv: „Es ist noch nicht lange her, dass Frauen ihren Mann fragen mussten, ob sie arbeiten dürfen.“ Für sie sei immer wichtig gewesen, als Frau stark und unabhängig zu sein, und sie versuche auch, ihre Tochter so zu erziehen: „Auch, wenn ich gerne koche und aktuell nicht die Hauptverdienerin bin.“ Von Antifeminismus oder einem Trend zurück in die 50er Jahre spüre sie in ihrer persönlichen Umgebung allerdings nichts.
Franziska Wieduwilt bemerkt schon eine Gegenbewegung. Sie warnt: „Wir sind noch nicht bei der endgültigen Gleichberechtigung.“ Für sie geht es im Feminismus nicht darum, den Spieß umzudrehen, sondern darum, dass alle die gleichen Rechte und Chancen bekommen. „Es gibt auch Männer, die nicht immer diesem Bild der harten Männlichkeit entsprechen wollen“, sagt sie. Gerade die vermeintlich Harten hätten oft Probleme, mit ihren Gefühlen umzugehen.

Elena Knoop, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Stade: „Die Romantisierung in Pastellfarben täuscht über vieles hinweg - auch über die unfassbare Einsamkeit, die Frauen erleben, wenn sie mit kleinen Kindern zu Hause sind und kaum Anerkennung bekommen.“ Foto: Knoop
Die Wahlfreiheit, sich für ein Leben als Hausfrau und Mutter zu entscheiden, stellt die Kreis-Gleichstellungsbeauftragte Elena Knoop in Frage: „Diese Romantisierung in Pastellfarben täuscht über vieles hinweg - auch über die unfassbare Einsamkeit, die Frauen erleben, wenn sie mit kleinen Kindern zu Hause sind und kaum Anerkennung bekommen.“
Frauen verdienen nach wie vor weniger. Auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie leidet, beispielsweise durch Lücken in der Kita-Versorgung. Hinzu komme, dass nur Privilegierte es sich leisten können, dass nur eine Person arbeitet, gibt Elena Knoop zu bedenken
Der Mann als Versorger - und der Haken dabei
All das können Gründe dafür sein, dass das Tradwife-Modell auf manche attraktiv wirkt, sagt Sarah Prüß: „Viele Frauen fühlen sich von der Doppelbelastung überfordert. Sie stehen unter noch stärkerem Druck, den gesellschaftlichen Erwartungen gerecht zu werden.“ Der Mann als Versorger - das entlaste, bringe aber auch Abhängigkeit mit sich.
Echte Wahlfreiheit könne es nur geben, wenn die Bedingungen, unter denen Männer und Frauen entscheiden, gleich sind, sagt Elena Knoop. Das sind sie noch lange nicht: „Wenn es so weitergeht wie bisher, dauert es bis zur Gleichstellung noch 131 Jahre.“ Das hat das Weltwirtschaftsforum ausgerechnet.